In sieben Etappen von Bonn nach Bonn
In 94 Tagen um die Welt. Nur den Pazifik per Flugzeug überquert, den Rest auf dem Land- oder Seeweg. Es war herausfordernd, spannend, anstrengend, ermüdend, hat Neugierden befriedigt, Spaß gemacht, Frustrationen erzeugt, Planungen umgeworfen und Neuplanungen erfordert, uns Neues probieren und alte Vorurteile vergessen lassen. Vor allem aber hat es gezeigt, dass die Menschen überall auf der Welt im Alltag viele ähnliche Probleme und Freuden haben, oft unzufrieden mit ihren jeweiligen Regierungen sind. Dass sie trotzdem hilfsbereit, gastfreundlich und an Fremden/m interessiert sind. Und dass Verständigung auch bei kompletter Sprachlosigkeit funktioniert.
Es war das gemeinsame und eindrückliche Erleben von echter Freiheit. Selbstbestimmt und selbstverantwortlich. Mit all dem dazugehörenden Planen und Entscheiden, Agieren und Reagieren, Fluchen und Freuen.
(Und der notwendigen finanziellen Rückendeckung durch die Kreditkarte – die nur beim allerallerletzten Einsatz in New York [Pier 11/Wall St. nach Red Hook] nicht akzeptiert wurde. Ironischerweise bloss ein paar Meter weg von der Wall Street und ein paar hundert Meter weg vom Helipod, über den die zur Kreditkarte gehörenden Banker mit ihren Hubschraubern zur Arbeit kommen und ins Wochenende fliegen.)
PS Und zu Hause ist es auch schön.
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Hier noch ein paar „technische“ Details. Die Planungen haben ca. sechs Monate gedauert. Ausgehend von der Atlantikpassage (3.12. ab New York) habe ich zunächst in groben Blöcken rückwärts geplant. Mir die Webseiten der diversen Eisenbahnen angeschaut, ausprobiert und vermerkt, wann deren Buchungsfenster geöffnet werden. Apps geladen (immer versuchen, direkt die Original-Bahn-App zu nehmen; nie irgendwelche Vermittler), Konten eingerichtet, Kreditkarten hinterlegt. Für alle Nicht-Eisenbahn-Strecken dann bei rome2rio.com nach Alternativen (Bus, Auto, Fähre) geschaut. Und ein vorzeitiges Ende in Japan als Option vorgesehen.
Unterkünfte außerhalb Chinas mit booking.com oder hostelword.com gesucht, in China mit trip.com.
Zur Verständigung mit den Vermietern Whatsapp installiert. Für China sind WeChat und Alipay unerlässlich.
Uber, Bolt, Yandex (ex-Soviet countries), GO (Japan) und didi (China) funktionieren als Alternativen zu Taxis sehr gut.
Von Iran bis Kasachstan wurden US-Dollar-Noten gern genommen, selbst wenn parallel Kreditkarten akzeptiert wurden.
eSIMs funktionieren einwandfrei. Für längere China-Aufenthalte bietet sich an, eine lokale eSIM und eine westliche zu haben. Eine Reihe von Buchungen gehen nur mit lokaler Nummer, Zugriff aufs (fast) uneingeschränkte westliche Internet hat man mit der westlichen.
Konkretere Fragen einfach per mail an t-kn@web.de
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Wir haben die folgenden Entschädigungsregelungen bekommen.
Deutsche Bahn 7.9.: Komplettausfall der Züge --> Erstattung gesamter Fahrpreis
ÖBB 7.9.: Nutzung Alternative + Ursprungszug --> Erstattung gesamter Fahrpreis
Japan Fähre 7.11.: Komplettausfall der Fähre --> Erstattung gesamter Fahrpreis (95€) + Kompensation (120€ cash)
Japan Bahn 18.11.: Unfall mit Personenschaden --> zeitgleiche Beförderung mit Alternative + Erstattung 50% Fahrpreis
Amtrak USA 22.11.:Sturm: Ende eine Station vorher (nach 12h Fahrt 10min vorm Ziel) --> Erstattung gesamter Fahrpreis (64$) oder Voucher (150$)
Das Leben hat diesmal schnell zurückgezahlt (siehe unten KontraK). Es sind alle Prüfungen geschafft, die Bachelor-Arbeit ist bereits bewertet. Du bist Bachelor. Meinen Glückwunsch.
Außerdem hast du schon einen Praktikumsplatz für die Zeit nach unserer geplanten Rückkehr.
Nun ist es Zeit, den Rucksack zu packen. Lass uns losfahren.
Immer nach Osten.
Liebe Tochter,
nach deinem Abi (2021) wollte ich auch dich* mit einer großen gemeinsamen Reise ins Leben „entlassen“. Covid und der Ukraine-Krieg haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Nun, drei Jahre später, ist der erste Zweck dieser Reise hinfällig. Du triffst bereits selbständig und verantwortungsvoll Entscheidungen im und für dein Leben. In der letzten Woche haben wir deinen Großvater beerdigt. Du wolltest unbedingt dabei sein, bist am nächsten Tag wieder 800 km mit der Bahn zurück, um am Folgetag und nochmal zwei Tage später kritische Bachelor-Klausuren zu schreiben. Es gibt wichtige Dinge im Leben, aber eben auch einmalige Momente.
Wie heißt es dazu so schön bei KontraK „Erfolg ist kein Glück, sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiß und Tränen. Das Leben zahlt alles mal zurück, …“
In meiner aktuellen Sommerlektüre „Troubled“ formuliert Rob Henderson das so „Many people say that to do something difficult and worthwhile, they need to be “motivated”. [ ] But the military taught me that people don’t need motivation, they need self-discipline.”
Bleibt der zweite Zweck – ein wenig die Welt außerhalb Europas kennenlernen. Auch dort, wo es viel weniger komfortabel ist. Und möglichst ohne Flugzeug, weil wir knietief im Leben bleiben und nicht darüber hinweggleiten wollen. Eigentlich bin ich schon ein wenig müde, aber die Aussicht auf neue Abenteuer holt dann doch den großen Hunger aufs Leben zurück, der hinter den Mauern der DDR gewachsen ist.
*wie 2017 deine Schwester (www.66meets99.com)
Etappe VII Zurück nach Europa
9. Dezember
Der letzte Tag an Bord. Sport, Frühstück, Uhr umstellen – wir sind nun auf britischer Zeit. Windstärke 7 bis 8. Noch nen Vortrag von einem ehemaligen US-Präsidentenberater, einen anderen zu Kunst. Die letzten Quizze. So lässt sich’s schon leben. Das hier ist eine All-inclusive-Reise auf ziemlich hohem Niveau. Wir haben uns zwölf Wochen in totaler Selbstorganisation mit all den Widrigkeiten der Welt herumgeschlagen. Hier kümmern sich plötzlich andere um alles, wir laufen nur rum und picken uns die Rosinen raus. Beim Essen. Beim Unterhaltungsprogramm. Beim Sport. Hat schon was.
Im Übrigen kann ich die wirklich Reichen nun auch in ihren Tagesabläufen besser verstehen. Wenn man morgens aus einem wunderbar gepolsterten Bett aufsteht, direkt ins voll ausgestattete Fitnessstudio geht, von dort unter die Regenschauer-Dusche und dann an einen komplett vorbereiteten Frühstückstisch mit all den gesunden Sachen – dann, ja dann kann man auch voller Energie mit klarem Kopf die Arbeit beginnen. Wer sich aber mit schiefem Hals von seinem zu festen Dinkel-Spelzen-Kissen und der Kaltschaummatratze erhebt, den Crosstrainer in der kalten Garage stehen hat, beim Duschen auf den Vorhang aufpassen muss, den Joghurt beim Einrühren ins Müsli verschüttet und morgens weder Zeit noch Lust hat, die Äpfel, Melone oder Ananas zu schälen, der hat vom Start weg schlechtere Karten. Allerdings sagt das alles nix über Zufriedenheit oder Erfolg im Leben aus. Aber angenehm, angenehm ist es allemal.
Beim kurzen Blick hinter die Kulissen sieht man aber auch, welcher Aufwand dahintersteckt. Auf ca. 2.500 Passagiere kommen ca. 1.200 Mann Bordpersonal. Und zwischen den beiden Doppelreihen Kabinen entlang der Außenhaut sind in der Mitte des Schiffes viele viele Meter Versorgungstrakt. Mit eigenen Aufzügen, eigener Logistik, eigenen Zugängen, eigenen Wäschereien, Großküchen usw. Jede Menge Leute überall. Irgendwo wird immer geputzt, repariert, gestrichen. Vor den Eingängen zum Buffet steht jeweils jemand mit ner Flasche Desinfektionsmittel in der Hand. Zu jeder Mahlzeit. Jeden Tag. An jedem der vier Buffetzugänge. Vielleicht ist das ja ein Strafjob. Finde das jedenfalls reichlich übertrieben und hab das schnell sein gelassen. Macht der Haut bestimmt keinen Spaß. Und wenn man das an Tag 1 und 2 macht – ok. Aber nach fünf Tagen auf dem Wasser – wo soll hier noch was Neues herkommen? Kein Hafen, kein Kontakt zur Außenwelt. Selbst Möwen gibt es nur, wenn man in der Nähe von Land ist.
Egal, für uns war diese Überfahrt der ursprünglich nicht unbedingt als Erholungsphase geplante Abschluss unserer Weltumrundung. Dass es so gekommen ist – super. Zudem hatten wir einen sonnigen Tag, drei stürmische und den Rest irgendwo mittendrin. Also auch das ganze Spektrum.
Morgen früh werden wir in Southampton sein und mit der ersten Gruppe das Schiff verlassen.
10. Dezember
06.00 Uhr klingelt der Wecker. Ziehe mich an, gehe schnell hoch ins Restaurant für ein kleines Frühstück. Und wundere mich, wieviel Leute schon auf den Beinen sind. Esse mein Müsli, nehme den Tee mit in die Kabine. Marta ist jetzt auch wach. Wir machen uns fertig, packen unsere Sachen und laufen in die Lobby. Niemand zu sehen. Ein Schild weist zur Gangway. Wir müssen unsere Bordkarte scannen und gehen von Bord. So unspektakulär ist das. Keine weitere Passkontrolle, wir laufen einfach an den Taxis vorbei auf die Straße. Sind schon wieder im alten Rhythmus.
Marta hat die Busverbindung und Bushaltestelle schon auf ihrem Handy, gute zwanzig Minuten Fußweg. Doch lieber Taxi? Immerhin weht ein kalter, scharfer Wind bei 6°C. Nee, so kurz vor Schluss machen wir weiter wie bisher. Unterwegs stehen wir einmal vor nem geschlossenen Tor. Zwei Hafenarbeiter helfen uns weiter – in tiefstem Akzent. Als wir an der Bushaltestelle sind, rollt gerade der Bus rein. Fünf Minuten, dann geht’s weiter. Fahrkarte können wir wieder durch einfaches Handy-Antippen kaufen, ein paar Minuten später sind wir am Bahnhof Southampton. Holen uns unser gebuchtes Ticket vom Automaten und setzen uns in den Starbucks gegenüber. Welcome back to Europe.
Die Fahrt von Southampton nach London geht schnell und ist pünktlich. Die Sitzabstände beim privaten Bahnunternehmen sind ab 1,85m Größe schwer auszuhalten, aber pünktlich ist wichtiger, weil wir nicht viel Puffer haben. In London klappt es mit den U-Bahnen ebenfalls, der Eurostar fährt pünktlich um 13.01 Uhr ab, wir stellen die Uhr nochmal eine Stunde vor, kommen in Brüssel an und sitzen um 17.25 Uhr in einem in Deutschland umgeleiteten und streckenverkürzten Eurostar nach Köln. Ankunft mit deutlicher Verspätung um 20.40 Uhr in Köln. Wir werden abgeholt, essen schnell was auf dem Weihnachtsmarkt am Dom, fahren nach Hause und fallen ins Bett.
Etappe VII Zurück nach Europa
7. Dezember
Der Wind ist noch nen Tacken stärker geworden, Schaumkämme auf den Wellen, bis auf die Raucherecke sind die Außendecks gesperrt. Wir fahren aber gut stabilisiert einfach immer weiter Richtung Europa. Und beim Morgensport wieder dasselbe Thema. Beim Liegestütz werden einerseits die Wege beim Hochdrücken so lang, dass ich’s kaum halten kann. Und in die andere Richtung muss ich aufpassen, dass ich nicht in den Teppich beiße. Na, dann eben nur ein bisschen Dehnen und rauf auf die Maschine.
Beim Purser melde ich uns für das schnelle Ausschiffen in Southampton an. Wenn man sein Gepäck selbst von Bord mitnimmt, kann man als erster vom Schiff. 07.00 oder 07.30 Uhr. Wir nehmen gleich den ersten Termin – in London müssen wir ja nun einen Zug früher bekommen.
Wie das Von-Bord-Gehen mit all den anderen Passagieren hier wird – keine Ahnung. Offenbar ist dafür der gesamte Vormittag vorgesehen, da Shuttle-Busse nach London für 14.00 Uhr gebucht werden können. Da wollen wir schon im Zug unter dem Kanal sein. Aber wenn ich mir die Passagiere so angucke, dann wird das wohl so lange brauchen. Wie oft ich hinter irgendwem gehe und quasi in Vollbremsung gehen muss. Offenbar gibt es weder Alters- noch Fitnessbegrenzungen auf so’nem Kahn. Solange alles normal läuft – fein.
Aber wenn wirklich mal ein Notfall eintritt und alle in die Rettungsboote müssen, weiß ich nicht, wie das ausgeht. „Frauen und Kinder zuerst“ müsste eigentlich geändert werden. Angesichts der demografischen Probleme, die wir in der westlichen Welt haben, müsste es eigentlich nach „noch zu lebenden Jahren“ gehen. Also Kinder zuerst und dann alles unter 30, 40, 50 usw. Ist natürlich praktisch nicht machbar. Es sei denn, man bekommt beim Einchecken gleich ein unkaputtbares Armband mit der Farbe der eigenen Altersgruppe. Der einfachste Weg wäre vermutlich „Rette sich, wer kann.“ Aber auch das ist nicht opportun. Hoffen wir einfach darauf, dass auf ewig nix passiert.
Heute entdecke ich meine Podcasts wieder. Lesen macht müde, aber Kopfhörer auf die Ohren, aufs Meer geschaut und zuhören – das gefällt mir, während ich im „Commodore Club“ sitze. Wie nobel das schon klingt: „Commodore Club“. Der ist auf Etage 9 (von 13), in der Nähe der Brücke und eigentlich wohl für die besser zahlenden Passagiere der Decks 9-12 gedacht. Weiche Sessel, gedämpfte Stimmung, um die Ecke die Zigarrenlounge. Pfeife und Zigarre können hier gediegen im cremegelben Ledersessel gepafft werden, Zigarettenraucher hingegen müssen an die frische Luft.
Mit etwas Glück finde ich ein Plätzchen am Fenster, lasse mich in den breiten blauen Sessel sinken und schalte meinen Podcast an. Eine gute Stunde konzentriertes Zuhören, während die Wellen das Schiff leicht schaukeln lassen. Großartig. Eine Welle schafft es bis hoch in die 9., ich warte erwartungsvoll auf die nächste – da passiert aber nix mehr.
8. Dezember
Die Wellen haben keine Schaumkämme mehr, aber es schaukelt weiterhin ein wenig. Im Moment Windstärke 4 bis 5. Abends werden die Türen zum Außendeck aber wieder geschlossen sein. Der Sport gehört nun schon zur Routine, ein ordentliches Frühstück hinterher auch. Eier und Speck, Müsli, Pfannkuchen mit Blaubeerkonfitüre. Und geschnittenes Obst. Wenn man zu Hause ist, wünscht man sich immer einen Teller mit geschnittenem Obst im Kühlschrank, damit man bei Heißhunger nicht an die Süßigkeiten-Kiste geht. Wenn man dann endlich mal ein perfektes Buffet auch mit geschnittenem Obst hat, zieht es einen trotzdem immer noch zu den Süßigkeiten. Ist schon verrückt. Nach ein paar Tagen bin ich aber zumindest so weit, dass ich mir AUCH Obst nehme…
Den Tag verbringen Marta und ich dann – mal zusammen, mal getrennt – bei Vorträgen zu Reiseanekdoten (vom Autor der Simpsons), zum Kunstmarkt rund um Graffiti/Streetart und im Planetarium. Haben wir uns aus dem täglich wechselnden Programm rausgesucht. Hinterher gibt’s reichlich frische Luft an Deck, inklusive kurzem Schläfchen.
Abends ist heute Maskenball, da wird die Masse der Passagiere wieder das lange Schwarze und den guten Anzug oder gar Frack rausholen. Ich werde mir ein Glas Rotwein einschenken und ein wenig lesen. Letzteres hat auf der ganzen Reise – bis auf die Zeit hier an Bord – wieder nicht geklappt.
Etappe VII Zurück nach Europa
5. Dezember
Gestern nach dem Kino hatte ich noch schnell beim Nachtimbiss vorbeigeschaut. Da gibt’s dann bis 00.30 Uhr ein paar Kleinigkeiten von süß bis herzhaft vom Abendbuffet. Im selben Raum ist morgens ab 06.00 Uhr dann schon wieder das allererste kleine Frühstück aufgebaut. Mache mir dort einen Tee und laufe ein wenig umher, um vorm Sport etwas wacher und schon mal leicht aufgewärmt zu sein. Um 08.00 Uhr hab ich dann meine zusätzlichen 450kcal in der Tasche, Marta eine halbe Stunde später auch.
Diesmal holen wir uns ein umfangreicheres Frühstück und setzen uns im Anschluss in die Sonne an Deck. 11°C, ruhiges Meer, bepolsterter Liegestuhl, sehr entspanntes Leben. Marta hört Musik, ich kann endlich mal was lesen. Um 12.00 Uhr wird die Uhr vorgestellt, danach gehen wir wieder zu nem Quiz. Die Quizthemen sind sehr aufs englische Publikum zugeschnitten. Und auf älteres und viel älteres. Bei Musik ging’s um Titel aus den 80ern. Bei Berühmtheiten geht’s um Clark Gable, Brigitte Bardot, Gina Lollobrigida usw. Wir versuchen trotzdem immer mal unser Glück.
Nachmittags ist wieder Tea Time. Nett. Dann springen wir nochmal in einen der Whirlpools an Deck. Coole Nummer, aber beim Rauskommen ist der Wind dann doch reichlich unangenehm.
Und, wir haben den zweiten Tag, schon setzt hier und da leichte Meckerei ein. Wir, na, in dem Fall wohl erstmal nur ich, sind schon komisch. Eigentlich ist alles super, und doch… Wollten abends Pizza essen gehen, dafür gibt’s n kleines Restaurant mit feiner Tischdecke und Bedienung. Eigentlich waren wir wieder auf Buffett eingestellt, aber bedienen lassen ist ja auch nicht schlecht. Und dann warten wir gute vierzig Minuten auf unsere Pizza. Vierzig Minuten, während derer vielleicht sechs bis acht neue Gäste gekommen sind. Warum braucht man so lange für zwei einfache Pizzen? In New York hat das in schlichten Pizzerien vom Bestellen bis zum Bekommen maximal zehn Minuten gedauert.
Die Pizza war dann allerdings lecker. Auf dem Rückweg zum nächsten Quiz sind wir schnell im Standard-Restaurant vorbei und wollten uns noch einen kleinen dunklen Cookie-Nachtisch holen, den wir aus den Augenwinkeln beim Marsch ins Pizza-Restaurant schon gesehen hatten. Leider nicht mehr zu bekommen. Heute Abend also Doppelfehler. Und zu guter letzt ist dann der Apfel (fürs gute Gewissen nach all der Völlerei) innen auch schon braun. Na, das mit der satten Maus und dem bitteren Mehl stimmt wohl.
Wir lesen noch ein wenig und gehen ins heute etwas schaukelnde Bett.
6. Dezember
Passend zum Nikolaus gibt’s eine kleine Überraschung: ordentlich Wind, Windstärke 8 bis 9. An den Treppen werden „hygiene bags“ (Spucktüten) ausgelegt. Trotzdem ist es erstaunlich, wie wenig man auf dem Schiff merkt. Die Liegestühle bleiben an Deck stehen und auch im Restaurant läuft der Betrieb völlig normal weiter. Da fallen keine Gläser um oder ähnliches. Schon bei der Ankunft ist mir aufgefallen, dass – im Gegensatz zu unseren Fähren zwischen China, Südkorea und Japan – nichts angeschraubt ist. Kein Tisch, kein Stuhl, nix.
Beim Sport allerdings merkt man den Sturm dann doch. Auf meinem Cross-Trainer lasse ich das freihändige Treten sein (man kippt zur Seite) und bei den Liegestützen wundere ich mich, dass beim Rausdrücken der Weg manchmal länger wird und beim Absenken das Schiff schnell bedrohlich nah kommt.
Im Anschluss ans Frühstück müssen wir beim Britischen Immigration Officer vorbei. Unsere Zimmerkarte wird vom Bordpersonal gescannt, ein Polizist wirft einen kurzen Blick auf die Pässe. Das war (wohl) die Passkontrolle. Diesmal haben wir den Termin mitbekommen und werden nicht separat zum Spezialtermin eingeladen.
Ansonsten verläuft der Tag mit Müßiggang. Lesen, Planetarium, schlafen, essen. Und am späten Nachmittag ist wieder Quiz, endlich mal eines, das nicht Musik und/oder Film abfragt. Und diesmal gewinnen wir, obwohl wir bei einer von zwölf Fragen nicht einmal verstehen, worum es geht. Bekommen eine Flasche Rotwein als Preis. Immerhin.
Später schauen wir noch beim Bingo vorbei. Wenigstens einmal wollte ich das spielen. Wir kaufen ein Ticket für 10 USD und kreuzen artig die Zahlen ab, die aufgerufen werden. Und kommen nicht mal in die Nähe eines der Gewinne von 50 bis 250 USD.
Zurück in der Kabine stellen wir fest, dass die Duschhalterung, die gestern abgebrochen ist, heute ohne Kommentar von unserer Seite bereits wieder repariert ist. Hier wird quasi geräuschlos auf uns aufgepasst.
Etappe VII Zurück nach Europa
Die Nacht war störungsfrei. Keine weggezogene Decke, keine unangenehme Hitze oder Kälte. Sanftes Ruhen unter langer warmer Decke auf komfortabler Matratze. Bin zwar ein paarmal wach geworden, aber das war vermutlich das Unterbewusstsein, dass mich immer mal prüfen lassen wollte, ob alles nur ein Traum ist… War es nicht, aber der Morgen kommt trotzdem unaufhaltsam näher und mit ihm der innere Schweinehund, der nicht zum Sport will.
Um halb sieben werde ich wach, rufe mir als Erstes die Bilder vom Buffet in den Kopf, insbesondere vom Nachtischbuffet, drehe mich seufzend in die Senkrechte, ziehe mich leise an und guck‘ nochmal auf den Plan, wo das Fitness-Centre liegt. Auf dem Gang ist selbst um diese Zeit schon Bewegung. Und auch die Maschinen sind zu einem Drittel schon belegt. Ich mache ein paar Dehnungsübungen und suche mir einen Cross-Trainer. Hatte ich auch mal. Klicke durch die Programme und entscheide mich fürs Intervallprogramm. Experte ist ab Stufe 16, Anfänger geht bis 6, da sollte 12 doch einigermaßen passen. Nach vier Minuten ignoriere ich mein Selbstbild und schalte auf 10, drei Minuten später auf 8. Gegen Ende wird die Maschine von allein auf 7 runterschalten. Egal, nach vierzig Minuten sind knapp 500kcal zusätzlicher Nachtisch erarbeitet. Der erste Tag hat doch schon mal gut angefangen. Beim Weg zurück merke ich, dass die hintere Oberschenkelmuskulatur nicht so gut fand, was gerade gelaufen ist. Oh, oh, oh. Mal schauen, ob es einen zweiten Sporttag gibt.
Als ich zurückkomme, schläft Marta noch. Als ich in die Dusche gehe, ist sie unterwegs für ihre erste Runde. Sie ist pünktlich zur 9.00-Uhr-Einladung fertig und hat sich auch gute 400kcal extra erarbeitet.
Wir absolvieren unsere beiden Termine und gehen noch schnell zum Frühstück. Bloss nicht zu viel essen und die gerade erarbeiteten Zusatzkalorien verbrauchen. Danach geht jeder seiner Wege – Marta kümmert sich um die allerletzte Wäsche auf unserer Reise, ich setz mich an den Laptop und schreib meine Beobachtungen runter. Wir verabreden uns für 15.30 Uhr beim British Afternoon Tea.
Punkt 12.00 Uhr gibt’s wieder ne Durchsage vom Kapitän. Die Uhr wird eine Stunde vorgestellt. Und ich habe richtig Hunger. Schleiche mich zum Buffet und hole mir ein paar Happen, nebenan in einer der Lounges nochmal Schinkenvariationen mit Grissini. Werde trotzdem müde. Ganz offensichtlich ist die reduzierte Energiezufuhr nach dem Sport nicht so wirklich schlau. Ach, dann gibt’s halt n Mittagsschläfchen. In der Kabine sehe ich, dass Marta bereits vor mir so gedacht hat. Schläft selig unter ihrer Decke.
Mein Wecker holt uns dann zum Afternoon Tea ab. Wir laufen die 200 Meter und stellen fest, dass offenbar das ganze Schiff diese Britische Tradition erleben möchte. Rappelvoll, der Saal. Nach etwas Warten werden wir zu zwei Amerikanerinnen an den Tisch gesetzt. Bekommen frischen Tee und dann – der eigentliche Grund fürs Kommen – Scones mit clotted cream. Ein spezielles englisches Gebäck mit richtig fetter fester Sahne. Traumhaft. Außerdem kann man noch kleine Sandwich-Häppchen und drei, vier andere Gebäckvariationen probieren. Es gibt Augenblicke im Leben, die sind einfach nur gut.
Im Anschluss holen wir uns draußen ein wenig frische Luft und stellen unser Abendprogramm zusammen. Dabei stellen wir fest, dass Gala-Tag ist, dh bei fast allen Veranstaltungen dunkler Anzug, Frack oder ähnliches vorgeschrieben sind. Ich geh um 21.00 Uhr ins Kino. Der Tag ist wahnsinnig schnell vorbei. Obwohl draußen nix als Wasser und Wolken zu sehen ist.
Etappe VII Zurück nach Europa
Als wir von der Gangway ins Schiff treten, sind wir in einer völlig anderen Welt. Alles festlich dekoriert, jede Menge helfendes Personal, Treppen mit dicken Teppichen wie in großen Hotels. Wir laufen weiter zu unserer Kabine, öffnen die Tür und sind mal wieder positiv überrascht. Gebucht hatte ich eine kleine innenliegende Kabine ohne Garantie für eines der Decks. Bekommen haben wir eine größere mit Meerblick. Behindertengerecht. Da hier überall auf das Alter geschaut wird, hat die Alterskombination 58/21 vielleicht zur Annahme geführt, dass ein älterer gebrechlicher Herr eine junge Dame zur Betreuung dabeihat. Uns ist’s egal, wir werfen uns aufs Bett und freuen uns auf sieben komfortable Nächte. In den letzten Ländern unserer Tour (Südkorea, Japan, USA) waren die Zimmer oft klein oder Toilette/Bad übern Flur. Und in New York gab’s neben klein und Sanitär übern Flur auch noch Hitzewallungen der Heizung. Das hier ist eine andere Welt. Und die erkunden wir dann mal.
Für den Kabinen-Service haben wir übrigens Christian. Das ist natürlich kein Deutscher und auch kein Brite oder Amerikaner. Christian heißt ziemlich sicher ganz anders und ist Asiate. Aber für die hauptsächlich englischsprachigen Passagiere sind alle Fremdsprachen ein Problem, also passen sich die Dienstleister an und jeder hat neben seinem eigentlichen Namen noch einen englischen. Verrückt, aber so ist die Welt.
Beim Entdeckungs-Rundgang gehen uns mittlerweile ziemlich anspruchslos Gewordenen die Augen über. Voll ausgestattetes Fitness-Centre, Bibliothek, mehrere Pools und Whirlpools, Pub, Casino, Kino, Hundezwinger, Planetarium, kleine Passagier-Waschsalons, kleine und größere Räume zum entspannten Sitzen.
Und Restaurants. Wir kommen an einem größeren Buffet vorbei und essen schnell nen Happen – es wird gerade ab- und aufgeräumt. Ne gute Stunde später kommen wir wieder vorbei, es ist komplett neu fürs Abendessen angerichtet. So ein Arrangement wird für uns ziemlich sicher zum Problem. Man kann de facto ab 06.00 Uhr bis 00.30 Uhr immer irgendwo was essen. Und das ist nett angerichtet, lädt zum Zugreifen an und streift durch die verschiedenen Küchen der Welt. Da Marta und ich beide gern und neugierig essen, müssen wir irgendeine Strategie entwickeln oder brutale Disziplin an den Tag legen. Wir nehmen uns vor, morgens Sport zu machen und damit das Ticket für ein klein wenig mehr an Essen über den Tag zu lösen. Mal schauen…
Wenn ich mich an die Berichte meiner Eltern erinnere, haben sie immer Anzug/Krawatte und Abendkleid für solche Reisen eingepackt. Das war bei uns natürlich völlig unmöglich. Wer schleppt schon nen knittersicheren Koffer durch die Karakum und sucht in usbekischen Zugabteilen, japanischen Superschnell-Zügen oder südkoreanischen Minizimmern nach Platz für so’n Monstrum – nur, um am Ende der Reise sechs Tage dinnerfertig gekleidet zu sein. Es stellt sich heraus, dass in den wesentlichen Restaurants ab 18.00 Uhr tatsächlich mindestens Hemd und Stoffhose getragen werden müssen. Aber es gibt inzwischen offenbar auch genug andere Kundschaft, die es entspannter angehen will. Und denen gehört dann obiges Buffet-Restaurant, ein netter Lounge-Bereich, Pub, Afternoon Tea, Casino und Poolbar. Sprich, wir sind versorgt.
Ne kleine ängstliche Rückversicherung hatte ich ehrlicherweise aber eingebaut. Am Black Friday ein Hemd für 18 USD gekauft – mit Button-down-Kragen, den sonst nur Juristen tragen. Haifischkragen war nicht im Schlussverkauf und unser Dollar-Budget ohnehin schon strapaziert. Außerdem hätte meine Wanderhose noch die argumentative Verwandlung zur Stoffhose gewinnen müssen. Also – verhungern werden wir ganz sicher nicht. Und auch mit unserer eingeschränkten Klamottenausstattung werden wir nicht auffallen.
Aufgefallen sind wir an anderer Stelle aber schon. Offenbar gehört es sich, dass man nach dem Betreten des Schiffes bis zur ersten Durchsage des Käpt’n einmal zu seinen Notfallsammelplatz läuft. Stand irgendwo klein auf nem Zettel, den wir beim Einchecken bekommen haben. Komplett übersehen und mit anderen Dingen beschäftigt – Restaurantbesuch zum Beispiel. Tja, und in modernen Zeiten bekommt das so’ne Besatzung natürlich mit. An den Sammelplätzen stand Bordpersonal und man musste seine Bordkarte zum Scannen vorzeigen. Jedenfalls haben wir um Mitternacht eine Einladung zum Nachsitzen um 9.30 Uhr im Postfach neben der Tür. Wir hatten aber schon ne andere Einladung für neue Gäste zur Vorstellung des Schiffs und des Reise-Programms um 9.00 Uhr. Beides an komplett entgegengesetzten Enden des Schiffes. Dazwischen liegen unentspannte dreihundert Meter. Der Stress fängt an. Und wird noch größer, weil wir ja Sport machen wollten. Der müsste dann bis 09.00 Uhr fertig sein, am besten inklusive Frühstück.
Abends setzen wir uns bei einem Pub-Quiz dazu. Kategorien Film, Geschichte, Zahlen, Sport und Flaggen. Film schaffen wir nix, Geschichte und Sport ein bisschen, bei Flaggen hatten wir auf mehr gehofft (eins hab ich vergeigt, weil ich Martas richtige Antwort schlicht nicht gehört habe), nur bei Zahlen gab’s den Durchmarsch. Aber selbst das ist schwierig, wenn man den Begriff „stumpfer Winkel“ in Englisch aufschreiben soll (obtuse angle). Im Leben nicht gehört – und ich kann Sachen wie Unterlegscheibe oder Blütenblatt übersetzen😉. Hat trotzdem Spaß gemacht.
Etappe VII Zurück nach Europa
Heute beginnt die letzte Etappe unserer Reise. Es geht zurück nach Europa. Das ist ein wenig schade, andererseits aber auch sehr schön. Wir lassen die USA hinter uns. Menschen, die jeden Tag einer viel härteren sozialen Umgebung ausgesetzt sind, aber auch mehr persönliche Freiheit haben.
Die kundenorientiert sind, aber auch viel stärker wirtschaftlich denken. Als wir zu früh bei unserer Wirtin ankamen und artig die Schuhe vor der Tür ausgezogen haben (Schild befolgt), war ihre etwas schroffe Reaktion, dass wir das nicht machen müssten, weil Check-in ohnehin erst nach 15.00 Uhr sei. Ja, ok. Wir wollten nur gern schon die Rucksäcke abstellen. Dann hat sie kurz überlegt – ok, wir könnten die schon ins Zimmer stellen, wenn wir sofort und in cash bezahlen. Könnten den Schlüssel mitnehmen und zu beliebiger Zeit wiederkommen. Als ich ihr dann die druckfrischen Dollar-Scheine in die Hand gab, haben ihre Augen geleuchtet und sie hat das Knistern des Geldes fast physisch genossen. Und von da an hat sie uns mit einem Wortschwall eingedeckt – wo wir einkaufen, Essen gehen könnten, … Da wir aus D kämen, bräuchte sie uns ja nicht zu erklären, wie man Müll trennt. Das müsse sie nur mit ihrer lateinamerikanischen Kundschaft machen. Und dann erzählt sie noch von ihrem Collie, der ihre sechs (!) Katzen wie eine Schafherde hütet, eine Katze adoptiert hat und solche Sachen. Na, denke ich, man bloß nicht erzählen, dass du Jäger bist…
Aber zurück zum Abschied. Irgendwie ist es eine schöne Fügung, dass wir New York als letzte Stadt auf unserer Reise besuchen. Nachdem wir die Welt von Europa über Asien nach Nordamerika durchfahren haben, treffen wir Menschen aus all diesen Teilen der Welt in genau dieser Stadt. Quasi eine kleine Zusammenfassung unserer Reise. Vielleicht ist New York weltweit die einzige wirklich multikulturelle Stadt. (Singapur, Hongkong?)
Für uns ist sie nun der Ausgangspunkt des letzten großen Abenteuers. Per Schiff nach Europa. Für den Pazifik habe ich leider keine Option gefunden, die zeitlich gepasst hätte. Es gab ein einziges Schiff, dass von Japan Richtung USA fuhr – dort hätten wir aber schon in Singapur zusteigen und mehr als 30 Tage auf einer Kreuzfahrt mit Passagieren verbringen müssen, bei denen ich vermutlich den Altersdurchschnitt deutlich gesenkt hätte. DAS können wir immer noch machen, wenn wir alt genug sind.
Und Frachtschiffreisen gibt es nicht mehr. Wohl, weil die Hafenbehörden keine Lust auf die Kontrollen beim Ein- uns Ausschiffen haben.
Wir werden uns hier nun vorerst nicht mehr melden, da die Mobilfunknetze bis Southampton dünn und die Satellitennetze exorbitant teuer sind. Aber in einer Woche hoffe ich, ein paar Eindrücke vom Atlantik und unserem Bötchen hochladen zu können.
PS Wir hatten die günstigste Kabine gebucht und haben ein Upgrade bekommen.
(Mehr Bilder gibt's erstmal nicht.)
Etappe VI USA
Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, sich neue Schuhe mit größerer Weite zu besorgen, will Marta es heute wissen. Sie hat umfangreich recherchiert und einen Laden in Brooklyn gefunden, der ein Wunschpaar in ihrer Größe hat. Zudem ist heute Cyber-Monday, da ist der Preis ein ordentliches Stück gesunken. Bevor wir dorthin fahren, essen wir aber erstmal Bagel bei Jo. Heute süß. Ach, wenn die Sachen frisch sind, können wir beide nicht widerstehen. Schmeckt ganz ausgezeichnet.
Dann in die U-Bahn und gefühlt um die halbe Welt gefahren, raus auf die Straße – wir bewegen uns in dieser Ecke intuitiv wieder etwas vorsichtiger. Finden den Laden und schauen. Die Schuhe gibt’s nicht. Die Verkäuferin erklärt uns, dass es die Straße nochmal gäbe, wir müssten noch ein paar Stationen weiter mit der Bahn. Machen wir, das Publikum wird tendenziell noch etwas schwieriger. Auf jeden Fall gibt’s jetzt endlich die Schuhe in der richtigen Größe. Aber leider auch andere, die cool sind, noch weiter preisgesenkt – nur leider ein Männermodell. Hin und her, hin und her. Am Ende nimmt sie die vorrecherchierten. Anziehen geht aber erst viel später am Tag, da wir vorher noch neue Socken brauchen…
Es geht per Bahn zurück in ein nettes Viertel rund ums google-Gebäude. Nicht weit weg findet sich ein zur Spazierstrecke umgebauter ehemaliger Bahnabschnitt. Feine Sache. Rundum vermutlich sündhaft teure Apartments. Dann geht’s zum Sockenkaufen, unterwegs essen wir ein Pizza-Stück und in die Dunkelheit hinein schauen wir am Empire-State-Building vorbei. Unser New-York-Aufenthalt geht nun langsam zu Ende. Zeit für ein paar Reflektionen über die Stadt.
New York ist einfach eine faszinierende Stadt. Leider, vermutlich deswegen, auch sehr teuer – was dafür spricht, dass ganz Viele hier ihr Glück versuchen und dass obendrein noch viele Touristen kommen. Sobald man aber etwas außerhalb der nachgefragtesten Ecken ist, kann man zB in Harlem nen Tee/Kaffee noch für um die 3 USD bekommen. Die Polizei-Präsenz fällt auf, aber sie scheint zu wirken. Überall gibt es Infotafeln „If you see something, say something.”, mit Polizeirufnummer. Wenn wir an Polizisten vorbeilaufen und sie anschauen, grüßen sie freundlich. In der U-Bahn haben wir dann auch beobachtet, dass alle irgendwie versuchen, Streit aus dem Weg zu gehen. Und Polizeibeamte haben fliegende afrikanische Taschenhändler zwar gestellt, aber nach ner harten Ermahnung wieder laufen lassen. Das sind alles nur Momentaufnahmen, passen aber alle ins Bild. Und dann gibt am 9/11-Denkmal eben auch Militär (nicht Polizei), die mit Maschinenpistolen entspannt in einem danebenliegenden Einkaufszentrum patrouillieren. Der Staat zeigt massive Präsenz und signalisiert, dass er auch bereit ist, Gewalt einzusetzen. Hätte ich früher abgelehnt, heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das in einer wirklich multikulturellen Stadt/Gesellschaft nicht doch notwendig ist.
Und dann riecht es an jeder Häuserecke nach Cannabis. In der U-Bahn gibt es Werbung mit Rufnummern für Suchtprobleme. Und reichlich Bettler und Obdachlose. Das ist bei den Miet-/ Wohnungspreisen auch keine Kunst. Wir haben bei Maklern kleine Wohnungen (ein Zimmer + Bad) ab 2.500 USD gesehen. Unser Zimmerchen kostet über 100 USD pro Nacht. Mit Gemeinschaftsdusche. Und wenn ich mir das Haus unserer Eigentümerin anschaue – gute 100 Jahre alt, einfach verglast, die Heizung läuft morgens und abends vielleicht jeweils ne Stunde. Bei jedem Anstellen entweicht wieder Luft über das angebaute Ventil, der Durchflussregler lässt sich zwar drehen, hat aber keine Wirkung. Die Heizung ist entweder heiß oder kalt, die Zimmertemperaturkurve für uns aber ok, die trockene Luft nervt allerdings. Erneuerungsinstallationen werden lieblos in oder auf die alte Substanz genagelt/geschraubt, Wände mit einfachstem Gipskarton oder Plastik verkleidet. Alte Einbauschränke ihrer Verzierungen beraubt usw. usw.
Das Leben ist für viele einfach so teuer, dass es nicht reicht, um die Immobilien denkmalgerecht zu erhalten. Der Einbau einer ordentlichen Heizung in diesem dreietagigen Haus (drei Zimmerchen plus Küche und Bad pro Etage) würde mindestens 90.000 USD kosten. Und das sind dann immer noch nur Wandheizkörper, keine Fußbodenheizung o.ä.
Und wenn man dann durch New York fährt und diese gewaltigen Häuserblocks aus dem vergangenen Jahrhundert sieht, fragt man sich, wie das jemals saniert werden könnte und auf moderne Standards gehoben. Es gibt natürlich moderne Hochhäuser, auch mit Apartments, aber die Masse der Bausubstanz ist alt. Das google-Gebäude ist so ein relativ großer Block, den sich ein reiches Unternehmen neu herrichten konnte. Aber nicht weit von dort gibt es viel gewaltigere Gebäude, die irgendwann auch doppelt verglast werden könnten. Gigantische Themen. Und solange New York so ein Magnet für die Hoffnungsvollen aus aller Welt bleibt, werden vermutlich immer nur die allernötigsten Instandhaltungen ausgeführt und hin und wieder von den wirklich Reichen einzelne neue oder komplett sanierte Straßenzüge gestaltet.
Und dann ist da die Mentalität der Amerikaner. Für uns Vorsorgeorientierte irgendwie nicht nachvollziehbar. Da gibt es in einem (scheinbar?) ärmeren Viertel in Brooklyn vier Sneaker-Geschäfte nebeneinander – mit allen angesagten Marken und Preisen oberhalb der 100 USD. Und dann kommen da Leute rein, die teure Schuhe an den Füßen haben, ansonsten aber eher nicht wohlhabend aussehen. Und die holen sich dann noch ein teures Paar. Gut, heute war Cyber-Monday, da gab’s ganz gut Rabatt. Aber trotzdem. Marta erklärt mir, dass Sneaker – wir hätten Turnschuhe gesagt – als Statussymbol gelten und so sehen die Füße in diesen Ecken der Stadt auch aus.
Abends gibt's für uns nochmal Fast Food. Panierte Hühnchenecken mit Fritten und einer speziellen Sauce (kennt man auf Tiktok 🤷♂️). Die Verkäuferin macht einen Fehler und gibt uns das falsche Paket. Wir merken das gar nicht und fangen an zu essen. Dann kommt sie nochmal an den Tisch und stellt uns das richtige Paket hin. Und nun? Zwei brauchen wir nicht. Sie auch nicht. Sei ihr Fehler gewesen, sorry. Marta schnürt die Tüte unangerührt zusammen und verschenkt sie hinterher draußen an den ersten Obdachlosen, der uns über den Weg läuft. Dauerte nicht mal 30 Sekunden.
PS Gerade bekomme ich eine mail, dass unser (nun allerletzter) Zug nach Köln in ein paar Tagen gestrichen sei. Es bleibt spannend bis zum letzten Tag...
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Etappe VI USA
Unser Zimmer (mit Gemeinschaftsdusche) liegt etwas nördlich des Central Parks. Wir machen uns fertig und folgen als Erstes der Empfehlung unserer Wirtin zum Bagel-Essen. Nicht weit weg ist eine kleine Bäckerei, in der man zwischen bestimmt zehn unterschiedlichen Bagel-Sorten und mindestens so vielen Belägen wählen kann. Diese Komplexität überfordert mich, Marta hilft mir. Was wir dann bekommen, ist sehr lecker.
Frisch gestärkt laufen wir zum Central Park. An dessen Eingang haben Ginkgo-Bäume wegen (?) der langsam ungemütlich werdenden Kälte über Nacht die Blätter abgeworfen. Es empfängt uns ein eisiger Wind. Auf der Lauf- und Fahrradstrecke sind trotzdem Leute unterwegs, zum Teil in kurzen Hosen oder T-Shirts. Dann sehen wir eine Frau, die Erdnüsse auf ihre Handflächen legt und damit tatsächlich diverse Vögel anlockt. An einer anderen Stelle stehen fünf „Bird Spotter“, die wie gebannt mit Fernglas oder Zoomobjektiv auf eine Stelle an einem Baum starren. Und mir fallen die eigenartig geformten Mülltonnen auf – da hat bestimmt ein Ingenieur ganze Arbeit geleistet.
Wir laufen dann bis etwas zur Mitte, holen uns einen Tee und fahren mit der U-Bahn zum 9/11-Denkmal. Als wir davor stehen, fasziniert mich zum zweiten Mal auf dieser Reise, was für eine Wirkung Architektur haben kann. Ich kenne weder die Geschichte noch die Interpretation des Denkmals. Aber als ich davor stehe, zieht es mich unmittelbar in seinen Bann und macht betroffen. Es ist ein ganz ähnliches Gefühl wie beim Genozid-Denkmal in Jerewan.
Nach dem 9/11-Denkmal laufen wir zur Staten-Island-Fähre. Vorbei an vielen Ankoberern, die uns auf diverse Boote schaffen und für viel Geld um die Freiheitsstatue fahren wollen. Unsere Fähre kostet hingegen nix und man sieht sowohl die Freiheitsstatue als auch die Skyline von New York super gut. Nur dass es man es draußen nicht lange aushält. Der Wind ist so bitter kalt, dass die Hände nach ein paar Fotos dringend in die Taschen wollen.
Zurück geht’s wieder mit der Fähre, dann mit der U-Bahn nach Chelsea. Wir bummeln durchs Viertel, finden bereits einzelne Weihnachtsdekos und laufen über einen Food Court mit Essen aus aller Welt. Unser Plan für heute Abend ist allerdings, dass wir in einem traditionellen Deli(katessengeschäft) essen gehen. Diese Delis waren ursprünglich die jüdische Fast-Food-Versorgung New Yorks. Mittlerweile gibt es nicht mehr so viele und wir werden von einem mexikanischen Koch, einer mexikanischen Kellnerin und einem afroamerikanischen Chef „umsorgt“. Marta nimmt mangels ausgegangener vegetarischer Sandwiches Kartoffelpuffer, ich das „Kardiologen-Spezial-Sandwich“ mit Pastrami, Zunge und Geflügelleber. Beides SEHR lecker.
Wir fahren dann noch ein Stück mit der U-Bahn und sehen bereits eine etwas andere Passagier-Zusammensetzung. Keine Touristen mehr, dafür viele Lateinamerikaner, einige Afroamerikaner. Beim Aussteigen wird es dann noch etwas schwieriger. Viele offensichtlich Bekiffte (oder anderweitig leicht aus den Härten des kalten Tages Getretene), die sich in der Haltestelle aufhalten – wir bewegen uns zügig raus und erst nach etwas Abstand zur Haltestelle sind wir wieder auf einer normalen breiten Einkaufsstraße. Für heute reicht’s, wir laufen nach Hause. Dort stellen wir fest, dass Marta erste Frostbeulen auf ihren Zehen hat. Es ist einfach kalt und die Schuhe sind eng.
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Etappe VI USA
Der Morgen beginnt um 5.30 Uhr. Die Nacht war mäßig – zu warm und dann hat ein Inder vermutlich mit zu Hause telefoniert und sich dafür auf den Gang vor unseren Zimmern gesetzt. Aber mein Magen hat bisher durchgehalten. Das ist doch gut. Vor dem Hotel empfängt uns kalte Luft. -1°C. Wir steigen in den Bus, der hier in Washington um diese Zeit komplett leer ist. Vor ein paar Tagen in San Francisco hatten wir um diese Zeit jede Menge Wärme suchender, mit irgendwas vollgepumpte Mitfahrer.
Wir laufen von der Bushaltestelle zum imposanten Bahnhofsgebäude und setzen uns in die Wartehalle. Im Gegensatz zu den in die Jahre gekommenen Zügen sind die auch schon alten Gebäude perfekt in Schuss. Eindrucksvolle Tempel des technischen Fortschritts von vor über 100 Jahren.
Für uns geht es heute nach New York. Der Zug ist komplett ausgebucht und beim Blick auf die aktuellen Ticketpreise fällt mir die Kinnlade runter. Normale Tickets Washington – New York kosten beim Kauf zwei bis drei Monate vorher ab ca. 25 USDollar. Obwohl ich für uns mit noch mehr Vorlauf gebucht habe, mussten wir schon 79 USD bezahlen – vermutlich wegen des Ferienwochenendes zu Thanksgiving. Wer heute noch kurzfristig ein Ticket kaufen will, wird allerdings um 262 bis 498 USD erleichtert. So er denn eines bekommt, die meisten Züge sind bereits komplett ausverkauft. Gnadenlose Marktwirtschaft. (Zum Vergleich: die Tickets von San Francisco nach Chicago mit 52h Fahrzeit fangen bei ca. 135 USD an und gehen dann bis auf 265, zu Weihnachten 360 USD hoch.)
Wir kommen knapp vorm Mittag im kalten aber sonnigen New York an, fahren mit der U-Bahn Richtung Unterkunft und können wieder früher einchecken. Kleines Zimmer, vor allem kleines Bett, Dusche und Klo auf dem Gang. In New York kann man bei der Unterkunft halt nicht wählerisch sein. Im Anschluss beginnt gleich unser Programm. Trödelmarkt in Harlem, Chinatown, Brooklyn-Bridge, Gondelfahrt zu Roosevelt-Island, Spaziergang zum Times Square. Unterwegs bekomme ich nach nun fast zwei Tagen wenig bis nichts essen doch größeren Hunger. Wir essen zwei Pizza-Stücken – heiß und lecker. Später holen wir uns nochmal Pizza. Stand noch auf der Liste, was wir probieren wollten. Hier in New York merkt man nix von Konsummüdigkeit. Liegt aber vielleicht auch an den vielen Touristen. In jedem Fall bleibt New York eine aufregende, hektische und inspirierende Stadt.
Beim Bummel durch die Straßen sehen wir Weihnachtsbäumverkäufe, die exakt wie zu Hause funktionieren. Nach Größen sortierte und farblich gekennzeichnete Bäume werden am Straßenrand mit Lieferoption verkauft. An den Straßenecken rund um den Times Square fallen uns kleine "Schornsteine" auf den Gullydeckeln auf. Vermutlich soll der Dampf so hoch abgeleitet werden, dass die Autofahrer nicht irritiert sind. Ganz witzig sind auch noch die vielen Kohlpflanzen, die hier als Zierpflanzen in einigen Rabatten rund um Straßenbäume zu finden sind.
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Etappe VI USA
Irgendwas bei meinem Essen war gestern falsch. Erst dachte ich, dass ich schlicht zu viel gegessen hätte, weil seit langem mal wieder mehr als üppig eingekauft war. Aber da ab 5.30 Uhr für vier Stunden mein Energieversorger komplett auf Null gefahren ist, muss ich wohl auf andere Hypothesen schwenken. Kurz sah’s auch nach Doppelentleerung und Kreislaufproblemen aus. Ruhiges Ausharren hat dagegen gearbeitet. Ist ja nicht das erste Mal.
Damit ist der Plan für Washington, Tag 2 erstmal hinfällig. Meiner jedenfalls. Wobei – so’n richtigen Plan gab’s gar nicht. Heute ist Black Friday, da wollten wir mal die amerikanischen Konsumenten im Kaufrausch beobachten. Draußen ist’s kalt (8°C) und windig. Da finde ich es gar nicht so doof, unser Hotelzimmer etwas intensiver zu nutzen. Ist das teuerste und mit das netteste Zimmer der ganzen Reise und doch das billigste, das ich in Washington finden konnte.
Marta hatte sich ihren Ziel-Konsumtempel schon vorher rausgesucht und ist um 10.00 Uhr durch die Tür, nachdem sie ihren leidenden Vater vorher mit Tee versorgt hat (der sich ne Perenterol einwirft und Elektrolyt einrührt). Kaum ist sie raus, hole ich mir zwei Kekse und gieße mir einen Oatmeal-Fertig-Becher auf. Mal gucken, ob das gut geht. Mein bei Aldi stahlgebadeter und zu Sprüchen neigender Bruder pflegt zu sagen „Wenn’s raus ist, ist’s raus.“ – im Sinne von „Wenn ne Stunde nix mehr war, kannste wieder Burger essen.“ Bruder, dein sonniges Wort in meinen geschundenen Magen. Amerikanischer Realitäts-Check. In Samarkand hat das ja eher mein Leid verlängert. Allerdings haben ein paar lebensintensive Dekaden auch an der Substanz gezehrt. Und – ich war schon als Kind etwas wehleidiger.
Am Nachmittag kommt Marta mit leichtem Gepäck zurück. Bei den großen Marken war nix los, erst in einem bestimmten Viertel gab’s n paar Sachen günstiger. Parfüm, Pyjama, Leggins. Und dann will sie auf den Weihnachtsmarkt und findet, dass der Vater mal raus sollte. Also fahren wir n Stück U-Bahn und laufen dann über einen Weihnachtmarkt. Weniger Essen als bei uns, mehr Kunsthandwerk. Die längste Schlange allerdings bei German Wurst.
Eiskalter Wind bei nun nur noch 2°C pfeift über den Markt. Ich bin zwar gut eingepackt, aber Müdigkeit und Kälteregulierung arbeiten gegen mich. Wir laufen noch ein Stück und fahren dann zurück. Kaufen für die morgige Fahrt ein, danach tappe ich ins Hotel. Marta bummelt durch die Geschäfte rund ums Hotel.
Für den Abend bringt sie sich nen vegetarischen Burger und Fritten mit, dazu noch zwei Doughnuts. Voller Glück finde ich in einer meiner Tüten noch nen usbekischen Suppenwürfel. Hatte mehrere davon in Japan wegen westlichen Essens entsorgt. Aber so’n kleiner Rufer im Ohr hat zwei zurück ins Tütchen geworfen. Dazu gibt’s nen Apfel und etwas trockenes Brot von gestern. Wir müssen morgen früh wieder um 5.30 Uhr raus, drücken wir mal die Daumen für die Nacht.
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Etappe VI USA
Nach unserem Rundgang durch die Stadt setzen wir uns in die große Wartehalle. Tolles Gebäude, tolle Architektur. Ziemlich ähnlich der Union Station in Los Angeles. Und dann verpassen wir fast unseren Zug, weil der eine neue Zugnummer hat und wir den Zielbahnhof nicht kennen. 20 Minuten vor Abfahrt frage ich nach und wir müssen uns zum Gleis sputen. Dort allerdings ne sehr lange Schlange, weil das amerikanische System (zumindest bei Amtrak) aus der Zeit gefallen ist. Tickets kann man online Monate im Voraus buchen, Verspätungen werden quasi in Echtzeit mitgeteilt, aber Platzreservierungen gibt es nicht.
Stattdessen geht man zum Zug, es wird das Ticket (gern auf dem Handy) geprüft und dann geht man zum Schaffner an einem der Wagen. Wenn der nicht passt, wird man weitergeschickt. Wenn’s passt, bekommt man einen Pappstreifen mit den handgeschriebenen Platznummern in die Hand. Den steckt man hinter einen Metallstreifen am Gepäckfach über seinem Platz. Später kommt der Schaffner durch, fragt nach dem Reiseziel und hängt einen neuen Pappstreifen über die Plätze, auf dem das Ziel steht (MTP 2 heißt beide Plätze steigen in Mount Pleasant aus; für Washington werden zwei Haken gemalt, die grob ein W ergeben – beim Personalwechsel ändert sich das wieder in WAS 2). Kurz vorm Ziel wird der Streifen auf der Hälfte geknickt und wenn die Passagiere raus sind, ganz rausgezogen. Dann geht das Spiel mit neuen Passagieren von vorn los. DAS geht in China aber ganz anders. In Chicago führt dieses System dazu, dass wir ewig brauchen, bis alle Mann an Bord sind. Wir fahren mit 10 Minuten Verspätung ab.
Der Zug ist diesmal einstöckig (außer Schlafwagen). Deshalb gibt es auch keinen Panoramawagen. Die Sitze sind wieder Liegesitze, in denen man in Schräglage irgendwie versucht zu schlafen. Da es ohnehin schon dunkel ist, machen wir auch nicht mehr lange. Zudem wird kurz hinter Chicago die Uhr weiter vorgestellt, damit sind wir jetzt auf Ostküstenzeit.
Die Nacht war wegen vieler Stopps durchwachsen. Viel Lärm, Bewegung, Gepäckgeschiebe. Die Passagiere sind etwas durchmischter, aber tendenziell eher in der nicht so wohlhabenden „Kohorte“. Amish People auch wieder in größerer Zahl. Heute ist Thanksgiving, der Zug ist voll, das Land fährt offenbar zu Familie/Freunden. Und wir mittendrin. Hoffentlich wird der Abend in Washington für Leute ohne Familienanbindung nicht so’n trauriger Spaziergang wie an Heiligabend in deutschen Städten.
Wir kommen in Washington an – wieder in einem grandiosen Bahnhofsgebäude. U-Bahn ist wegen der vorher geladenen Smart-Tap-Karte kein Problem, das Hotel lässt uns früher einchecken. Wir laufen los und sind zügig am Weißen Haus. Leider sieht man nicht viel und dichter ran geht von keiner Seite. Naja, die Kamerabilder sind sowieso immer besser. Vom Weißen Haus machen wir uns auf den langen Weg zum Capitol. Der Weg fährt entlang einer sehr großen Grünanlage. Links und rechts Museen, deretwegen wir aber nicht hier sind. Viele Familien bummeln bei angenehm warmen 15°C durch den schönen Herbstnachmittag. Washington wirkt außerhalb des Regierungsbereichs wie eine ganz normale Bürostadt. Breite Straßen, Bürohäuser mit ca. zehn Stockwerken. Alles funktional und unaufgeregt. Als es Abend wird, überlegen wir, wie wir den Abend verbringen. Geschäfte haben nahezu alle zu, Restaurants haben mit Vorbestellungen gearbeitet, bliebe Fast Food oder vielleicht finden wir noch was zum Zu-Hause-Essen. Bei uns gibt’s im Zimmer diesmal ne kleine Küchenzeile.
Der erste große, noch offene Supermarkt, den Marta findet, macht in fünf Minuten zu. Weiter draußen gibt’s noch einen, der eine Stunde länger geöffnet hat. Dort schnappen wir uns zwei Mikrowellen-Fertiggerichte mit Truthahn. Dann noch nen Rotwein, Süßes, Obst, Brot, Getränke und anderen Kleinkram. So haben wir immerhin unser kleines Thanksgiving-Essen.
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Etappe VI USA
Wir stehen gut erholt auf, allerdings sind Martas Halsschmerzen zu ner ausgewachsenen Erkältung geworden. Nase zu, Ohren zu, Kopfschmerzen. Die Temperaturen (der Tag startet wieder bei 0°C) und Klimaanlagen im Zug helfen nicht wirklich. Gestern hat sie sich schon einen Schal bei Walmart geholt, gleich gehen wir nochmal rüber und holen Nasentropfen. Vorher gibt’s aber Frühstück – ein kleines Waffeleisen steht in der Küche mit Teig dazu, Corn Flakes, Säfte, Kaffee, kleine Doughnuts, Gebäck, Toast, Apfel, Banane. Das ist ganz ordentlich.
Nach dem Schnelleinkauf bei Walmart laufen wir zum Bahnhof. Sind zu früh dort. Die Amtrak-App schickt uns im Stunden-, später Halbstunden-Takt Infos zur Ankunftszeit. Der Zug ist fast wieder pünktlich, nachdem er beim Ins-Bett-Gehen schon über ne halbe Stunde Verspätung hatte. Neben dem Bahnhof gibt’s ein Café. Als wir reingehen, stellen wir fest, dass es eher sowas wie ein Community-Center ist, mit sehr niedrigen Preisen für Essen und Trinken. Unsere beiden Tees kosten 5 USD, bisher hat jeder einzelne Kaffee mehr gekostet. Ein paar Männer aus der Gegend sitzen schon dort und quatschen über Krankheiten, Tod, wie teuer alles ist usw. Es liegen angefangene Puzzles aus zum Weiterpuzzeln, es gibt ne Kinderecke zum Spielen und eine Wand mit Kinderzeichnungen.
Wir trinken unseren Tee und laufen die paar Meter zum Wartehäuschen, das vor ner Viertelstunde aufgemacht wurde. Dort sitzen zwei junge Paare Amish People. Im Zug treffen wir weitere – älter und jünger. Offenbar geht’s zu Thanksgiving nach oder zumindest Richtung Chicago. Die Frauen alle mit Haarhaube und altertümlich wirkenden Kleidern. Die Männer zum Teil mit Hut, zum Teil mit Wollmütze. Schwarze Lederschuhe vom Schuster, weite Hosen. Hosen, Westen und Jacken – alles aus festen schwarzen Baumwollstoffen. Unsere japanischen Jeans würden vermutlich akzeptiert. Große, kräftige Hände von schwerer körperlicher Arbeit. Unterhaltungen sind nicht zu verstehen, aber gelegentlich klingen Ähnlichkeiten zu deutschen Wörtern durch.
Der Zug rollt ein, wir legen unsere Sachen ab und wechseln sofort wieder in den Panoramawagen. Der ist ziemlich voll, allerdings wird kurz nach unserem Einsteigen durchgesagt, dass Mittagessen ab jetzt nur für eine Stunde serviert wird. Und schon können wir uns gute Sitze mit Sicht aufs ländliche Amerika aussuchen. Es geht weiter über flaches Land mit Feldern, Kleinstädten, und landwirtschaftlicher Infrastruktur – Silos, Lagerhallen, Maschinenparks. In Burlington fahren wir über den Mississippi. Die Stadt hat jede Menge Industrieruinen aus rotem Backstein. Vor Zeiten muss hier irgendwas verarbeitet oder produziert worden sein, vermutlich weil der Transport von hier auf dem Wasser möglich war. Die Eisenbahnbrücke ist reichlich alt, einen Teil konnte/kann man über eine gewaltige Konstruktion heben und senken. Auf der anderen Seite des Mississippi weiter Landwirtschaft und Landwirtschaft.
Und wie in China denke ich, dass sehr große Länder, die sich selbst versorgen können, strategische Vorteile haben. Vermutlich ist Europa in der heutigen globalen Konstellation ein Gefangener seines früheren Erfolges. Mehrere starke Staaten, die in einer Welt vor 100 Jahren genau diese Autarkie besaßen, die heute aber zu klein sind.
Chicago kommt näher, ab ca. 45 min vorher fahren wir eigentlich nur noch durch städtisches Gebiet. Alles bebaut. Kurz vorm Bahnhof ist dann die Skyline zu sehen. Zum ersten Mal wirklich eine ordentliche Reihe an Hochhäusern. In Los Angeles gab’s nur zwei kleinere Bereiche, in San Francisco (wegen der Erdbebengefahr?) kaum welche. Wir entschließen uns, das Gepäc in dem wunderschönen alten Bahnhof abzugeben und unseren üblichen Rundgang durch die Innenstadt zu machen. Bei der Gepäckabgabe mache ich wieder beide Augen zu (10 USD pro Gepäckstück, am geschäftigsten Bahnhof der Welt in Tokio haben wir für weniger zwei Gepäckstücke eingeschlossen). Dann laufen wir los. Es macht Spaß, durch die Stadt und die Häuserschluchten zu streifen. Alles ist schon vorweihnachtlich geschmückt und als es dunkel wird, bilden die Hochhäuser eine schöne Kulisse.
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Etappe VI USA
Von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr wird konsequent Ruhe gehalten. Um 7.00 Uhr kommt wieder die erste Durchsage, Stop in Omaha, Nebraska. Geschlafen – na ja. Aber das sollte schon reichen. Ein Blick aus dem Fenster – wir sind wieder in landwirtschaftlich dominiertem Gebiet. Große Stoppelfelder, hin und wieder Dörfer.
Es ist kalt, laut Wetter-App auch hier -6°C. Offenbar zieht das Wild deswegen über Nacht in die Baumreihen links und rechts des Bahndamms und morgens wieder zurück auf die Felder. Immer wieder springen Hirsche (?) ab. Wenn man etwas genauer hinschaut, sieht man auch Ansitzleitern und kleine Kanzeln. Nicht viel Unterschied zu den ländlichen Gebieten bei uns.
Wir kommen mit zwei Stunden Verspätung in Mount Pleasant an. Steigen dort zusammen mit drei weiteren Mitreisenden aus. Mount Pleasant – das klang so schön, dass wir gesagt haben, dort gucken wir mal vorbei. Wir wollten ein paar Stunden in einem sehr ländlichen Ort verbringen und haben uns aufgrund des Namens entschieden. Hier gibt’s keinen Bus, keine Straßenbahn, nur Autos. Uber kann man aber wohl zumindest mal versuchen. Wir laufen die 30 Minuten zum Hotel. An einer Ausfallstraße sind nebeneinander vier nahezu baugleiche Hotels (vom Charakter eher Motels) mit großen Parkplätzen. Nebenan ein Walmart, je ein Dollar Tree/General (gemischte Discounter wie Woolworth/tedi/kodi/…), KFC, Taco Bell, Pizza Hut, McDonald’s. Vermutlich liegt Mount Pleasant nicht nur an der Bahnstrecke, sondern auch an einem Highway.
Wir laufen zurück in den Ort und erleben eine klischeehafte amerikanische Kleinstadt, während der kalte Wind beißt. Breite Straßen, große Grundstücke, einfache Holzhäuser, viele SUVs/Pickups, immerhin einen Bürgersteig. Schilder gegen Windräder, für Trump, Werbung für Kirchen, religiöse Szenen im Vorgarten, ein gigantischer Parkplatz neben einer Foot-/Base-/Softball-/Leichtathletik-Sportanlage. Entdecken mindestens fünf Kirchen (bei ~9.000 Einwohnern) und kommen am zentralen Platz des Ortes an. Banken, Versicherungen, Tattoo-Studio, Café, zwei Pizzerien, Geschenk- und Kramläden. Wir trinken einen Kaffee und essen Kürbis-Kuchen. Knapp bevor das Café zumacht. Die meisten Läden haben von 6.30/7.00 Uhr bis 14.00/14.30 auf. Das erinnert ein wenig an die Lebenswirklichkeit in der DDR, als auch zwischen 5.30 und 6.00 Uhr aufgestanden wurde.
Auf dem Rückweg gehen wir im Walmart für die morgige Bahnetappe einkaufen. Der Walmart ist riesig, es gibt alles bis hin zu Waffen und Munition. Und die Preise sind völlig in Ordnung. Auf dem Land stimmt die Welt also noch. Offenbar muss in den Großstädten für zB Miete so viel mehr bezahlt werden, dass alles teurer ist. Wer dann noch in kleinen Kiosken/Geschäften einkauft, wird halt noch mehr zur Kasse gebeten. Ist am Ende nicht anders als bei uns.
Im Hotel können wir endlich wieder Wäsche machen. Es ist dann doch netter, frisch geduscht in gut riechende Wäsche zu steigen. Abends gehen wir ums Eck Pizza essen. Werbung draußen: zwei große für 25 USDollar. Drinnen dann Buffet für 16 USD/pP. Nehmen wir und hauen uns die Bäuche voll. Insbesondere endlos trinken ist gut. Und: der Laden ist voll, die Einheimischen kommen offenbar wegen des Buffets. Wir freuen uns, inmitten der typischen Landbevölkerung/Trump-Wähler zu sitzen. Familie mit sieben Kindern, ein Opa, der seine Jeans und dann die Über-Lederhose zum Ausgehen angezogen hat. Super.
Nach dem Essen habe ich dann noch eine Runde gedreht, in der Hoffnung, winterlich beleuchtete Häuser zu sehen. Nicht ein einziges gefunden. Im Gegenteil, irgendwann wurde es auf einer der Straßen ziemlich dunkel. Also zurück ins Hotel und ab ins Bett.
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Etappe VI USA
Kurz vor 6.00 Uhr aufstehen, fertig machen und Marsch zur Bushaltestelle. Der Morgen erwacht, die Obdachlosen liegen auf bzw. an den dampfenden Abwasserschächten. Einige fahren/laufen mit lauter Musik durch die Straßen. Wir kommen an der Bushaltestelle an, ein moderner Bus bringt uns zur nächsten Busstation nach Emeryville. San Francisco im engeren Sinne hat keinen Bahnhof.
Kurz vor Abfahrt werden wir aus dem Warteraum geholt. Und in Gruppen eingeteilt. Online-Sitzreservierung gibt es nicht, deshalb werden die Sitze vom Schaffner zugeteilt. Abhängig vom Ziel. Wir bekommen glücklicherweise zwei Plätze im Oberdeck. Und die Reise beginnt. Wir wechseln in den Panoramawagen.
Es geht an der Bucht von San Francisco vorbei, danach wird es neblig. Die Strecke entlang der Bahn könnte jetzt genausogut in Mecklenburg-Vorpommern liegen – abgeerntete Maisfelder, bunte Laubbäume, die schemenhaft durch den Nebel zu erkennen sind, Hinterhöfe der Bauern.
Und dann fahren wir langsam in die Berge. Irgendwann fängt der Schnee an, irgendwann haben wir eine geschlossene Schneedecke. Und Sonne. Der Panoramawagen wird voll. Eine Frau lässt sich neben mir auf den Sitz fallen und fängt an zu erzählen, dass sie vor einer Woche einen Unfall mit ihrem Camper hatte, zeigt mir die Bilder (sah nicht gut aus) und hört nicht auf zu reden. Ihre älteste Enkelin heißt Cathlyn und hat sie super gepflegt. Ihre Schlafwagenschaffnerin hieße auch Cathlyn und das müsse ein gutes Omen sein. Sie fährt mit dem Zug nach Hause, weil sie sich noch nicht wieder traut, Auto zu fahren. Zu Hause müsse der Versicherungskram gemacht werden und ihr Arzt sie durchchecken. Die Nase könne gebrochen sein. Was ich denn meinen würde – nee, die sieht völlig gerade und ok aus. Dann kommt eine Durchsage und sie geht zum Mittag in den Speisewagen. Ich wechsle auf einen Einzelsitz und schaue weiter in den Schnee. Am Nachmittag packe ich meine Sachen und will nach hinten zu unseren Sitzen. Da spricht mich die Frau auf dem Sitz nebenan an, ob wir bald in Truckee sind. Keine Ahnung. Wir sind in jedem Fall verspätet.
Und dann plaudern wir ein wenig. Sie arbeitet an einer Sonderschule als Bewegungstherapeutin. Kommt von Freunden in San Francisco, war auch schon viel in der Welt unterwegs. Hat polnische Vorfahren, wir sprechen über schwierige Sprachen, die Aussprache ihres Nachnamens und solche Sachen. Nette und entspannte Plauderei.
Und der Zug fährt immer weiter durch die amerikanische Landschaft. Langsam wird’s dunkel, wir gehen zurück auf unsere Plätze und vertreiben uns die Zeit bis zur „Ruhezeit“ von 22.00 bis 07.00 Uhr. Dabei lese ich in einem Artikel der New York Times, dass die durchschnittliche Hotelübernachtung im Moment gut 400 USDollar kostet. Mannomann, hoffentlich bleibt unsere Buchung (private Unterkunft) bestehen und hoffentlich färben diese Preise nicht auf alles andere ab…
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Etappe VI USA
Aufstehen, Blick aus dem Fenster, Straße trocken, Wolken mit blauen Lücken. Schnell runter zum Frühstück, für die Stadt fertig gemacht und los geht’s. Es ist reichlich frisch, ich hab meine Mütze vergessen und geh nochmal zurück. Komme wieder raus aus dem Hotel und es schüttet wie aus Eimern. Verdammt. Wieder zurück aufs Zimmer, andere Jacke an, Kautschuküberzieher auf die Schuhe und Martas mitgenommen. Wir treffen uns unter einem Vordach, es gießt. Als es eine kleine Regenpause gibt, flitzen wir zum Starbucks, holen uns nen Kaffee und stellen uns draußen an die Cable-Car-Haltestelle. Das Ding kommt auch sofort, nur wir dürfen mit unserem Kaffee nicht einsteigen. Der Tag fängt etwas unglücklich an.
Die nächste Bahn ist dann aber unsere, wir fahren wir vor 100 Jahren mit einer halboffenen Straßenbahn mit Holzbänken und Handbremse und -kupplung. Und während es San Franciscos steile Straßen hoch und runter geht, kommt die Sonne raus. Die anderen Mitfahrer haben durchweichte Schuhe und wollen wissen, wo wir die blauen Dinger an unseren Schuhen herhaben. An der Endhaltestelle steigen wir aus und bummeln wieder durch ein typisches Viertel mit netten Häusern. An einer Straßenecke sammeln sich die Leute für Selfies. Es geht um eine relativ lange gerade Straße, die sich durchs hügelige San Francisco zieht. An dieser Kreuzung kommen dann nacheinander die fahrerlosen waymo-Autos an und einige der Selfie-Fotografen steigen ein. Als wieder mal so’n Ding kommt, filme ich es – es kommt direkt auf mich zu, bekommt aber alles bestens hin und wartet auf die nächsten Fahrgäste. Oben am runden Display werden die Initialen des Bestellers angezeigt. Leider können wir die App nicht laden und sind damit von einer Probefahrt ausgeschlossen.
Wir fahren dann mit dem Bus Richtung Golden Gate Bridge und genießen dort am Ufer die Wärme der Sonne. Perfektes Foto-Wetter, auch für den nochmaligen Blick nach Alcatraz. Auf der Pier versammeln sich heute am Samstag viele Angler. Es geht vor allem auf Krabben. Erste Erfolge kann man sich schon zeigen lassen. Der nächste Bus bringt uns auf die andere Seite der Brücke – an den Pazifik. Ein breiter, langer Sandstrand mit guten Wellen. Auch hier Krabbenangler. Die Stadt hat echt was zu bieten.
Weiter geht’s in ein Viertel mit viel Second-Hand-Klamotten. Nix für mich und Marta gibt nach dem zweiten Laden auch auf. Günstig ist es hier nicht und die Suche nach was Schönem würde Stunden dauern. Wir holen uns noch nen Kaffee und bummeln weiter. Nehmen dann einen Bus zurück, kaufen für die morgige Zugfahrt ein, stoppen kurz im Hotel und gehen gleich wieder raus. Wir fahren nochmal Cable Car. Runter zum Hafen. Die Sonne ist untergegangen, wir laufen an den vielen Geschäften, Restaurants usw. vorbei. Am Samstagabend ist schon ganz ordentlich was los. Vorn, an der Pier 39, ist alles weihnachtlich dekoriert. So langsam kommen bei uns nun auch allererste weihnachtliche Vorfreuden auf. Vermutlich weil es etwas kälter wird und die Weihnachtsdeko eher zu den Temperaturen passt.
Zum Abend essen wir Macaroni & Cheese – so richtig deftige amerikanische Kost. Die ist so schwer, dass man schon beim Nachhauselaufen einschläft. Na, nicht ganz. Und lecker war’s auch.
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Etappe VI USA
Die Schlechtwetterfront ist vorhersagegemäß zurückgekehrt. Wir schauen aus dem Fenster – Regen. Ok, dann erstmal zum Frühstück. Die ganz schlichte Variante. Pappteller, Plastikbesteck, Toast und Cornflakes. Tee oder Kaffee. Aber es reicht für eine kleine Stärkung.
Dann geht’s raus, wir fahren zum Hafen. Steigen aus und der Regen nimmt zu. Immerhin haben wir unsere Kautschuk-Schuh-Überzieher aus Shanghai dabei und streifen sie über die Schuhe. Laufen dann ein wenig über die Pier und erhaschen einen Blick auf Alcatraz im Regen. Vorn im Hafen liegen die Seelöwen auf ihren Pontons. Da die ganze Pier aus Holz gebaut ist, regnet es überall durch. Wir werden selbst unter Vordächern nass. Entscheiden uns für Rückzug und fahren zurück in unser Viertel.
Der nächste trockene Ort ist ein großes Kaufhaus für teure Marken – bloomingdale’s. Von acht Etagen sind nur noch drei belegt. Und auch auf denen sind auf dem Lageplan noch deutlich mehr Läden angezeigt als es gibt. Na, Marta bummelt, ich schreibe Postkarten und wir trocknen einmal durch. Danach wollen wir nen Kaffee trinken, laufen durch den Regen und stehen wieder vor einem aufgegebenen Kaffee-Laden. Sehen aber „Trader Joe’s“ und gehen in den Supermarkt. Das erste Mal vernünftige Preise. Ob das daran liegt, dass wir vor allem in Innenstädten unterwegs sind, weiß ich nicht.
Wir kaufen Äpfel, Bagel, Tee und Süßes. Und ziehen weiter im Regen. Finden ein Café und gönnen uns nen Tee/Kaffee. Gegenüber ist wieder ein Kaufhaus – Macy’s, also deutlich günstiger. Wir flitzen über die Straße und verabreden uns für später. Am Ende kauft Marta ne sehr günstige Levi’s und ein Nike-Shirt. Ich hätte mir auch fast ne Levi’s eingepackt. Aber bei mir passt wirklich nix mehr in den Rucksack.
Aber auch bei Macy’s sind kaum Kunden unterwegs, gibt’s heute schon Black Friday-Rabatte und wenig Personal. Kann sein, dass die ganze USA auf den Black Friday wartet. Ansonsten sahen mir sowohl Los Angeles als auch San Francisco aber nicht nach boomender Wirtschaft und Konsumenten mit Lust auf Einkauf aus. Derart viele Leerstände bei Gewerbeimmobilien, das muss irgendwann in den offiziellen Daten durchschlagen.
Na, nicht unser Problem. Wir müssen mit dem Regen klarkommen. Und entscheiden uns für einen kurzen Stop bei ner Apotheke, weil Marta was für ihren Hals braucht. Im Anschluss geht’s ins Hotel, in der Hoffnung auf etwas Wärme. Wir bekommen im Zimmer tatsächlich die Heizung an. Dafür tropft’s im Bad aus der Fassung der Deckenlampe. Der Schalter bleibt also auf „AUS“.
Gegen 18.00 Uhr wollen wir zum Mexikaner. Aber es regnet weiter unaufhörlich. Marta macht sich schlau, meldet sich bei DoorDash an und bestellt was aufs Hotelzimmer. 15 Minuten später werden die mexikanischen Burritos und Nachos in der Lobby angeliefert. Frisch geduscht würde ich dazu gern nen Schluck Rotwein trinken. Ziehe mir die Badelatschen an die nackten Füße und schlappe in den Alkoholladen zwei Türen weiter. Will nen günstigen amerikanischen Rotwein und finde nen Merlot. Leider mit Korken. Bekomme ich nicht auf. Aber der Verkäufer ist Kummer gewohnt und macht mir die Flasche auf. Dann kaufe ich noch zwei Lotterielose und stiefle wie ein heruntergekommener Clochard zurück in mein abgewohntes und tropfendes Hotel.
Die Burritos sind lecker, der Wein ist ok. Der Regen legt sich. Beim Rubbellos nix gewonnen. Die Welt ist in Ordnung.
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Etappe VI USA
Die Nacht war wieder kalt und die Zeitumstellung ist schon noch spürbar, wenn auch nicht so brutal. Ausgestreckt schlafen im Flugzeug hilft dann doch. So, zunächst mal die mails gecheckt. Wieder eine von Amtrak (Bahngesellschaft). Diesmal der Hinweis, wieviel Handgepäck mit welchen Maßen erlaubt sei. Offenbar fährt unser Zug. Na, dann mal fertig gemacht. Marta hat noch ein Telefonat mit Deutschland – letzte organisatorische Abstimmungen für ihr Praktikum. Es hat trotz zeitverschobenen Telefoninterviews geklappt. Super.
Wir stehen an der U-Bahn und sehen, dass die nächste Bahn erst in 25 Minuten kommt. Technische Probleme. Oh, no. Keine Lust auf weiteren Ärger. Der Bus ist aber keine Alternative, kommt auch erst in 15 Minuten und die Straßen waren rappelvoll. Also zu Fuß. Glücklicherweise (aus dieser Perspektive) hatte ich in der Nähe des Bahnhofs gebucht. So sind wir 20 Minuten später am Bahnhof. Cooles Gebäude, lässiger Wartebereich, ein paar Geschäfte. Wir holen uns einen Kaffee (Augen wieder zu beim Abbuchen) und da wird der Zug auch schon als zum Einsteigen bereit angesagt.
Es gibt keine reservierten Plätze, uns wird beim Einsteigen vom Schaffner ein Platz zugewiesen. Im Oberdeck. Alles sauber und ok, allerdings auch alles schon ein wenig in die Jahre gekommen. Die Sitze entsprechen früheren Business Class Seats der Airlines mit ausklappbarer Wadenstütze und halb zurückklappbarer Rückenlehne. Heute fahren wir nur tagsüber, da brauchen wir noch keine Schlafposition.
Wir fahren pünktlich ab, ich setze mich gleich in den Panoramawagen. Oberdeck mit hohen Fenstern. Ist echt ein anderer Blick auf die Landschaft als von unten. Vor uns liegen zwölf Stunden Zugfahrt. Wie wir von Oakland (eigentlich hatten wir eine Station weiter gebucht und von dort nach San Francisco – geht aber nicht) nach San Francisco kommen, schauen wir dann. Sollte aber relativ einfach gehen.
Im Zug wechseln wir ziemlich schnell in den Panoramawagen. Das ist ne coole Art, durch die USA zu reisen. Man sitzt quasi wie im Kino und fährt am Pazifik vorbei, durch die Graslandschaften und kleinen Orte. Man schaut dem Bauern in den Hinterhof der Farm, beobachtet die Surfer, die auf eine Welle warten und kann die Gedanken unendlich in die Ferne schweifen lassen. Die Unterwegs-Bahnhöfe sind meist ganz kleine Bahnhöfe mit einem Schalter, einem Warteraum, Getränkeautomaten und Klo. An einzelnen Stationen steigen trotzdem reichlich Fahrgäste ein. An Bord gibt es einen Speisewagen (teuer) und einen kleinen Kiosk (Preise wie am Kiosk in der Stadt). Bahnfahren nochmal völlig anders. Auch von den Fahrgästen. Hier sind vor allem ältere Mitreisende unterwegs und deutlich jüngere im Collegealter. Als es dunkel ist, werde ich von einem netten Mann gefragt, ob ich an einem Bibelkreis teilnehmen möchte - der dann (ohne mich) hinter mir im Panoramwagen auf Englisch und Spanisch stattfindet.
Oakland wird überpünktlich erreicht. Nun müssen wir nach San Francisco kommen. Marta hat schon mal recherchiert und festgestellt, dass unser Hotel in einem Viertel liegt, das man meiden sollte. Verdammt. Hab auf alles Mögliche bei der Buchung geachtet, aber nicht noch die kritischen Viertel vorrecherchiert. Und da ich preisbewusst unterwegs war, kann sowas passieren. Wir einigen uns, dass wir die 15 Minuten zur U-Bahn in Oakland laufen – es ist alles gut ausgeleuchtet und dass wir an der Station in San Francisco weitergucken. Wir haben Glück, die U-Bahn kommt sofort (wir hatten rechtzeitig die richtige ÖPNV-Karte aufs Handy geladen) und wir erreichen zügig San Francisco. Kommen aus der U-Bahn-Haltestelle und sind mitten in einem Shopping-Viertel. Zwar riecht es auch hier nach Cannabis und sind Drogenopfer zu sehen, aber es sind noch reichlich Menschen unterwegs, Kneipen und Restaurants offen und es gibt viel Licht. Bis zum Hotel kommen wir ohne Probleme. Bei genauerem Blick grenzt das Problemviertel an unseres, nur ein/zwei Straßen weiter. Morgen mal schauen, wie wir damit umgehen.
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Etappe VI USA
Die Nacht war ganz ok, allerdings kalt. Lausige Dämmung, da kriecht bei 10-11°C die Nachtkälte rein. Trotz der 22°C tagsüber. Machen uns morgens auf den Weg zur zweiten Sightseeing-Runde. HOLLYWOOD-Schriftzug, Beverly Hills, Rodeo Drive und Venice Beach. Wir essen unterwegs Tacos, kaufen für morgen für die Zugfahrt ein, holen uns nen Kaffee und abends nochmal nen Doughnut. Hab immer schön die Augen zugelassen bei den Abbuchungen. Vorher aber artig die Trinkgeldprozente eingetippt. Das nervt ganz schön, wenn man quasi genötigt wird, zu den ohnehin üppigen Preisen noch Trinkgeld (10% aufwärts) draufzuschlagen. Da das nach meiner Kenntnis für die Angestelltenlöhne verwendet wird, mache ich aber mit.
Umso erstaunlicher ist dafür das Preissystem der Metro-Bahnen und -Busse. Eine Fahrt kostet 1,25 – 1,75 USD. Und sobald man an einem Tag 5 USD voll hat, ist der Rest umsonst. Funktioniert einwandfrei mit unserer App auf dem Handy. Und für die Ärmsten gibt’s noch günstigere Lösungen. Deswegen sitzen die offenbar auch so regelmäßig in den Bussen/Bahnen inklusive ihrer Einkaufswagen mit Habseligkeiten.
Trotzdem ist’s im Bus manchmal sicherer als auf dem Fußweg. Da kommen nämlich hin und wieder so antennenbestückte Roboterautos angefahren und üben (?) offenbar irgendwelche Auslieferungsfahrten. Auch nachts. Halten an den Ampeln, fahren bei grün usw. Und auf den Straßen sieht man hin und wieder auch fahrerlose Autos von waymo. Das sieht ganz schön komisch aus, wenn mitten auf ner Kreuzung ein Auto ohne Fahrer steht und wartet, bis der Gegenverkehr durch ist. Ansonsten ist die Verbrenner-Auto-Welt hier aber noch in Ordnung. Vor den diversen Villen im Rodeo Drive stehen 2-4 große Autos, meist deutschen Fabrikats, selten englisch. Und es ist interessanterweise oft ein Toyota oder ein Lexus mit dabei. In den Läden rund um den Rodeo Drive gibt’s dann noch die oberen italienischen Modelle. Auf nem Parkplatz vorm Supermarkt findet sich allerdings auch schon mal ein Cybertruck.
Ach, die Amerikaner. Leben irgendwie anders als wir. Keine Dämmung an den Häusern, Aufputz-Verkabelung im Hotelzimmer, Abwasserrohre laufen an der Wand lang, Router sichtbar an die Wand genagelt. Und dann immer diese gigantischen Verpackungsgrößen. Und hier in Los Angeles ist auch noch alles zweisprachig englisch/spanisch. Als ich auf unseren Kaffee im McDonald’s warte (Marta ist schon mal vor zum Fotografieren), wird meine Bestellnummer auf spanisch angesagt. Verstehe ich natürlich nicht. Glücklicherweise hat ein Mitwartender meine Nummer gesehen und sagt Bescheid. Hilfreiche Menschen überall. Und auch der Busfahrer, der einen Obdachlosen bittet, nicht mit freiem Oberkörper im Bus zu sitzen, redet diesen mit „Sir“ an. Der Angesprochene antwortet übrigens mit einer Entschuldigung und zieht sich das T-Shirt über.
Zurück im Hotel schaue ich in die mails. „We wanted to let you know that train #14, …, has been CANCELLED due to weather conditions. Unfortunately, we don't have other transportation available.“ F***. Das hat uns gerade noch gefehlt. Zwei mails später sieht es nach einer Umbuchung aus. Müssen wir morgen checken und sehen, wie die Lage ist und was wir machen können.
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Etappe VI USA
Und landen am 19.11. um 07.30 Uhr in Los Angeles. Dh wir landen, bevor wir abgeflogen sind. Und erleben den 19.11. zweimal. 🙈
Dazwischen lagen neuneinhalb Stunden Flug. Da wir mit einer ganz billigen Airline geflogen sind, hab ich uns einen ausgestreckten Sitz gegönnt, auf dem man gut schlafen/ruhen konnte. In Los Angeles dann das übliche Schlangestehen vor der amerikanischen Passkontrolle. Hunderte Menschen, die sich langsam nach vorn bewegen. Am Schalter haben wir einen netten Beamten. Können alle seine Fragen ruckzuck beantworten und sind durch. Da wir nicht zum Gepäckband gehen, gibt’s auch keine Zollkontrolle für uns.
Wir fahren mit nem Flughafenbus in die Stadt und weiter mit der Metro. Die sieht reichlich heruntergekommen aus, genauso wie die wenigen Mitfahrer. An jeder Station Sicherheitspersonal. Ich gehe automatisch in eine Vorsichtshaltung. Wir kommen letztlich gut am Hotel an und riechen schon am Eingang Cannabis. Stellen unser Gepäck ab und laufen zurück zur U-Bahn. Die ist immer noch total leer und fährt in relativ großen Abständen – wir sind aus den letzten Wochen anderes gewohnt. Downtown LA gefällt mir nicht so richtig.
Dann fahren wir raus nach Hollywood zum Walk of fame. Und plötzlich ist das eine ganz normale Stadt. Bummeln dort und in der direkten Nachbarschaft. Typisch amerikanische Häuser. Marta hat sich einen bestimmten Burger-Laden rausgesucht (den man unter TikTok-Nutzern kennt🤷♂️), wir probieren die Sachen, die man laut Internet probieren muss. Alles lecker und mein „großes“ Getränk ist schon ein halber Eimer. Es gibt noch „sehr groß“.
Wir laufen, kaufen ein wenig Obst, fahren Bus, holen uns nen Kaffee und enden bei Sonnenuntergang an der Santa Monica Pier. Ein schöner Abend. Leider wird es mit der untergehenden Sonne am Wasser sofort ziemlich frisch. Zurück ins Viertel fahren wir wieder Metro. Die ist diesmal ordentlich voll, die zwielichtigen Gestalten sind weg. Allerdings steigen zwei Stationen vorm Zentrum die (fast) letzten Mitfahrer aus. Wir fahren zwei weiter und gehen auf einem lokalen Straßenmarkt noch was essen. Marta mexikanisch (Burrito), ich Hühnchen mit Fritten. Wir sitzen auf Plastikstühlen an nem wackelnden Tisch inmitten der typisch amerikanischen Bevölkerung. Mexikanische Großfamilien, einfache Amerikaner beim Bier, Leute mit Laptop. Und haben für zwei normale Portionen und zwei kleine Getränke 35 USD bezahlt. Dass arme Leute auf Fast Food ausweichen, ist finanziell sofort einsehbar.
Auf dem Nachhauseweg will ich noch ein Bier holen – muss aber an ner Tankstelle ein 3er oder Sixpack nehmen. Also 3er, dazu eine Pepsi Zero und zwei kleine Schokoriegel. 20 USD. Halleluja. Vielleicht sollte ich mal ne Drei-Tage-Fasten-Kur einlegen. Und mir ne Tüte bauen. Gegen den Hunger und den Blick auf die hohen Preise. In der ganzen Stadt riecht's immer mal wieder nach Cannabis. Und auf dem Heimweg sitzt dann auch wieder einer bewegungslos mit ner Spritze im Handrücken. Und doch läuft es sich witzigerweise nachts mit einem besseren Sicherheitsgefühl durch unsere Ecke des Viertels (Little Tokyo), weil jetzt Clubs und Restaurants zum Leben erwacht sind.
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Etappe VI USA
Bis 03.00 Uhr haben wir uns wachgehalten. Um 6.30 Uhr bin ich wegen Kälte schon wieder wach. Passt mir eigentlich ganz gut. Wir machen uns fertig und laufen zur U-Bahn. Kommen dabei an nem Kindergarten vorbei – dorthin bringen Väter und Mütter gerade ihre Kinder. Es ist für uns schon komisch zu sehen, wie die Kinder von den Erziehern mit einer Verbeugung begrüßt und die Eltern mit Verbeugung verabschiedet werden.
Als nächstes müssen wir unsere online gebuchten Tickets für den Zug zum Airport holen. Am Automaten ne lange Schlange, ein Ticket-Schalter macht auf. Zack bin ich drüben. Der Beamte scannt den QR-Code und macht dann irgendeinen Fehler. Daraufhin muss er den Code noch mehrmals scannen, offenbar irgendwas stornieren und neue Tickets ausstellen. Wir bekommen unser Ticket, wären am Automaten aber schneller gewesen. Am Flughafen beim Boarding Pass ähnliches Spiel. Am Automaten können wir nicht einchecken, also müssen wir an den Schalter. Dort bekommen sie den Boarding Pass auch nicht hin, sind irritiert, dass im Handy kein QR-Code angezeigt wird. Die Chefin muss kommen, am Ende haben wir alles. Beim Gewicht fürs Handgepäck wird’s kritisch. Ich hatte uns mit den beiden Rucksäcken auf jeweils 15kg „zugekauft“ (erlaubt waren 7kg), die Waage bleibt bei 29,7kg stehen. Marta hatte iPad und AirPods rausgenommen und unter der Jacke versteckt. Knapp, aber fein.
Bei der Sicherheitskontrolle wird mein Rucksack rausgeholt. Ob ich ein military knife hätte. Nee, hab mein Jagdmesser diesmal extra zu Hause gelassen. Mein Medizin-Set wird durchgeguckt und die Kontrolleurin findet mein Schweizer Obstmesserchen mit 5cm Klingenlänge und 0,7cm Klingenbreite wieder. Hatte ich schon als verloren abgeschrieben. Allerdings währt die Wiedersehensfreude nicht lange. Sie legt mir einen Zettel mit meinen Optionen hin. Habe wenig geschlafen und werde ungehalten. Bekomme mich aber wieder ein (in den USA kommt sonst uU noch größerer Ärger auf mich zu) und nehme Abschied von der kleinen ungenutzten Messerperle. Dann sind wir durch und gehen zum Gate.
Wir fliegen am 19.11. um 14.45 Uhr in Tokio ab.
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Etappe V Ostasien
Die Rückfahrt nach unserem Erholungsausflug verläuft anders als gedacht. Wegen Unfalls mit Personenschaden können wir unsere Fahrt im Panoramawagen nicht genießen. Müssen auf einen anderen Zug umsteigen, was wieder einige Schwierigkeiten macht. Den Mount Fuji hätten wir aber ohnehin nicht gesehen, da die Wolken ziemlich tief hängen.
Heute haben wir noch nen halben Tag in Tokio und morgen geht’s schon zum Flughafen. Wir setzen über in die USA. Die wirft ihre Schatten voraus. Während wir vorgestern noch unseren Besuch in der heißen Quelle und die Fahrt dorthin geplant haben, kam schon ne email aus den USA, dass unser Zug in fünf Tagen abfahren würde. Das ist dann schon nach dem ersten Stopp in Los Angeles. Und die Kreditkarte meldet, dass die Übernachtung für Washington nun auch bezahlt ist. Dieses dauernde Nach-vorn-Denken, während man eigentlich im Heute leben will, ist einer der schwierigsten Aspekte der Reise. Aber langsam wird das „Nach Vorn“ weniger, so dass an dieser Stelle Entspannung einsetzt.
Dafür gibt’s dann wieder ne neue kleine Unpässlichkeit. Heute Morgen hab ich auf einem Ohr nix mehr gehört. Einerseits ganz hilfreich (wir haben in nem kleinen Schlafsaal in großen „Holzboxen“ geschlafen), andererseits nervig. Offenbar hat mir die viele Hitze gestern das Ohrenschmalz wunderbar verflüssigt und beim Schlafen auf einer Seite ist dann alles langsam zu nem Pfropfen geworden. Erste Hilfe leistet ins Ohr geträufeltes warmes Wasser. Mal schauen, ob ich vorm Flug noch ein Set zum Durchspülen bekomme…
Set nicht bekommen. Egal. Wird schon gehen. Interessant ist, dass die Japaner, die riesige Drogerien für alles und jeden Schönheitsbedarf haben, die Klobrillen mit Dusche, Fön und Geräuschkulisse ins Bad und selbst auf die Zugtoilette bauen, dass dieselben Japaner für die Ohrenpflege auf Wattestäbchen bzw. Plastikschrauber setzen. Hoffen wir mal, dass es in den USA Spülsets gibt.
Langsam verabschieden wir uns von Asien. Essen heute Abend nochmal japanisch (zum ersten Mal nicht so toll), holen uns dann nen koreanischen Pfannkuchen mit Honigfüllung (immer wieder lecker) und lernen zum Schluss, dass an den Automaten mit den diversen Getränkeflaschen auch heißer Tee/Kaffee (rote Farbe) zu haben ist. Wir fahren nochmal per Aufzug in die 45. Etage, schauen über das nächtliche unendliche Tokio und, wieder unten, aufs Lichterspektakel an diesem Gebäude.
Und dann wollte ich unbedingt nochmal in einem Pachinko-Salon vorbeischauen. Spielautomaten in langen Reihen, davor sitzen vorwiegend Männer und gucken zu, wie kleine Stahlkugeln durch eine Flipper-ähnliche Bahn rollen und in Löcher fallen. In der Mitte laufen auf nem Display irgendwelche Comics. Es herrscht ohrenbetäubender Lärm, eine Mischung aus Musik und dem unentwegten Klickern der kleinen Metallkugeln. Niemand redet, alle starren auf die Kiste vor sich, manche bedienen parallel das Handy. Eine eigene unverständliche Welt.
Nun sind wir also neuneinhalb Wochen der Sonne entgegengefahren und endlich am Pazifik angekommen. Und, als wäre es für den Abschied geplant, geht sie für uns am letzten Abend nochmal in der Lichtershow am Observation Tower auf. Morgen werden wir von 8h Berlin voraus auf 9h hinterher umschalten. Eine verrückte Vorstellung…
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Etappe V Ostasien
Wir wollen am frühen Nachmittag vom Bahnhof Shinjuku nach Hakone fahren. Dort gehen am Tag (!) 3,6 Millionen Passagiere durch. Damit ist das der meistfrequentierte Bahnhof der Welt. Und so fühlt er sich auch an. Sehr viele Menschen, sehr viele Eingänge, dauernd die Gefahr, sich zu verlaufen. Da wir im Hostel ausgecheckt haben, bringen wir unser Gepäck schon mal hin. Freie Schließfächer sind HIER Mangelware, an normalen U-Bahn-Stationen war immer was frei.
Und dann drehen wir noch eine Runde um den Bahnhof. Dabei fällt uns eine Anti-Covid-Demo auf. Vielleicht 50 Leute, aber auch hier sind dann ca. 10 Polizisten die Begleitung. Es läuft so vieles gleich auf der Welt. Genauso wie die Aufkleber am U-Bahn-Bahnsteig für „Women only“ in pink. Haben wir nahezu identisch schon im Iran gesehen. Dort bewerten wir es als Unterdrückung der Frau, hier als Vorreiter beim Schutz der Frau. Schon verrückt.
Dann geht’s zum „Romance-Express“. Schräger Name für einen Zug, der vorn und hinten „Beobachtungssitze“ hat, dh man sitzt dort, wo eigentlich der Zugführer hingehört. Von dort soll/kann man während der Fahrt den Mount Fuji besser sehen als im Rest des Zuges. Ich hab’s geschafft, für Hin- und Rückfahrt zwei der jeweils ca. 30 Sitze zu buchen.
In Hakone checken wir schnell im Hostel ein und machen uns auf den Weg zum eigentlichen Ziel – einem Onsen. Das ist ein öffentliches Bad, das um eine heiße Quelle gebaut wurde. Unseres soll eines der schönsten in ganz Japan sein. Männer und Frauen baden getrennt, komplett nackt. Wir haben beide ein Abkühlbecken und sechs heiße. Ein insgesamt wunderschön angelegtes Bad mit den typisch japanischen Steinstrukturen*. Wir kommen am späten Nachmittag an und können den Blick in die herbstlichen Bäume direkt über den Becken noch genießen. Später wird es dunkel und die gesamte Anlage ist knapp, aber phantastisch beleuchtet. Einfach nur im warmen Becken zu sitzen und die Ästhetik von Holz, Stein, Licht und dem dazwischen wabernden Dampf zu genießen, beruhigt und entspannt.
Nach dem ersten Gang im heißen und dann kalten Becken lege ich mich auf eine Matte im Ruhebereich. Und denke, dass ich das nicht lange aushalte – Marta und ich haben uns aber erst für in drei Stunden verabredet. Schrittweise wird es besser und nach ner Stunde halte ich den Wechsel warmes/kaltes Becken gut aus, ohne Ruhepause. Werde mutiger und steige nach dem 44/45°C-Becken in die 48°C-Kochschüssel. Falls noch ein Restposten chinesischen Fußpilzes existiert - vielleicht bekomme ich den so ja abgekocht🤦♂️. Vermutlich hält der aber mehr aus als ich, denn 48°C ist WIRKLICH heiß. Das mach ich nicht lange und springe unmittelbar danach ins Abkühlbecken – dann geht's. Im Anschluss nochmal die Dampfsauna probiert – da passen immer nur acht Leute rein, es gibt kleine Matten als Sitz und Holzblöcke als Abstandhalter. Muss man alles erst lernen. Einfach beobachten. Klappt aber ganz gut.
Zum Ende wasche ich mich (wie beim Start) nochmal von Kopf bis Fuß. Dazu setzt man sich in einem bestimmten Bereich des Bades neben fünf anderen auf einen kleinen Hocker, hat vor sich einen (beschlagenen) Spiegel, daneben eine Handbrause, einen Holzbottich, Shampoo, Schaumbad und Seife. Und dann wird alles gewaschen und gespült. Die Gründlichkeit, mit der die Japaner das machen, erinnert an eine rituelle Waschung.
Nach drei Stunden treffen Marta und ich uns wieder – wir wollen vor Ort auch noch „zu Abend“ essen. Es gibt zwei Restaurants, vor unserem warten schon reichlich Leute. Wir stellen uns dazu und haben keine Ahnung. Ein netter Japaner erklärt uns, dass wir uns in die ausliegende Liste eintragen müssten. Und tut das dann für uns. Irgendwann wird uns ein Tisch zugewiesen und wir bestellen unser kleines Menü. Frisch zubereitetes, gutes Essen – wie immer.
Zurück zum Hostel laufen wir bei gutem Mond am Fluss entlang. An zwei Stellen dampft es, offenbar kommen die heißen Quellen an verschiedenen Ecken aus der Erde. Wir holen uns noch ein Eis im Ort und lassen einen wunderschönen Nachmittag ausklingen.
*Fotos nicht erlaubt.
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Etappe V Ostasien
Gestern Abend haben wir ums Eck gegessen. Bei einem älteren Japaner, bei dem sogar die Zahlen noch in für uns nicht lesbaren Zeichen auf der Karte standen. Google Übersetzer hat uns geholfen, allerdings wussten wir nicht so ganz genau, was wir bestellen. Geschmeckt hat’s allemal und die Nudeln, deretwegen wir dort waren, können wir nun auch von der Wunschliste streichen. Auf dem Rückweg sehen wir auf einer breiten Straße, dass es keine grüne Welle, sondern eine grüne Parallelschaltung für die Ampeln gibt. Das entschleunigt ungemein, nervt aber gerade beim Busfahren gewaltig.
Am nächsten Morgen ist dann dieselbe Straße autofreie Zone; wir beginnen dort unseren Shopping-Tag. Vor allem freuen wir uns auf ein spätes Frühstück mit fluffy pancakes. Der Laden macht um 10.00 Uhr auf – als wir vom Hostel per App die Wartezeit checken, werden 120 Minuten angezeigt. Ok, wir melden uns an und laufen langsam in die Richtung. Es liegen Klamottenläden am Weg. Nach ner Stunde stehen immer noch 110 Minuten auf der Uhr, ein paar Minuten später 70, kurz darauf 30, dann 20, und schon kommt die Mail, dass wir kommen können. Von da an hat man genau 10 Minuten Zeit. Wir erhöhen die Schrittfrequenz und schaffen es. Bekommen sofort unseren Tisch und bestellen fette Eierkuchen mit Sahne, Schokolade, sahnigem Frischkäse und noch mehr ungesundem Zeug. Die Zubereitung dauert ein wenig, aber die Dinger sind ziemlich lecker.
Danach geht’s dann doch zum Shopping, unter anderem in einen Klamottenladen mit zwölf Etagen. Ich brauch nix und hab vor allem keinen Platz im Rucksack. Meine diesbezügliche Disziplin hat ohnehin schon gelitten. Im Anschluss gehen wir bei Brillen vorbei. Laut Martas TikTok-Göttern sind die in Japan günstig. Und in der Tat gibt es gute Angebote. Ab 35 Euro die fertige Brille. Na, da muss ich doch auch mal gucken, meine ist mittlerweile knapp zehn Jahre alt. Mir gefällt ein Gestell für gute 80 Euro, ich lasse die Augen vermessen und bekomme normale Gläser (keine Polarisierung, keine Extrahärtung – wenn man sieben Tage Zeit hat, ginge auch das). Der Preis bleibt, die Mehrwertsteuer geht runter, am Ende bin ich 77 Euro leichter, hab aber ne neue Brille. Nicht ganz – Abholung in einer Stunde.
Die wollen wir nicht warten und fahren ein ganzes Stück raus in ein Viertel mit Second-Hand-Läden. Von der U-Bahn zum Ziel laufen wir an diversen Hipster-Läden vorbei, kurz vorm Viertel veranstaltet die lokale Vorortbahn ein Kinderfest. Wollen offenbar früh anfangen, die Kinder für einen Job zu interessieren. Martas und meine Wege trennen sich – ich finde einzelne Klamotten dort auch lässig, aber die Sucherei macht mir keinen Spaß und Platz hab ich sowieso nicht mehr. Anderthalb Stunden später treffen wir uns wieder, Marta mit nem coolen Sweatshirt im Beutel und ich weiß, wo wir endlich mal Sake probieren können. Gibt im Viertel ein paar Stände mit fischigem Essen und der Möglichkeit, diverse Sakes zu probieren. Wir nehmen die 5x30ml-Variante für sechs Euro und lassen uns was aussuchen. Zwei schmecken ganz gut, einer ist interessant und zwei sind nix. Essen wollen wir nix – es steht ja noch Sushi auf dem Plan und langsam sollten wir uns auf den Weg machen.
Als wir in der U-Bahn sitzen, merken wir beide den Sake. Kann man wie Wein trinken, wirkt aber wie Likör. Wir kommen ne Viertelstunde vor der Zeit beim Sushi-Laden an und wollen uns mit dem QR-Code aus der Mail anmelden. Geht nicht. Auch nicht beim zweiten oder dritten Mal. Also nachgefragt. Tja, falsche Adresse. Es gibt einen zweiten Laden derselben Kette nicht weit weg. Wir los, langsam wird die Zeit knapp. Bei google was gefunden, wieder die Schrittfrequenz erhöht. Aber Marta kommt das nicht geheuer vor. Sie checkt nochmal mit einer japanischen Webseite – und richtig, wir müssen woanders hin. Wir erhöhen erneut die Schrittfrequenz und sind Punkt 17.30 Uhr dort. Doch die Anmeldung klappt wieder nicht. Wieder gefragt, kurze Einweisung und sofort an den Tisch geleitet. Wir legen die Sachen ab, atmen tief durch, gehen kurz aufs Klo und fangen an zu bestellen. Teller um Teller. Man wählt am iPad aus, bestellt und ein paar Minuten später werden die frisch zubereiteten Sushis/Nigiris/Suppen/… per Förderband zum Tisch gebracht. Cooles Erlebnis.
Wir verbringen eine Stunde zwischen bestellen, staunen und essen und machen uns auf den Weg nach Hause. Genaugenommen wollte nur ich ins Hostel – Marta erinnert mich an die Brille. Verdammt, vergessen. Und so fahren wir zum Brillenladen, scannen an der Abholstation den QR-Code von der Rechnung und schon hab ich ne neue Brille. Aber noch weniger Platz in meiner Umhängetasche. Es wird platzmäßig kritisch und die anfangs vorhandene hohe Widerstandskraft gegen Einkäufe schwindet zusehends...
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Etappe V Ostasien
Nach dem Aufstehen gehen wir erstmal einen Kaffee trinken, weil es noch regnet. Wir haben beide gut geschlafen, auch wenn man damit leben muss, dass neben/über einem ab ca. 5.30 Uhr immer mal ein Wecker klingelt. Ansonsten halten aber alle einigermaßen Ruhe und das Bett war komfortabel. Nach dem Kaffee packen wir unseren Kram und bringen ihn zum neuen Hostel. Diesmal Zweierzimmer, japanischer Stil. Also kein Tisch, kein Stuhl, nur Platz für zwei Matratzen auf dem Boden. Dafür ordentlich Platz im Bad und Klobrille mit allem Zipp und Zapp (Dusche, Musik, Fön).
Weiter geht’s in ein historisches Viertel. Das ist wieder voll mit Touristen. Wir sammeln ein paar Fotos fürs Album und schauen, was es so Spannendes gibt. Probieren nochmal Melonenbrot (nach der Form bezeichnet). Frisch aus dem Ofen ist das was Anderes als abgepackt im Supermarkt. Zwei Ecken weiter gibt’s gegrillten Aal auf Reis mit Teriyaki-Sauce – auch fein. Und dann lassen wir uns wieder durchs Viertel treiben. Bis zu einem Sushi-Laden, in dem wir Sushi vom Rondell essen und eine Reservierung für heute Abend aufgeben wollen. Tja, so einfach ist das nicht. Wir brauchen eine App, müssen uns registrieren und können dann reservieren. Frühestens ab morgen.
Marta flucht und versucht, an die App zu kommen. Klappt nicht. Nach vielen Umwegen und Mühen (Webseiten durch Safari übersetzen lassen, KNORR ins Japanische übersetzen und eintippen) hat sie tatsächlich eine Reservierung für morgen Abend hinbekommen. Mal schauen, das kann super werden. Auf dem Rückweg zum Hostel (heute ist um 16.00 Uhr wieder ein Bewerbungsgespräch - siehe "Von Okayama nach Tokio") wollen wir – aus Erfahrung klug geworden – bei einem „Fluffy pancake“- Laden für morgen reservieren. Das geht dort aber nicht, man kann nur über einen QR-Code sein Interesse anmelden und bekommt dann die Info, wann es heute denn was würde. Na, schauen wir mal morgen früh, was geht.
Ansonsten nicht viel Neues in Tokio. Verhangener Himmel, Shopping-Malls – egal, wo wir aus der U-Bahn steigen –, auffällig gut geputzte Schuhe bei den Anzugträgern und deutlich mehr Verbrenner-Abgase als in China. Insbesondere bei den Motorollern nervt das – die gab's in China schon vor sieben Jahren kaum noch.
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Etappe V Ostasien
7.30 Uhr, wir sind schon in der U-Bahn. Klappt wieder alles super mit der ÖPNV-Karte im Handy. Draufhalten, durchgehen. Das erste, was auffällt – es quellen im morgendlichen Berufsverkehr viele schwarze Anzüge aus der U-Bahn. Lange nicht mehr gesehen. In der U-Bahn schlafen dann viele Pendler, zum Teil fallen die Köpfe dem Nachbarn in den Nacken. Wir fahren direkt zum Hostel. Heute Nacht wird‘s etwas rustikaler. Da wir uns einen nobleren Zug gegönnt haben, gibt’s diesmal ein „Kapsel“-Hotel (das immer noch deutlich mehr als die Übernachtung in Okayama kostet). Marta im Frauenschlafsaal, ich bei den Herren. Abends jeder für sich in seinem Männer-/Frauen-„Lounge“-Bereich. Die Nacht dann in einer Kapsel, bei der man vorn den Vorhang zuzieht und damit seinen eigenen kleinen Bereich bekommt. Um einen rum knapp dreißig andere Kapseln mit nur nem Vorhang als Tür/Fenster. Aber die Duschen sind super. Wir bekommen ein Paket mit Handtüchern, Fußmatte für die Dusche, Zahnbürste, Schlafanzug. Der Rucksack/die Klamotten kommen in einen Spind. Alles ganz schön eng und knapp und trocknen kann man nix.
So, nun raus in die Stadt. Als Erstes zu nem Markt. Der macht mittags dicht. Da sind mehr Touris als Einheimische, entsprechend die Preise. Und an einzelnen Ständen bilden sich lange Schlangen, obwohl es an den Nebenständen exakt das gleiche gibt. Offenbar eine Folge von TikTok-Empfehlungen oder so was. Die Leute wollen dann GENAU an diesem Stand essen und stehen dafür lange an. Vielleicht bekomme ich die Unterschiede aber auch einfach nicht mit. In jedem Fall sind uns diese geduldigen Schlangen schon häufig begegnet.
Marta zeigt mir ganze Wasabi-Rettiche. Noch nie vorher gesehen. Üppige Preise.
Beim Bummeln durch die Stadt stellen wir fest, dass wir zwar ein paar Fotos machen können, aber im Prinzip die landestypischen Sachen (oder was wir dafür halten) schon ein paar Mal gesehen haben. So suchen wir dann das eine oder andere schöne Bild, die eine oder andere Besonderheit. Deshalb stelle ich mich an eine der Schlangen an, in der nur Japaner stehen. Und kaufe mir wieder zwei Mochis (gefüllte Reismehlbällchen). Wenn die Einheimischen die mögen, ist DAS vielleicht landestypisch. Beim Essen sind wir mittlerweile einigermaßen firm und ordern ein „set lunch“ – genauso wie die vielen Büroangestellten in der Mittagspause, die um uns rumsitzen. Wenn man einmal weiß, wie’s funktioniert, ist das einfach.
Danach geht’s hoch auf eine Aussichtsplattform für einen Rundblick über Tokio. Wieder am Boden, wundern wir uns über die vollen Raucherräume an Straßenecken und auch über die vielen Briefkästen. Es war seit Rumänien wirklich schwer, sowohl Briefmarken als auch Postkarten zu bekommen und Briefkästen zu finden. Zudem haben die Marken, wenn man sie einmal hatte, nicht geklebt. Brauchte immer nen Klebestift. Wahrscheinlich schreibt niemand mehr Postkarten.
Möglicherweise kann man an solchen Kleinigkeiten erkennen, wo ein Land auf der Entwicklungskurve steht. Japan, Südkorea und Deutschland scheinen auf einem Niveau zu sein. Die Technologien der Vergangenheit sind perfektioniert und jetzt halten wir daran fest und sind zu träge/unfähig, den nächsten Sprung zu machen. Die Briefmarken kleben super, aber Bargeld braucht man immer noch an allen Ecken und Enden. Andere Länder kümmern sich nicht mehr um Briefmarken, sondern stellen Computer in die Städte, mit denen man seine Behördenangelegenheiten regelt (statt Einschreiben mit Rückschein zu senden).
In der U-Bahn habe ich dann aber noch was Witziges an den Halteschlaufen gesehen. Chemische Formeln mit der Frage, um welche Reaktion es sich handele. Eine Stellenanzeige für Jobs als Chemieingenieur. Ob’s klappt, weiß ich nicht. In jedem Fall mal ein anderer Weg.
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Etappe V Ostasien
Der Zug ist lässig, aber die ultimative Platzverschwendung. Wir sind in einem Wagen mit Einzelabteilen. Da passen genau 20 Leute in einen ganzen Wagen (Ober- und Unterdeck, eine Zweier-, der Rest Einzelkabinen). Dazu zwei Toiletten und zwei Waschbecken. Weiter vorn gibt’s – in anderen Wagen – noch ne Dusche und einen Sitzbereich plus Getränkeautomat. Die Kabinen haben Steckdose, eine Türverriegelung per Code, mehrere Lichtvarianten. Und so gut wie keinen Platz für Gepäck. Bloß gut, dass wir mit Rucksack und nicht mit Großkoffern reisen. Außerdem gibt's noch Wagen mit "Schlafsaal". Da liegt man dann wie in ner Kartoffelkiste, durch ein 10cm hohes Bett vom Nachbarn getrennt.
Es ist 23:00 Uhr. Ankunft in Tokio ist für 7:08 Uhr avisiert. Dann mal „Gute Nacht“.
Die Nacht war ok. Für mich aber zu kalt. Musste mir meine Jacke und Jeans überziehen. Ne halbe Stunde vor Tokio weckt uns eine Durchsage. Wir rollen in das erwachende Tokio, die Sonne scheint.
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Etappe V Ostasien
Gestern Abend habe ich noch ein paar Buchungsarbeiten für unser nächstes Ziel fertig gemacht. Dadurch war ich erst gegen 23.30 Uhr im Bett. Kaum ist das Licht aus, vibriert Martas Telefon ohne zu stoppen. Komische Nummer aus Deutschland – ich gehe ran. War das eine HR-Verantwortliche von einem der Unternehmen, bei denen sie sich um ein Praktikum beworben hat. Da der ursprüngliche Praktikumsplatz zurückgezogen wurde, müssen Termine und Telefonate jetzt von hier gemacht werden. Alles nicht so einfach. Lea hat rausgefunden, dass wir über WLAN-Calls auch unter unserer deutschen Handynummer erreichbar sind, aber eben immer nur, wenn wir in nem WLAN sind. Das war gestern Nacht ganz offensichtlich der Fall. Jedenfalls hab ich kurz mit der Frau gesprochen – sie wird heute von Marta zurückgerufen. Bei acht Stunden Zeitverschiebung ist das immer etwas komplizierter. Zumal wir heute Abend auch wieder schlafwagend unterwegs sind.
Heute Morgen nutzen wir unser Bad ausgiebig, die nächsten Nächte könnten etwas dürftiger werden. Danach geht’s mit der Vorortbahn in ein kleines Städtchen. Unterwegs können wir wieder ein wenig in den japanischen Alltag schauen – kleine Häuser oder Wohnungen, viele Kanäle in den Dörfern und überall sauber und geduldige Warteschlangen. Unser Ziel ist der Geburtsort und das jetzige Zentrum der japanischen Jeans. Ein großer Stadtteil wurde im alten Zustand erhalten bzw. wieder entsprechend restauriert. In den Häusern nahezu ausschließlich Geschäfte, Cafés, Kunstangebote. Das haben wir in China auch schon so gesehen. Touristen-Business als Erhaltungstreiber für denkmalzuschützende Gebäude/Stadtteile.
Und wenn die Sonne scheint, man entspannt und guter Dinge ist, dann schaut man eben auch mal in die Geschäfte. Prompt hat es uns erwischt. Von Marta hatte ich vorher gelernt, dass japanische Jeans die höchste Qualität haben – weil sie im Prinzip Handarbeit sind und auf alten Webstühlen hergestellt werden. Da man als Kunde ohnehin immer mehr die Geschichte als das Produkt kauft und mir diese Geschichte gut gefallen hat, war es nicht mehr weit bis zum Kauf. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass es sowohl in Bauchweite als auch Länge was für mich gab. Der Laden, in dem wir waren, hat alle Hosen auf 36er Länge produziert. Bei Schnitt und Muster hat’s ne Zeit gedauert, aber da Marta auch hin-und-her-probiert hat, alles fein. Martas Jeans wurde dann gleich noch gekürzt, auf dem Weg zurück nach Okayama hatten wir beide neue Hosen an.
Schnell was gegessen und zurück zum Hotel. Für den Nachmittag stehen bei Marta ein Terminvereinbarungstelefonat und ein Vorstellungsgespräch an. Hoffen wir, dass das WLAN funktioniert und alles klappt. Als alles durch ist (hat gut geklappt), sucht Marta ein Lokal fürs Abendbrot. Wir laufen durch dunkle Gassen tief in ein Wohnviertel und enden in so’nem richtig lokalen Laden, in dem acht Männer bei Fisch und Bier sitzen und schon rote Köpfe haben.
Die Speisekarte können wir nur mit googles Übersetzer teilentschlüsseln – wissen am Ende aber immerhin, was wir bestellen (ist nicht immer so). Einfaches Essen zum kleinen Preis, ganz frisch zubereitet. Super. Während wir da so sitzen, kommen weitere einzelne Männer und bestellen sich was Kleines zu essen. Wo sind die Frauen? Gibt’s keine zu diesen Männern? Insgesamt stellt sich ohnehin die Frage, wie so viele kleine Restaurants existieren können. Vielleicht wird wenig zu Hause gekocht (wenig Platz?) Dieselbe Frage haben wir uns übrigens schon in China gestellt.
Später geht es dann mit der Straßenbahn zum Bahnhof. Beim Aussteigen laufe ich wieder mit voller Wucht gegen die Haltestange für stehende Fahrgäste. Entweder diese Stelle an meinem Kopf verknöchert vollkommen oder wird weich. Wie oft ich schon gegen Türrahmen, Haltestangen oder Treppenhausdecken gelaufen bin… Besonders gut ist das nachts, wenn ich aufs Gemeinschaftsklo über den Flur will, extra kein Licht anmache, um nicht vollends wach zu werden und dann abrupt in die Knie gehe, weil der Schmerz von vorn oben kommt.
Wir fahren über Nacht nach Tokyo. Bin gespannt auf den einzigen Schlafwagenzug, den es hier in Japan noch gibt. Wieviel Zeit ich in Summe in diese Tickets gesteckt habe, weiß ich nicht mehr. Freue mich aber auf die Fahrt.
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Es bleibt ein halber Tag Hiroshima. Wir drehen eine Runde in die andere Richtung. Viele Wohnhäuser – mal als Einfamilien Häuschen, meist große Blocks. Dazwischen kleine Handwerksbetriebe und Werkstätten. Auch eine Feuerwehr und eine kleine Yakult-Abfüllung (?) Auf dem einen Yakult-Parkplatz steht gerade ein Mammographie-Mobil, auf dem anderen eine firmeneigene Moped-Flotte. Direkt daneben finden wir Automaten für die diversen Yakult-Produkte. Müssen wir natürlich probieren. Und dann sehen wir immer wieder diese kleinen kistenförmigen Autos. Erfreuen sich hier großer Beliebtheit – warum die es nicht in die deutschen Großstädte geschafft haben, ist unerklärlich.
Und dann muss ich nochmal in die Stadt, da mir gestern bei der Wäsche/Trocknung einer meiner beiden Pullover zerlöchert wurde. Glücklicherweise kennt Marta sich aus und wir gehen zu UNIQLO. Für 18 Euro gibt’s nen reinen Wollpullover, Steuer geht danach noch runter. Nehme noch Unterwäsche dazu und eine Hose aus dem Sale. Die Frau an der Kasse stellt einfach den Korb auf den Tisch und der Gesamtpreis wird angezeigt. Ich bin begeistert und höre von meiner Tochter, dass das nix Neues sei und ich hinter dem Mond leben würde. Auf jeden Fall findet man selbst in Ankleidekabinen spannende Dinge. Zum einen sind die Schuhe vor der Kabine auszuziehen und wenn ich den Vorhang aufmache, stehen sie wie von Zauberhand so, dass ich sofort reinschlüpfen kann. Zum anderen erklärt in der Kabine ein Schild, dass man Dinge nur über den Kopf zieht, wenn man sich vorher ein Tuch übers Gesicht legt. Wegen der Schminke. So’n Tuch habe ich nicht bekommen – nehme an, die Damen haben richtigerweise erkannt, dass mein Gesicht heute mal komplett ungefettet und ungeschminkt war. Und wenn man dann die Kabine verlassen hat, wird mit ner großen Fusselrolle der gesamte Fußboden abgerollert. Macht natürlich Sinn – falls mit Fußpilz Infizierte ihre Socken ausziehen und die Hautschuppen dort abwerfen. Meiner scheint übrigens erledigt.
Es geht zurück ins Hostel, wir holen unsere Sachen. Beim letzten Gang aufs Klo muss ich dann doch die geniale Kontruktion fotografieren. Bevor das Wasser in den Spülkasten läuft, wird es über einen kleinen Hahn mit Auffangbecken geleitet, so dass man sich direkt die Hände waschen kann. Braucht man eigentlich nicht, da die gesamte Reinigung von der Klobrille erledigt wird. Ist trotzdem genial überlegt.
Beim Zugfahren gibt’s nix Neues. Wir passen diesmal allerdings auf, den richtigen Eingang zu nehmen. Klappt alles. Danach holen wir uns jeder ne „Bento“-Box. Das sind de facto Fresspakete für Bahnfahrer. Nur dass in Japan eben nicht SO viel auf einmal gegessen wird. Ich habe eine Box mit Hühnchen und Reis. Marta eine bunte Mischung ohne Fleisch. Jeder findet seine ganz lecker. Nach ner halben Stunde kommen wir in Okayama an.
Fahren wieder Straßenbahn und wundern uns, dass offenbar ein Partywagen im Linienverkehr eingesetzt wird. Wir bringen die Sachen zum Hotel – diesmal gibt’s wieder ordentliche Betten und einen Stuhl im Zimmer. Dann bleibt noch Zeit für einen Spaziergang zu den Sehenswürdigkeiten. Japanischer Garten und Burg. Überall dasselbe. Den Garten schauen wir uns an – er ist wieder sehr schön und noch größer als die beiden letzten. Die Burg schenken wir uns erneut. Auf dem Weg entdecken wir eine kleine Mochi-Manufaktur. Martas Augen leuchten, denn all die bisherigen Mochis (kleine gefüllte Reismehl-Kugeln) waren nix.
Vor dem Abendbrot muss ich noch Geld abheben, denn auch in Japan ist Bargeld immer noch weitaus häufiger die einzige Zahlungsmöglichkeit als man so glaubt. Danach gibt’s Ramen. Für mich mit ordentlich fettem Schweinefleisch, für Marta ohne Fleisch. Kann man auch gut essen.
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Der Regen hat aufgehört. Heute geht’s weiter nach Hiroshima, 250km in exakt einer Stunde Zugfahrt. Am Bahnhof laufen wir aus Unkenntnis erstmal zu den falschen Zügen und müssen aus diesem Bahnhofsteil in einen anderen. Das ist ein kleines Problem. Am Ende stempelt eine leicht entnervte Bahnkontrolleurin unsere Tickets und lässt uns durch. Wir holen uns noch schnell einen Kaffee/Tee. Die leeren Becher loszuwerden ist nicht so einfach. Genau wie in Südkorea gibt es nahezu keine öffentlichen Mülleimer. Wir haben immerhin schon rausgefunden, dass man in Supermärkten die Sachen sortiert loswerden kann. Auf den ersten Blick scheint es widersinnig, dass im öffentlichen Raum nahezu überall Einweg-Verpackungen für Essen und Trinken genutzt werden, es aber keine Mülleimer gibt. Denkt man mal drüber nach, könnte es ein Weg sein, Mehrweg-Verpackungen populärer zu machen. Wenn man die Verpackung sowieso mit nach Hause nehmen muss, könnte man auch gleich Mehrweg nutzen…
Der Shinkansen rast durch die Tunnel und die ziemlich hügelige Landschaft. Innen ähnelt alles einem Flugzeug, selbst die Fensterform. Wir haben Sitze für großes Gepäck (an der Tür, Platz zwischen Tür und erster Sitzreihe) gebucht, allerdings hätten unsere Rucksäcke schon noch in die Ablagen über den Sitzen gepasst. Aber wer kann das aus der Ferne schon beurteilen. Die Züge sind offenbar schon etwas älter – es gibt nur eine Steckdose pro 2er/3er-Sitz. Allerdings alles bestens gewartet und sauber. Bei den Klos gibt es Unisex-Toiletten, separate Urinale und separate Waschbecken (in Südkorea übrigens getrennte Männer/Frauen-Toiletten auch im Zug). UND die Klobrille ist wieder beheizt, man kann Bidet oder nur leichte Dusche haben, mit Wunschtemperatur. Unvorstellbar außerhalb Japans. (Dass unsere Unterkünfte in Japan keinen derartigen Klo-Luxus anbieten, zeigt, an welchem Ende der Unterkunftsskala wir uns bewegen…)
Noch etwas Anderes ist uns aufgefallen. Es gibt ziemlich viele freie WLANs überall. Das war in Südkorea insbesondere entlang der U-Bahn, in Bussen und bei Sehenswürdigkeiten auch schon so. Japan hat’s noch eine Nummer komfortabler gemacht – wir installieren eine App, die sich automatisch mit verfügbaren freien WLANs verbindet. Genau das Richtige für uns, da sich unsere Datenguthaben langsam dem Ende nähern.
In Hiroshima ist T-Shirt-Wetter. 23°C und Sonne. Wir fahren Straßenbahn, stellen das Gepäck im Hostel ab und laufen zur Hiroshima-Gedenkstätte. Im Museum sehr eindringliche Bilder. Irgendwie vergessen die Menschen viel zu schnell, was Kriege so anrichten. Danach gehen wir was essen. Bleiben dieses Mal in einem Nudelrestaurant hängen. Wie fast immer – lecker. Auf dem Weg zum nächsten Ziel finden wir auch noch eine kleine Bäckerei und gönnen uns ne süße Kleinigkeit. Dann sind wir wieder in einem alten japanischen Garten. Den nehmen wir mit, an der Burg laufen wir nur vorbei. Der Garten wurde ursprünglich vor 500 Jahren angelegt und nach der Atombombe restauriert. Das waren schon kleine Kunstwerke für den damaligen Adel. Kleine Teiche, fließendes Wasser, Brücken, jede Menge kunstvoll arrangierte Steine und dieser typisch japanische Baumschnitt. Bänke überall, hier auch noch ein (medizinischer) Kräutergarten und ein Bambushain. Zudem sind einige Bäume in einfache Strohmatten gehüllt, die mit Strohseilen zusammengebunden werden. Ob das schon Wintervorbereitung ist, wissen wir nicht. Es hat aber Stil und sieht gut aus.
Zurück im Hostel checken wir in einen japanischen Raum mit Tatami (Fußbodenmatte) und Futon (eine Art Matratze) ein. Und machen die Wäsche.
Zum Abend geht’s nochmal in die Stadt. Eine Spezialität essen. Auf vier Etagen sind in einem Haus viele kleine Küchen untergebracht, um die herum immer ca. zehn Leute sitzen. Auf den Metallflächen vor den Gästen wird gekocht – in diesem Fall eine Art Omelett mit Nudel-, Frühlingszwiebel-, Schinkenspeck- und grünem-Salat-Füllung. Obendrauf dann diverse Extras nach Wunsch. Rappelvoll die Hütte, 60-70% Touristen. Wir bekommen mit viel Glück zwei Plätze und schauen begeistert beim Kochen zu. Das Essen ist dann schnell erledigt. Ach, lecker, so frisch zubereitete Sachen.
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Gestern Abend waren wir noch ein paar Kleinigkeiten essen. Alles sehr lecker, alles sehr kleine Portionen, jede für sich nicht teuer, am Ende ist die Rechnung aber doch größer als gedacht. Egal. Wir haben ja etwas Essensgeld bekommen.
Heute Morgen dann entspanntes Aufstehen. Haben gestern überlegt, was wir machen wollen und uns für einen japanischen „Familienausflug“ entschieden. Es geht zu Fuß zum Hafen, an einer Ampel hält ein Bus mit Lautsprechern auf dem Dach, aus denen marschähnliche Musik schallt. Das ist ja wie im Osten oder in Nordkorea. Keine Ahnung, für was oder wen der Bus unterwegs ist. Im Hafen nehmen wir eine Fähre zu einer Landzunge gegenüber, auf der ein großer Naturpark angelegt ist. Der Weg dorthin verläuft vom Hafen durch eine Kleinstadt. Wirkt alles ein bisschen amerikanisch – die Häuser, die Elektroleitungen, das Hafengebäude. An einem Sonntag mögen in der Großstadt die Geschäfte auf haben, hier ist tote Hose. Wir finden immerhin einen kleinen Bäcker und holen uns gefüllte Brötchen. Schoko ist lecker, Pudding ok, ein drittes kaum zu identifizieren und nicht so doll. Getränke kann man hier in Japan übrigens an jeder Ecke aus Automaten ziehen. An der Tankstelle sehen wir, wie ein Rollerfahrer nach dem Tanken einen Messbecher und ein Ölfläschchen rausholt und Öl in den Tank kippt. Dann knattert er auf dem hellblau/rostigen Ding an uns vorbei.
Am Park müssen wir Eintritt bezahlen – unsere letzten Yen, da beim eigentlich geplanten Tausch heute Morgen am Hafen der Schalter geschlossen hatte. Im Park wollen wir gern Fahrräder ausleihen, Kreditkarte wird nicht genommen, Geld ist alle. Glücklicherweise funktioniert unsere ÖPNV-Karte und wir bekommen zwei Räder, also ein Rad für Marta und eine (selbst ausgesuchte) Möhre für mich. Hab nur auf die Sattelhöhe geguckt… Zuckeln durch den Park, in dem es viele Kinderspielplätze und später auch Grillplätze, Selfie-Spots, eine Robbenshow, Hotel usw. gibt. Unterwegs kommen wir an einen langen Sandstrand – der darf aber nicht betreten werden. Genauso wie alles andere links und rechts vom Weg. Naturschutz, aber auch Wildschweingefahr.
Es fängt leider an zu regnen, wir radeln etwas zügiger und an vielen Eltern mit Kindern vorbei. Die Fähre bringt uns wieder zurück, unser nächster Stop ist der Bahnhof. Wir müssen die gekauften und reservierten Tickets noch abholen. Das funktioniert an nem Automaten (Englisch) komplett reibungslos. Die für den Kauf genutzte Kreditkarte in den Automaten, dazu den beim Kauf festgelegten vierstelligen Code. Fertig. Wir holen uns noch ein paar Kleinigkeiten zu essen und laufen durch den Regen zum Hostel. Dort werden an der Tür die Schuhe ausgezogen – in Südkorea, Kasachstan und Usbekistan war das im Übrigen auch so. Ich gehe in die Küche, mache mir einen Tee und beim Blick auf die Herdplatten denke ich, dass der japanische Ingenieur sich aber auch ganz ordentlich austobt.
Kurze Pause, dann schon wieder essen. Es regnet immer noch und mit zunehmender Intensität. Eigentlich wollten wir noch Streetfood probieren. Aber um diese Jahreszeit gibt es nur noch wenige Stände und die Japaner stellen sich selbst im Regen an und warten, bis Plätze frei werden. Nee, darauf haben wir keine Lust. Wir schauen bei uns in der Nähe und nehmen das erste Lokal mit freien Plätzen. Das Essen ist eigentlich immer lecker. Heute vor allem der gebratene Knoblauch.
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Wir kommen einigermaßen schnell aufs Schiff, weil wir bei Zoll/Passkontrolle gesehen haben, wie die Japaner sich organisieren. Stellen einfach ihre Koffer am zu öffnenden Schalter/Gate/… ab. Der nächste stellt seinen dahinter und so entsteht eine Kofferschlange, die später zur Schlange der Kofferbesitzer wird. Beim ersten Mal gesehen, beim zweiten Mal stehen unsere Rucksäcke schon relativ weit vorn. Allerdings sind sie so schwer, dass sie erstmal die Rollkoffer davor ein Stück zusammenschieben…
Das Schiff ist modern, einen Tacken kleiner als das letzte. Wir bekommen unseren Kabinenschlüssel und schauen uns um. Im Restaurant kauft man sich Marken für das einfache, koreanische oder japanische Lunchmenü und holt sich dann das Tablett an der Ausgabe ab. Da diesmal reichlich Leute an Bord gehen, ist im Restaurant auch Betrieb. Außerdem gibt’s wieder Duty Free, Karaoke-, Spielautomaten- und Raucherräume, Automaten für Bier, alkoholfreie Getränke, Eis, Nudelsuppen, Snacks. (Beim Bier zeigen mehrere Lampen zügig an, dass diese Fächer bereits leer sind.) Und – nach Männern und Frauen getrennt – kleine Gemeinschaftsbäder mit größeren Becken zum Entspannen. Die Klos haben bereits, nachträglich installiert, beheizte Brille und Bidet-Funktion. Neben den 2er Kabinen gibt’s auch Vierer und Fünfer, allerdings muss man die zusammen buchen. Ansonsten wird in größeren Schlafräumen geschlafen.
Fürs Ablegen brauchen wir keinen Schlepper, Seitenstrahlruder schieben die Fähre langsam vom Kai. Der Lotse ist an Bord, wir fahren 30 Minuten später als geplant los, und kommen locker ne Stunde vor der Zeit an. Offenbar ist bei wenig Seegang die Fahrzeit deutlich kürzer. Der Lotse hat am Hafenausgang das Schiff verlassen, uns mit dem Lotsenboot aber noch ne ganze Strecke parallel begleitet. In Fukuoka legen wir wieder mittels der diversen Ruder an.
Runter vom Schiff (Rucksäcke standen wieder vorn in der Schlange 😉), durch Passkontrolle und Zoll und schon sind wir wieder draußen. Schnell und unproblematisch. Marta hat den passenden Bus schon rausgesucht, wir gehen zur Haltestelle und kommen fünf Minuten später weg. Bezahlt wird mittels ÖPNV-Karte für ganz Japan, die wir uns schon in Deutschland aufs Handy gespielt hatten. Wenn das so läuft, ist das einfach wunderbar. Im Hostel können wir das Zimmer noch nicht bekommen – wir stellen unser Gepäck ab und laufen in die Stadt. Dort hat noch alles zu, also versuchen wir’s mit dem Fischmarkt. Der ist deutlich kleiner als der in Fukuoka und der Fang von heute Morgen ist auch schon fast verkauft, aber rund um den Markt gibt es heute ein paar Stände.
Bei der längsten Schlange, die sich mehrmals windet, gucke ich, was es gibt. Eier. Ganz schlicht Hühnereier. Im Internet finde ich, dass dies landesweit bekannte Eier von Hühnern eines besonderen Biobauernhofs am Meer sind. Na dann, lasst Euch die Eier schmecken. Ich halte mich an Schnecken – vier Stück für gut drei Euro und hole mir noch zwei Austern, ebenfalls für gut drei Euro. Muss für die Austern länger anstehen und lerne dabei, dass es einen Schilderhalter gibt, der das Ende der Schlange anzeigt. An einem Stand wird gezeigt, wie man aus einem großen Fisch schöne Stücken für die Sushi-Zubereitung schneidet. Sobald die Stücken fertig sind, fängt der Moderator an, mit der Menge Schnick-Schnack-Schnuck zu spielen. So lange, bis nur noch ein Arm oben ist, der gegen ihn gewinnt. Derjenige bekommt dann das Stück geschenkt. Die Stimmung ist super, es spielen viele Leute mit.
In der Stadt sehen wir dann noch eine andere lange Schlange. Vor nem Modegeschäft (Supreme). Marta checkt das schnell ab und findet raus, dass heute dort Stücke aus einer besonderen neuen Kollektion verkauft werden. Nix für sie, da die Dinger extrem teuer sind und die Supreme-Mode bei uns schon durch.
Weiter geht’s mit dem Bus erst zu Resten einer alten Burg (nebenan in einem Stadion wird American Football gespielt) und dann zu einem wunderschönen japanischen Garten, der 1984 nach alten Regeln angelegt wurde. Bem Versuch, AliPay zu nutzen, stellen wir fest, dass wir wieder außerhalb Chinas sind und für uns nix mehr geht. Das war in Südkorea auch so, allerdings hatten die Chinesen dort ja noch die Möglichkeit, Mietwagen und Taxi zu buchen. Wir streifen durch Wohnviertel und kommen zum Strand. Auch hier schöner Sandstrand. In der Nähe gibt’s noch den Fukuoka-Tower. Damit hat sich die Sehenswürdigkeiten-Liste fast erschöpft, der Rest ist rund ums Hostel. Wir fahren mit dem Bus zurück, unsere ÖPNV-Karte funktioniert super. Im Bus sehen wir aber, dass man auch noch mit Bargeld bezahlen kann – und damit es passend ist, gibt’s gleich noch nen Geldwechselautomaten dazu. Und das in jedem Bus. Witzigerweise kleben kleine Plakate in der Nähe, die darauf hinweisen, dass neue Geldscheine nicht genommen würden…
Zurück im Hostel gehen wir aufs spartanische, aber teure Zimmer und duschen erstmal.
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Heute sind die Temperaturen wieder ein wenig höher, wir machen uns auf den Weg zum Fischmarkt. Unendliche Stände mit Fischen, Muscheln, Krabben und allerlei Anderem, was im Meer wächst und das Meer jetzt hergegeben hat. Vieles habe ich noch nie gesehen. Nach den reinen Fischständen kommen die „Restaurants“, kleine Parzellen mit kleiner Küche und ein paar Tischen. Dort kann man sich den gerade gekauften Fisch fertig machen lassen. Oder man kauft ihn gleich im Restaurant. Die Preise scheinen mir aber auf touristische Kundschaft ausgelegt.
Danach geht’s in den Bus und raus zu nem schönen Sandstrand. Wir laufen ein wenig den Strand entlang, später einen ausgewiesenen/ausgebauten Küstenweg. Wird ein bisschen mühsam, da hügelig. Zurück in der Stadt suchen wir nach einem bestimmten koreanischen Essen, das Marta noch probieren wollte. Da wir nicht sofort was finden, droht die Suche länger zu werden. Das nutze ich für nen Friseurbesuch. Wird wieder Zeit. Diesmal kostet’s 13 Euro, dafür war aber Waschen und Kopfmassage mit dabei. Man wundert sich, was man beim Haareschneiden alles so anders machen kann. Diesmal hatte ich ein paar Haarklemmen drin (lila) als die Seiten gemacht wurden. Und die Schere kann man offenbar auch auf zig Arten halten beim Schneiden…
Als die Friseuse fertig ist, hat Marta auch ihr Essen gefunden. Wir laufen dorthin, finden auf dem Weg aber einen anderen kleinen Laden, der das auch anbietet. Wieder einmal gut ausgesucht und leckeres Essen. Danach trödeln wir noch ein wenig und holen uns Reis-Pfannekuchen mit (eingebackenem und geschmolzenem) Zimtzucker und Sonnenblumenkernen. Feine Sache.
Zum Hafen fahren wir mit der U-Bahn. Im Navi wird ein kurzer Fußweg angezeigt, am Ende sind’s knapp zwanzig Minuten. Mit Rucksack gefühlt viel länger. Die Tickets sind schnell geholt. Und dann hab ich noch eine andere offene Rechnung. Ich hatte ursprünglich eine Fähre gebucht, die storniert wurde. Den Fährpreis hab ich schon längst zurück. Aber es gibt zusätzlich eine Entschädigung, die man allerdings nicht auf die Kreditkarte bekommen konnte. Muss man im Hafen persönlich abholen. Der Schalter hat tatsächlich auf und ich bekomme nach Vorlage von Pässen und mail anstandslos zwei Umschläge mit je 100.000 koreanischen Won. Das sind ca. 133 Euro. Damit fahren wir praktisch für knapp 40 Euro in ner Zweier-Kabine. Allerdings einen Tag früher als geplant. Passt trotzdem .
Und schon ist Südkorea wieder vorbei. Busan ist eine nette Stadt, in der es sich sicher gut leben lässt. Allerdings waren sowohl in Seoul als auch Busan sehr viele Alte zu sehen. Zum Teil gebrechlich. Kann an der Wahl unserer Verkehrsmittel liegen (Bus/U-Bahn), dass wir so viele sehen. Muss aber nicht. Koreas Geburtenrate ist ja ein Alptraum.
Ansonsten: Südkorea funktioniert im Nah- und Fernverkehr. Die fehlende Kreditkartenzahlmöglichkeit in der U-Bahn oder zum Teil fehlende NFC-Chips für die Zahlung mit Handy erinnern mich ein wenig an Deutschland. Vor zwei, drei Jahrzehnten modern ausgebaut, sind die damaligen Systeme langsam nicht mehr zeitgemäß. Der Ersatz findet schrittweise statt und wird wohl ein paar Jahre dauern. Immerhin läuft der Prozess (seit ich mich im Sommer über Südkorea informiert habe, wurden zB für die U-Bahn neue Ein-/Mehrtagespässe eingeführt). Allerdings hat uns etwas irritiert, dass es im öffentlichen Raum nahezu keine Mülleimer gibt und dass es in beiden Herbergen keine Bettwäsche gab. Diese war auch nicht zu leihen. Wir konnten nicht rausfinden, ob das Südkorea-typisch ist oder dem Charakter unserer Unterkünfte geschuldet, sprich der Knausrigkeit des Autors.
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Wir wachen wieder an einem klaren kalten Morgen auf. 4°C. Langsam werden wir uns wohl an den Winter gewöhnen müssen. Marta hat für heute als Erstes einen Marsch rund um einen See rausgesucht. Dafür fahren wir ein ganzes Stück U-Bahn und kommen am Lotte-World-Tower an. Wenn man an dem Hochhaus hochguckt, wird einem schwindelig. 555m hoch. Der See liegt direkt davor, rundrum ist eine Jogging-Runde angelegt. Im Moment sind die Bäume herbstlich bunt, ein ganz schöner Anblick. Im See gibt es noch einen Vergnügungspark, der schon morgens gut besucht ist. Achterbahn, Riesenschaukel mit Dreheffekt, Falltürme – alles dabei, nix für uns. Neben den Joggern und den eher älteren Walkern frühstücken Kindergartenkinder am See, für die Erwachsenen gibt’s ein Alpenfeeling mit Edelweiß-Bräu.
Wir machen uns auf den Weg zum Gangnam-Style-„Denkmal“. Abhaken des Pflichtprogramms. Spannender finde ich die Ampeln, die mit einem Leuchtstreifen im Boden verbunden sind. Von dort sind es noch ein paar Meter bis zu einem buddhistischen Tempel. Auch den schauen wir an und legen im Fotoalbum ab. Zurück kommen wir wieder an einem kleinen Markt vorbei und finden endlich echte „Corn-dogs“. Das sind Hotdogs, die mit Käse umhüllt und dann frittiert werden. Wahlweise gibt’s zusätzlich Kartoffel-/Brot-Würfel außenrum, noch mehr Käse, Knoblauchsoße oder oder oder. Die vegetarische Variante hat in der Mitte statt Würstchen auch noch Käse. Sehr lecker.
Zurück geht’s per U-Bahn. Da wir nicht viel fahren wollten, haben wir uns für den Kauf von Einzelfahrscheinen entschieden. Vor jeder Fahrt gibt man am Automaten (Englisch) die Zielstation ein, dann wird der Fahrpreis genannt und die Karte ausgegeben. Nachdem wir am Ziel durch die Schranke sind, müssen wir jedes Mal die Karten zurückgeben und bekommen unser Pfandgeld zurück. Komisches System.
Im Hostel gehen wir nochmal aufs Klo – dabei fällt mir ein Schild auf, dass das Klopapier bitteschön runtergespült gehört. Nachdem wir wochenlang aufs Gegenteil trainiert wurden (in den Eimer neben dem Klo), löst das doch ein wenig Schmunzeln aus. Wir schnappen unsere Rucksäcke und fahren zum Bahnhof. Erste und einzige Fahrt mit Korail nach Busan. Quer durchs ganze Land. 420km in zweieinhalb Stunden.
Am Bahnhof ist alles wieder wie in Deutschland. Man kommt hin, geht zum Bahnsteig und steigt ein. Niemand kontrolliert etwas, bevor man im Zug ist. In den meisten anderen Ländern wurde zumindest das Gepäck gescannt, meist aber auch das Ticket verlangt, bevor man überhaupt in den Bahnhof kam. Auffällig ist einzig die Lounge für südkoreanisches und amerikanisches Militär. Der Zug ist ordentlich, aber älter. Keine Steckdosen am Platz, dafür gutes kostenfreies WLAN und in der Armlehne so alte Flugzeugkopfhörerlösungen mit zwei Buchsen. Wir fahren zügig durchs Land, sehen ein paar kleinere Städte, Dörfer, herbstliche Wälder, abgeerntete Felder, manchmal Heuballen in Folie. Langsam wird es dunkel, wir bereiten uns auf die paar Stunden in Busan vor. Der Zug kommt mit ein paar Minuten Verspätung an.
Vom Bahnhof zum Hostel geht es mit der U-Bahn. Funktioniert genauso wie in Seoul, ist nur nen Tacken teurer. Sachen aufs Zimmer, noch was zu essen gesucht. Heute haben wir ein bisschen Pech, weil die Straßen, durch die wir laufen, schon im Nachtmodus sind. Wir essen schnell etwas von einer Garküche, die auch kurz vorm Zumachen ist. Später finden wir dann doch noch ne Ecke, wo man etwas üppiger und besser hätte essen können.
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Wir laufen durch Seoul und denken „Eigentlich haben sich nur die Schriftzeichen verändert“. Der Charakter unseres Viertels ist genauso wie in den chinesischen Städten. Viele, viele kleine Händlergeschäfte. Sehr viele kleine Restaurants. Straßenstände mit Essen. Da wir heute noch nicht wirklich was gegessen haben, zieht’s uns zu einem Markt. Wir probieren Reiskuchen in scharfer Soße, koreanisches Sushi und Reiswurst. Kann man alles gut essen. Hinterher dann noch zwei leckere süße Sachen. Der Hunger ist gestillt, wir sind zufrieden und haben noch ein wenig Zeit.
Bummeln weiter und kommen an mehreren Apotheken vorbei. Endlich kann ich mir ein ordentliches Mittel gegen den Fußpilz chinesischer Provenienz holen. Habe ich mir vermutlich an unserem Abend an der Mauer im öffentlichen Bad eingefangen. Und ihn dann bei gut schwitzenden Füßen und (in Shanghai) durchnässten Schuhen weiter kultiviert. Allerdings arbeite ich nun auch schon ein paar Tage mit dem Desinfektionsspray dagegen an. Mal schauen, ob’s dauerhaft weniger wird. Auf jeden Fall hat die Übersetzungsapp wieder großartig geholfen. Auf dem Weg nach Hause kommt dann noch eine Meldung aufs Handy, dass ein 82jähriger gesucht wird, inklusive genauer Personenbeschreibung (auf koreanisch). Dabei habe ich nur einen Datentarif gebucht, ohne SMS/Telefon. Offenbar werden alle in den betroffenen Funkzellen eingebuchten Handys mit solchen Infos versorgt.
Im Hostel machen wir einen Wäschebeutel fertig. Wird allerhöchste Zeit. Hier können wir für weniger als einen Euro pro Kilo waschen lassen. Drücken wir mal die Daumen, dass nicht zu heiß gewaschen wird.
Um 10.00 Uhr kommt die Wäsche fertig aufs Zimmer. Kostet zwei Euro. Kann man nicht meckern. Wir ziehen unsere frischen Sachen an und pilgern los. In einen ehemaligen Herrscherpalast. Der ist im Prinzip so angelegt wie die chinesischen Anlagen (Verbotene Stadt) auch, sieht ähnlich aus und wird von Hanbok-Kostümierten (traditionelle Tracht) bevölkert. Am Eingang sehen wir dann ein Schild, dass der Eintritt für Kostümierte frei ist. Die Ausleihe kostet aber x-mal so viel. Jedenfalls sehen die Europäer ziemlich albern in diesen Klamotten aus. Aber vielleicht bin ich einfach zu alt für sowas oder zu norddeutsch. Beim Spaziergang durchs Gelände lernen wir, dass die Japaner im Laufe der Jahrhunderte dort mehrmals brandschatzend unterwegs waren und im letzten Jahrhundert auf dem Gelände ein Verwaltungsgebäude errichtet haben. Letzteres ist wieder weg und seit 1990 wird schrittweise an der Wiederherstellung der alten Häuser gearbeitet.
Für uns sind das interessante Informationen. Die Schüler, die hier gerade Geschichtsunterricht bekommen, langweilen sich zum Teil genauso wie die unsrigen an historischen Stätten. Statt zuzuhören wird gequatscht, gerauft oder das Handy bearbeitet.
Wir verlassen den Palast und kommen in ein Wohnviertel, das als traditionelles Viertel erhalten ist. Überall Schilder, dass zwischen 17.00 Uhr und 10.00 Uhr Touristenverbot herrscht und man bitte leise sein möge. Schwierig, wenn unendliche Menschenmassen Selfies vor den Haustüren machen…
Danach geht’s in die Metro. Wir sehen Schränke mit Gasmasken und andere Notfallvorräte. Offenbar ist die Brandvorsorge hier deutlich umfangreicher organisiert oder die Kriegsgefahr mit Nordkorea spielt eine Rolle. (Die U-Bahn-Stationen sind gleichzeitig als Schutzräume ausgewiesen.) Wir setzen uns in die U-Bahn, fahren ein Stück raus und kommen ins Villenviertel. Botschaften und Häuser der Reichen wechseln sich ab. Von dort oben entdecken wir auch eine Moschee, später dann mehrere Kirchen und herbstliche Wälder in der Mittagssonne am Rande Seouls.
Der Nachmittag ist für Shopping reserviert. Marta hat sich ein paar Ecken rausgesucht, an denen sie nach Klamotten und Kosmetik gucken will. Zunächst laufen wir gemeinsam, irgendwann trennen sich aber unsere Wege. Wir verabreden uns zum Abendessen auf dem Straßenmarkt um die Ecke. Während Marta shoppt, schaue ich mir die aktuelle Männer-/Jungsmode an. Da sind schon ein paar coole Sachen dabei. Schwanke ein wenig hin und her – aber für manches bin ich dann doch schlicht zu alt. Laufe noch ein bisschen weiter und stelle fest, dass alte Viertel und glitzernde Hochhäuser ziemlich abrupt ineinander übergehen. Auch das erinnert an die chinesischen Großstädte. Allerdings erinnern die Schlangen an den Bushaltestellen (oder an besonderen Essensständen) eher an britische Traditionen - da windet sich eine Warteschlange schon mal hin und her, um den vorhandenen Platz besser zu nutzen und die Ordnung zu erhalten.
Später essen wir wieder gemeinsam leckeres Streetfood und lassen uns dann durch die Straßen nach Hause treiben.
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Etappe V Ostasien
Nun sind wir schon so lange unterwegs und doch gibt es immer wieder Neues. Heute steigen wir zum ersten Mal aufs Schiff für eine größere Strecke. Im Hafen ist die Abfertigung ähnlich den Kontrollen am Zug. Tickets, Zoll, Pass. Alles unproblematisch und entspannt. Dann kommen wir zur Fähre. Das ist schon ein ordentlicher Kahn. Wir haben eine 2er Kabine. Die war (pro Person) nur unwesentlich teurer als ne 4er. (Die großen Schlafsäle wollte ich uns nicht zumuten.) Schnell die Klamotten aufs Zimmer gebracht und einmal durchs Schiff gestreift. Gibt nen Raucherraum, Kino, Kiosk, Restaurant, Café und Karaokeräume. Später werden wir erleben, dass es offenbar für die paar Passagiere nicht lohnt, bis auf den Kiosk und den Duty-Free-Laden irgendwas Anderes aufzumachen. Und auch m Kiosk kann ich mir kein Bier mehr kaufen, da, wegen fehlenden Mobilfunknetzes?, nur in bar bezahlt werden kann. Die chinesischen Yuan reichen gerade noch für Martas Coke zero. USDollar interessieren hier keinen. Kein Beinbruch, damit sind alle Geldreserven bis auf knapp zehn Yuan (etwas mehr als ein Euro) aufgebraucht. Perfekt.
Draußen an Deck zu stehen, ist schon ein cooles Gefühl. Dann hoffen wir mal auf ein weiteres Abflauen des Windes. Von 30-50km/h kommend, sind wir mittlerweile bei 25km/h. Soll besser werden. Wir legen bereits im Dunklen ab. Langsam verschwindet die Stadt hinter dem Schiff, zum Abschied gibt’s an der Küste noch ein choreografiertes Lichterspektakel entlang vieler Hochhäuser.
Zurück in der Kabine schauen wir uns etwas genauer um. Das ist alles ordentlich in Schuss, aber reichlich alt. Das 110V-Bordnetz wird mühsam mit zwei Konvertern für Kühlschrank und Fernseher (!) auf 220V gebracht, die altertümliche „Entertainment“-Einheit hat Knöpfe für einen Fernseher, den es schon lange nicht mehr gibt. Dafür gibt es ein Radio – UKW und Mittelwelle. UKW bringt sowieso nix auf See, aber auch für MW scheint die Antenne längst abgebaut.
Als wir ins Bett gehen, ist alles ruhig. Ein unterschwelliges Ruckeln sind wir von Tausenden Bahnkilometern mittlerweile ja gewohnt. Nur unsere Betten sind brutal hart. Schlafen wie auf nem Brett. Immerhin ist die Decke dick und kuschelig, so bleiben wir warm in einer kalten Kabine. Nachts gegen 1.30 Uhr wachen Marta und ich fast gleichzeitig auf. Das Schiff ächzt in seinen Fugen und folgt dem Auf und Ab der Wellen, dazwischen immer noch mal seitliche Bewegungen. Wir haben ganz ordentlich Seegang. Marta hatte die Reisetabletten vorsorglich rausgelegt, wir schlucken beide eine. Schlafen dann bis gegen 5.00 Uhr. Dasselbe Spiel nochmal. 7.30 Uhr chinesischer, 8.30 Uhr koreanischer Zeit wachen wir gut erholt auf. Mobilfunknetz ist wieder da und wir sehen Windgeschwindigkeiten um 40km/h im Wetterbericht. Das ist nicht dramatisch, aber ordentlich. Die Sonne scheint, Land ist in Sicht, der Tag beginnt.
Gegen 12.00 Uhr ist die Fähre vertäut, fürs Anlegen muss der Kapitän sein Handwerk schon verstehen. Da wir uns strategisch platziert haben, kommen wir mit dem ersten Bus von der Fähre zum Terminal. Fast alle anderen Mitreisenden sind mit einem oder mehreren Koffern unterwegs, was deren Geschwindigkeit deutlich verlangsamt. Deshalb sind wir ganz vorn und ganz schnell durch die Quarantäne-Inspektion, den Zoll und bei der Passkontrolle. Und kommen als erste im öffentlichen Teil des Hafengebäudes von Incheon an. So schnell ging’s noch nie. Wir finden ein Taxi, das uns zur nächsten U-Bahn-Station bringt. Können mit Kreditkarte bezahlen. In der U-Bahn dann das unangenehme Erwachen. Der Automat nimmt alles Mögliche, nur keine Kreditkarten. Eine junge Frau wird auf uns aufmerksam und bietet uns an, uns zum nächsten Geldautomaten zu bringen. Der steht ca. 300m weiter in einem kleinen Kiosk hinter Pappen, die der Besitzer dort abgestellt hat. Hätten wir nie allein gefunden. Wir bedanken uns, holen unser Geld und können U-Bahn fahren. Vom Hafen Incheon bis Seoul ist das alles ziemlich einfach, dauert dann aber doch knapp zwei Stunden.
Das Hostel ist ein Self-check-in ohne Personal. Wir haben per mail den Code sowohl für die Haus- als auch die Zimmertür bekommen. Klappt alles reibungslos. Wir gehen aufs (spartanische) Zimmer, legen unsere Sachen ab und wollen schnell was essen gehen.
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Etappe V Ostasien
Wir stehen etwas später auf, ich hab‘ gestern bis in die Nacht noch die Einreiseformulare für Südkorea (und Japan gleich mit) online fertig gemacht. Draußen sind 14°C, wegen des straffen Nordwests gefühlt 6°C, sagt meine Wetter-App und gleich noch, dass für meine Hautgesundheit ein herrlicher Tag sei. Hör mir auf. Für meine Hautgesundheit ist bei solchen Stürmen meine Dachssalbe am besten. Gestern hatten wir noch 23°C – wie schnell das manchmal geht…
Als wir das Hotel verlassen, denken wir noch „ach, gar nicht so schlimm der Wind“. Bis wir um die Ecke kommen. Die Überfahrt dürfte frisch werden und vermutlich auch ordentlich schaukeln. Wir laufen nochmal durchs Viertel ums Hotel. Überall Erinnerungen an die deutsche Kolonialzeit. Eine Kirche, die Häuser, aus den Lautsprechern auf der Straße plärrt klassische Musik. Und wir finden zum ersten Mal einen richtig großen Supermarkt in China. Kann natürlich daran liegen, dass wir eher in anderen Stadtvierteln unterwegs waren. Aber dieser Markt scheint die Zukunft für China zu sein. Nahezu alles, was wir an den vielen kleinen Straßenständen kaufen konnten, gibt’s hier. Zu erschwinglichen Preisen. Und eine Reihe westlicher Produkte noch dazu.
An einer Schule stehen zig gelbe Schulbusse hintereinander, auf dem Schulhof ist entweder gerade Pause oder Sport. Zu Musik wird Seilspringen geübt, entspannte Lehrer und entspannte Kinder. Nochmal runter zum Strand – da ist gerade Ebbe und wie überall auf der Welt werden nun Muscheln und Krabben gesucht. Die Seebrücke ist voll mit Menschen, die bummeln und zugucken. Offenbar sind doch reichlich Touristen hier. Wir hören auch ein paar Worte deutsch. Und während die Selfie-Jäger bis an die Wasserkante klettern, stehen drei Polizisten oder Heimatschutzleute mit Megafonen in der Nähe und rufen ständig Ermahnungen in die Seeluft.
Da wir nun noch ein wenig Zeit haben, fahren wir nochmal in die Innenstadt und wollen mir eine neue Handy-Hülle besorgen. Wir nehmen die U-Bahn, kaufen Marta ein Ticket und testen, ob mein Restguthaben aus Peking funktioniert. Tut es. Damit kann ich auch dieses Konto fast komplett leer machen. In der Stadt kaufen wir die Handy-Hülle und füllen nochmal ein alkoholfreies Bier auf. Diesmal Blaubeere. Schmeckt wie die rote Brause aus DDR-Zeiten und hat mit Bier nix zu tun. Zu Mittag essen wir noch einen chinesischen Burger und holen uns was Süßes für danach. Wir fahren zum Hafen, holen uns unsere Bordkarte und warten aufs Einchecken.
Heute verlassen wir also China, von dem wir nach ca. 9.000 Bahnkilometern ein paar Ecken kennengelernt haben. Ein modernes Land, in dem Digitalisierung gelebte Realität ist, in dem wir uns sicher gefühlt haben, auf durchweg nette und hilfsbereite Menschen getroffen sind und in dem Busse, Bahn und Metro reibungslos funktionieren.
Aber auch China wird in wenigen Jahrzehnten die Infrastruktur genauso erneuern müssen, wie heute Deutschland. Wie das Land das hinbekommt, bleibt abzuwarten. In einigen Unterführungen oder auch an Brücken sind erste Schäden schon zu sehen. Zudem führt die rasante Digitalisierung zu einem schnellen Ausmustern von zB Fahrkartenautomaten (U-Bahn), die nun nicht mehr gebraucht werden. Es bleibt spannend.
Bei uns wird die Gefahr des „gläsernen“ Bürgers immer als Drohszenario aufgezeigt. Da ist natürlich was dran. Zum Teil scheint mir das aber auch schlicht ein Argument der Veränderungsunwilligen. Wie selbst wir als Ausländer das Ineinandergreifen der Bezahlsysteme, Buchungen für Hotels/Züge/Flüge/Fähren/… erleben, ist faszinierend. Eine App auf dem Handy lädt mehr oder weniger automatisch all die Daten hoch, die für die täglichen Aktivitäten nötig sind. Und am Ende legt man nur noch seinen Personalausweis auf die Schranken zu U-Bahn, Fern- oder Nahverkehr, auch in Hotels oder bei gebuchten Ausflügen.
Bei uns mag das nicht so systematisch automatisiert sein, aber in Hotels musste man sich bis vor kurzem auch mit Namen und Adresse anmelden, bei Flügen ist das ohnehin Pflicht und wer Bankkarten benutzt, ist auch komplett nachverfolgbar. Das Finanzamt kann ohnehin auf sämtliche private Konten schauen. Lächerlich wird die Diskussion, wenn man auf Datenschutz pocht und bei google, Apple, amazon usw. all seine Aktivitäten speichert. Insofern – etwas weniger Angst vor Missbrauch, dafür aber zügige Digitalisierung. Damit kann so viel erleichtert werden.
Bezüglich Elektromobilität bin ich nach den zwei Wochen China sicher, dass dies die Zukunft ist. Die Autos sind leiser, abgasfrei und technisch auch noch viel einfacher als Verbrenner. In den Städten ist die Luft deutlich besser, allein das ist ein Zugewinn an Lebensqualität. Dass es dafür einen Ausbau der Energieinfrastruktur braucht, ist sonnenklar. DAS müsste jetzt der Fokus in Europa sein.
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Etappe V Ostasien
Mit neuer Entspanntheit fahren wir vom Fährterminal direkt in die Stadt. Marta hat mal wieder eine Straße mit einem (Essens)Straßenmarkt ausfindig gemacht. Diesmal nehmen wir das Taxi – für die U-Bahn bräuchten wir eine neue App, die wir aber nirgendwo finden. Wir schlendern an den Ständen vorbei und werden wieder deutlich häufiger mit großen Augen und verstecktem Kichern angeguckt als in Shanghai. Offenbar verirren sich nur wenige westliche Touristen hierher. Uns ist’s egal, wir probieren einen Seeigel, ein Brot, in das Durian (eine Stinkfrucht) eingebacken ist und zwei unbekannte Süßspeisen. Das ist kulinarisch doch schon mal ein schöner letzter Abend in China.
Nun noch zum Strand, schließlich sind wir ja am Meer. Dafür nehmen wir aber wieder den Bus, mittlerweile hat Marta die Buslinien geprüft und festgestellt, dass Alipay zwar nicht für die Metro, aber trotzdem für den Bus funktioniert. Und während wir so fahren, kommt mir eine Beobachtung während der Taxifahrt in den Kopf. Da sind wir an einer Brauerei vorbeigefahren, mit vielen grünen Dosen auf dem Dach. Hier lese ich jetzt an nahezu jeder Ecke „Tsingtao“ und weiß natürlich, dass dies die bekannteste Biermarke in China ist (gibt’s manchmal in Deutschland auch). Und plötzlich macht es Klick – Qingdao ist in der deutschen Aussprache Tsingtao. Die deutschen Kolonialtruppen waren Ende des 19. Jahrhunderts hier, haben vermutlich mit dem Bierbrauen angefangen und auch im Straßenbild europäisch anmutende Häuser hinterlassen, die im Moment schon eigenartig weihnachtlich beleuchtet sind. Ist aber vielleicht das ganze Jahr über so...
Sofort machen die vielen Zapfhähne in der Stadt Sinn. Überall kann man sich sein Bier holen. Nicht nur das normale Tsingtao, sondern diverse andere Geschmacksrichtungen auch. Gibt’s alles frisch gezapft halbliterweise in kleinen Plastikflaschen. Nicht so richtig stilecht, aber für unseren Abend reicht‘s. Ich trink‘ mein erstes Halbes zügig aus, während Marta nahezu alkoholfreies „Kirschbier“ probiert. Wir bummeln die Seebrücke entlang und sind wieder einmal pünktlich zum Lichterspektakel am Strand. Auf dem Weg an die Spitze können wir noch Männer mit dicken Scheinwerfern vorm Kopf beobachten, die mit Keschern die eine oder andere Krabbe aus dem Meer holen.
Später lasse ich nochmal mein Bierfläschchen auffüllen, hole mir ein dunkles Brötchen (das aber süß schmeckt) und genieße beides, während ich diese Zeilen tippe.
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Etappe V Ostasien
7.00 Uhr aufstehen, 8.00 Uhr rüber zum Bahnhof laufen (haben das Hotel extra neben dem Bahnhof gewählt), ein milder, sonniger Sonntagmorgen. In den Bahnhof strömen schon reichlich Menschen. Unser Zug ist so rappelvoll, dass die Einsteigezeit knapp wird. Zum ersten Mal haben wir Verspätung – fünf Minuten bei der Abfahrt. Wir fahren nach Qingdao. Eine Hafenstadt, gute 1.000km entfernt, von der aus die Fähre nach Incheon in Südkorea abfahren soll.
Hoffentlich bekommen wir Tickets, hoffentlich fährt die Fähre. Es war unmöglich, übers Internet irgendwas zu buchen. Wir sind darauf angewiesen, alles vor Ort zu regeln. Fühlt sich nicht so gut an. Hinzu kommt, dass für den Montag Windgeschwindigkeiten von 30-50km/h vorhergesagt sind. Das würde ganz ordentlich schaukeln, wenn denn gefahren wird. Und zu guter Letzt hat uns das Auswärtige Amt gerade eine mail geschickt (wir sind auf der ELEFAND-Liste für u.a. Südkorea registriert), dass ein neuer Atomwaffentest des Raketenmannes rund um die US-Wahlen denkbar ist. Es ist wie verhext – als Lea und ich 2017 auf Tour waren, wurde zwei Tage vor unserer Einreise nach Nordkorea der bisher letzte Test gezündet. Jetzt sind Marta und ich in der Region und das Ganze geht schon wieder los. Na, mal sehen, ob und wann wir nach Südkorea kommen…
Erstmal müssen wir aber nach Qingdao. Als wir ein Stück aus Shanghai raus sind, fangen die Reisfelder an und hören nicht mehr auf. Mal größere, meist kleinere. Die einen abgeerntet, auf den nächsten wird gerade geerntet, dann gibt es welche, auf denen steht schon wieder sattes Grün und welche, auf denen gerade gesät wird. Es ist alles zu sehen – der Sämann, der zu Fuß übers Feld läuft, Handkarren, Motorpflüge, hinter deren einem Schar der Bauer lenkt, festgefahrene Traktoren, kleine Mähdrescher für die Reisfelder. Weiter nördlich lösen dann langsam Maisfelder den Reis ab. Außerdem sehen wir viele Baustellen. Brücken, Straßen, Wohnhäuser, Lagerhallen. Viel Unfertiges, allerdings wird auch am Sonntag auf den meisten Baustellen gearbeitet.
Der Zug fährt in der Spitze wieder 250km/h. An den einzelnen Bahnhöfen ist heute die Hölle los. Macht es schwer, die Verspätung wieder rauszuholen. Am Ende haben wir knappe 10 Minuten Verspätung. Ist also noch n bisschen was dazu gekommen. Wir laufen zum Hotel. Auch hier habe ich auf Bahnhofsnähe geachtet, wir sind ja nur kurz auf der Durchreise. Einchecken läuft wie immer problemlos, jetzt zum Hafen. Der erste Taxifahrer setzt uns falsch ab, das steigert schon mal die Nervosität. Der zweite bringt uns dann zum richtigen Fährhafen. Aber wo kann man Tickets kaufen?
Wir suchen und suchen. Fragen und fragen. Keiner weiß Bescheid. Dann finden wir jemanden, der uns per App sagt, dass er wüsste, mit welcher App man buchen könne, aber nicht, wo man die Tickets kaufen kann. Ich bedanke mich und sage ihm, dass ich keine chinesische Telefonnummer hätte und deshalb die Bucherei per App nicht klappen würde. Wir suchen weiter und finden endlich jemanden, der uns zeigt, wo wir die Tickets kaufen können. Allerdings erst morgen früh ab 09.30 Uhr. Immerhin. Aber bis dahin bleibt halt die Anspannung hoch.
Dann gehe ich nochmal zum App-Empfehler zurück und bitte ihn, mir die App zu zeigen. Gibt’s nicht im App-Store bei Apple. Letzter Versuch: WeChat. Er zeigt mir die App. Alles auf Chinesisch. Ich bedanke mich. Mühsam übersetzen wir per Handyfoto und Google-Übersetzer und per eingebauter WeChat-Übersetzung und schaffen es am Ende tatsächlich, unsere Tickets zu buchen. Die ganze Anspannung ist weg, jetzt kann ich mich doch noch auf die Stadt einlassen.
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Etappe V Ostasien
Wir ziehen den Vorhang auf – es ist leicht bedeckt bis sonnig bei angenehmen 22°C. Beste Voraussetzungen für unsere Tagestour. Zunächst schauen wir im Yu Garten vorbei. Eine wunderbare Anlage mit alten chinesischen Gebäuden, Steinkunst und viel Wasser. Egal ob in Europa, im Nahen oder im Fernen Osten – die Herrscher wussten, wie sie es sich schön machen konnten. Hier in Shanghai erleben wir dann auch wieder Touristen aus aller Welt, überall ist deutsch, russisch, französisch, spanisch/portugiesisch zu hören. Bei den anderen Sprachen bin ich nicht sattelfest, aber Inder waren in jedem Fall auch dabei.
Nach dem Garten geht’s zum Bund, der Promenade am Wasser aus kolonialen Zeiten. Da wir bisher in China noch nicht Fahrrad gefahren sind, holen wir das endlich nach. Die Gelegenheiten werden rarer. Mit unserer Alipay-App sind auch Fahrräder schnell freigeschaltet, so dass wir ein Stück durch Shanghai radeln können. Am Bund angekommen, erinnere ich mich an alte Zeiten. Marta war vier Monate alt, ich für drei Monate in Shanghai und wenn am Sonntag mal Luft blieb, bin ich einfach ans Wasser und hab mich dort hingesetzt. Es dauerte nie lange bis ich von chinesischen Gruppen angesprochen wurde, ob ich mit den Einzelnen mal ein Foto mit Pudong (Stadtteil auf der anderen Flussseite) im Hintergrund machen könne. Klar. Nach dem 25ten oder 30ten Foto hat es mir dann aber regelmäßig gereicht. Die Zeiten sind längst vorbei. Ausländer sind selbstverständlich und gehen im Strom der Menschen unter.
Vom Bund laufen wir die Nanjing Einkaufsstraße runter. Menschenmassen überall, Samstagnachmittag halt. Wir schauen kurz bei Huawei rein – der Laden ist wie ein Apple-Store aufgemacht, nur dass gleich noch vier Autos drinstehen. Hab mir schonmal den SUV (AITO M7 Pro; Hybrid) angeschaut. Könnte ja irgendwann das nächste Auto werden. Sehr chic, allerdings ist die Ladekante ziemlich hoch, das könnte für die Jagd etwas problematisch werden… Wenn man aber auf die Antriebstechnik in nem Voll-Elektro-Auto schaut, wird irgendwie klar, dass Elektromobilität höchstens durch fehlende Ladepunkte aufgehalten werden kann. Aber niemals mehr gestoppt.
Mittlerweile haben wir Hunger. Auf dem Weg zu einem empfohlenen Restaurant gucken wir noch bei Li-Ning rein, einer von zwei mittlerweile sehr großen chinesischen Sportmarken. Die haben echt coole Klamotten. Aber unser Platz im Rucksack ist begrenzt. Wir können nur gucken.
Im Restaurant bestellen wir mehrere Kleinigkeiten und genießen es, mal wieder mit Zeit und Ruhe zu essen. Schmeckt alles, die Erdnuss-Portion ist allerdings etwas groß geraten. Mittlerweile ist die Sonne untergegangen. Wir wollen nochmal zurück zum Bund. Marta hat wieder eine Busverbindung rausgesucht – klappt alles bestens. Kurz vor sechs stehen wir in Menschenmassen und schauen rüber nach Pudong. Dort werden um 18.00 Uhr die „Lichter angeschaltet“. So’ne Großstadt am Wasser hat schon was. Es macht Spaß, sich einfach nur hinzusetzen, die Menschen zu beobachten und an einem leicht kühlen Herbstabend auf die beleuchtete Skyline der Stadt zu schauen.
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Etappe V Ostasien
Der Zug ruckelt durch die Nacht. Diesmal spüren wir etwas mehr, dass wir Bahnfahren. Schlafen trotzdem gut und werden kurz nach 7.00 durch Lautsprecherdurchsagen geweckt. Langsam aufstehen, einen Tee aufsetzen und schauen, wie das Wetter in Shanghai wird. Regen. Für heute durchgehend angesagt. Und eine Taifunwarnung gibt’s noch obendrauf. Na, mal schauen. Erstmal den Tee trinken.
Wie immer kommen wir pünktlich auf die Minute an. Steigen in die U-Bahn – AliPay stellt wieder auf Shanghai um, es funktioniert reibungslos – und laufen dann in den totalen Regen. Die paar Meter vom U-Bahn-Ausgang bis zum Hoteleingang (150m) reichen, um unsere Hosen zu durchnässen. Noch schwieriger ist es aber mit den Schuhen. Es fließt so viel Wasser über die Straßen, dass die Schuhe nicht nur durch den Regen sondern auch durch tiefe Pfützen (von oben) durchweichen. Wir gehen kurz aufs Zimmer und beratschlagen. Da wir nur anderthalb Tage in Shanghai haben, ziehen wir los.
Kaufen als erstes einen billigen Regenschirm, der ein wenig Schutz gibt und fahren dann Bus zum französischen Viertel. Marta findet die Busrouten irgendwie per Handy. Das Viertel ist immer noch nett anzusehen, viel Regen erhöht allerdings nicht dessen Charme. Aber kleine Sandsäcke an einigen Türen signalisieren, dass man sich auf Schlimmeres einstellt bzw. erwartet hat. Wir fahren nochmal Bus – nach Xintiandi. Hier hat vor ziemlich genau 21 Jahren bei einer Flasche lauwarmen Champagners um 3.00 Uhr morgens Stratley seinen Anfang genommen, ohne dass wir selbst es schon wussten. Da es immer noch massiv regnet, bleiben wir nicht lange und entscheiden uns, schnell was zu essen. Diesmal endlich den Duckburger von Tastien. Wollte ich schon immer probieren, ist aber in den letzten Tagen untergegangen. Wir brauchen länger als gedacht, um eine Filiale zu finden, am Ende klappt es aber. Der Burger schmeckt, von der Ente merkt man ob der vielen Gewürze (dominant: Kreuzkümmel) aber nicht viel.
Da unsere Füße mittlerweile bei jedem Schritt schmatzend in den nassen Schuhen stöhnen, fahren wir zurück ins Hotel. Und versuchen notdürftig, unsere Sachen zu trocknen. Die Schuhe bekommen eine Dauerheißluft aus dem Fön, die Hosen und Socken hängen unter der laufenden Klimaanlage. Bis zum Abend sind die Schuhe einigermaßen einsatzfähig, die Hosen ok und die Socken weiter komplett durchnässt. Wir entscheiden uns für ein kleines schnelles Abendessen ums Eck und ziehen die gerade gekauften Latex-Überzieher über die Schuhe. Die halten an diesem Abend, wir kommen trockenen Fußes wieder nach Hause und hoffen auf besseres Wetter.
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7.00 Uhr aufstehen, 8.00 Uhr durch die menschenleere Partymeile laufen und auf das Sammeltaxi warten, 9.30 Uhr sind wir wieder zurück in Guilin, der nächstgrößeren Stadt. Wir haben ein paar Stunden Zeit, bis wir zum Nord-Bahnhof müssen, von dem aus der Zug nach Shanghai fährt. Erstmal eine Gepäckaufbewahrung gesucht – unsere chinesischen Mitreisenden vom ersten Zug nach Ürümqi hatten uns schon gezeigt, wie’s geht. Klappt auch hier in einem normalen Allerwelts-Kiosk.
Danach spulen wir unsere Routine ab – ein, zwei Sehenswürdigkeiten, unterwegs was essen. Hier gibt’s eine Pagode und einen „Elefanten“felsen als Besonderheiten. Naja. Interessanter sind da schon die im Park tanzenden älteren Damen. In jedem Fall brennt die Sonne unbarmherzig und ich verstehe zum ersten Mal, dass die aufgespannten Regenschirme auch bei Sonne echten Schutz bieten. Die Lufttemperatur ist durch den nahen Fluss und den Wind sehr angenehm und gut auszuhalten.
Dann zurück zum Bahnhof. Für unseren Zug werden Wagen 1-8 angezeigt. Auf dem Bahnsteig kleben dann für drei unterschiedliche Zuglängen die jeweiligen Wagennummern – in unterschiedlichen Farben. Wir stellen uns an die 7 (bei 1-8). Passt. Der Zug hält punktgenau mit der Tür für den richtigen Wagen. Auf diese Weise hat man die Passagiere genau dort, wo sie hingehören und das Einsteigen geht trotz viel Gepäcks ziemlich schnell.
Das Umsteigen am Nord-Bahnhof klappt problemlos, wir machen’s uns in unserem etwas plüschigen Schlafwagen bequem und essen Papaya, Maracujas und Horngurke (sieht aus wie ne stachelige kleine Papaya).
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Etappe V Ostasien
Wie es sich für einen ordentlichen Urlaubsort gehört, steppt hier abends der Bär. Essen kann man an diversen Straßenständen, in Restaurants oder auf Food-Märkten. Souvenirs gibt’s rauf und runter, Klamotten, Schuhe und Tee sowieso. Interessanterweise aber auch Massagen, Fußmassagen/Pediküre, Ohr-Akupunktur, Fußpflege im Fischbecken. Und Schießstände mit Gummikugeln auf Luftballons oder Punkte.
In den Bars spielt überall Live-Musik. Die Musiker müssen teilweise vor einem oder zwei Gästen singen. Hartes Brot. So richtig nach Bar ist uns nicht, wir essen Streetfood. Ich hole mir einen gegrillten Bauchspeckstreifen, dem ich beim vierten Vorbeilaufen dann nicht mehr widerstehen konnte.
Morgens machen wir uns auf den Weg, um einen Fahrradverleih zu finden. Wir wollen ein Ründchen am Fluss fahren und uns noch ein/zwei Attraktionen anschauen. Nur ist das mit dem Fahrrad nicht so einfach – meine Kenntnisse zum Touristenleben in Guilin stammen aus 2003. Mittlerweile ist nahezu alles auf Elektroroller umgestellt. Marta wollte ohnehin gern mit so nem Ding fahren, ich hatte ein wenig Sorgen ob unserer Ungeübtheit im chinesischen Verkehr. Na ja, jedenfalls leihen wir uns dann doch zwei Roller aus, bezahlen pro Roller ca. vier Euro Tagesmietgebühr und hinterlegen 30 Euro Kaution. Die Finanzen werden komplett per App geregelt, der Rest mit Zeichensprache. Auf beiden Seiten niemand, der die Sprache des Anderen versteht. Es braucht beidseitig schon etwas Vertrauen und guten Willen, damit solche Geschäfte zustandekommen.
Wir fahren erstmal ein paar hundert Meter eine ruhige Straße entlang und wollen uns mit dem Roller vertraut machen. Was bei den Basisfunktionen gelingt, bei anderem - zB losfahren nach dem Parken - erst viel später. Mutig geworden, stürzen wir uns ins Getümmel und stellen fest, dass trotz des teilweisen Chaos die Verkehrsteilnehmer doch aufeinander achten. Am Ende wird es eine coole Ausfahrt. Wir kommen bei Bambusflößen vorbei, auf denen es sich Touristen bequem machen, an mehreren Reisfeldern, die auch als Selfie-Hotspots beliebt sind, werden zu Schiffsfahrten angesprochen und sehen Eingänge zu irgendwelchen Höhlentouren und Werbung für Hubschrauberrundflüge. Touris werden hier nahtlos mehrere Tage am Stück beschäftigt und um ihr Geld gebracht. Es fällt auf, dass trotz des vielen Verkehrs keine Abgasglocke über der Stadt und den Straßen hängt. Elektromobilität zeigt diesbezüglich schon deutliche Wirkung.
Heute sehen wir auch eine Menge westlicher Touristen. Entweder als Reisegruppen oder auf Fahrrädern. Weiß der Teufel, wo sie die her haben, vermutlich sind sie in Hotels für westliche Gäste abgestiegen, die für diese spezielle Kundschaft noch Räder anbieten. Wir freuen uns über unsere Roller-Entscheidung, auch wenn wir kaum mehr als 20 oder 25km/h fahren. Als wir zurück im Städtchen sind, nutzen wir die Kleinmotorisierung und fahren schnell zum lokalen Obstmarkt. Kleine und große Maracuja gekauft, Kumquats, eine Mango. Gibt noch mehr exotische Sachen, selbst Bananen wachsen hier. (Abends kaufen wir noch eine Black-Tiger-Frucht [Kadsura coccinea].)
Danach geben wir den Roller zurück, kurze Inspektion und die Kaution wird anstandslos auf unser WeChat-App-Konto zurückgezahlt. Einziges Thema: das ist jetzt ein Guthaben, das wir aufbrauchen müssen. Aber wir haben ja noch ein paar Tage in China. Morgen geht’s mit den Zug nach Shanghai. Nochmal 1.500km Bahn.
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Der Vorortzug, der uns von einem der drei Bahnhöfe Guilins zu einem anderen bringen soll, fährt ebenfalls schlappe 250km/h. Nach 20 Minuten sind wir am Ziel. Nun wird’s spannend, wir wollen mit dem Bus weiter und können immer noch kein Chinesisch. Finden tatsächlich den Busstand und beim Ticketkauf bekommen wir wieder einmal nette Hilfe. Am Ende sind wir tatsächlich in Yangshuo. Das ist ein komplett auf Touristen eingestellter Ferienort für Chinesen. Nach der Wasserstadt ist dies der zweite Stop, um neben den Großstädten auch die Urlaubsorte Chinas kurz zu streifen.
Guilin ist für die Karstformationen der Berge bekannt, unser Örtchen liegt mittendrin. Das etwas schwer zu findende Hotel entpuppt sich als sehr nette Herberge. Ich hatte noch umgebucht – Glück gehabt. Gut geschlafen und entspannt machen wir uns morgens auf den Weg zu einer Teeplantage. Leider konnten wir vorher nicht viel rausfinden. Es werden englischsprachige Touren für vergleichsweise viel Geld ab und bis Hotel angeboten. War uns zu teuer, also fahren wir auf eigene Faust mit didi (chinesisches Uber) und werden nett empfangen. Unsere Führung erfolgt auf Chinesisch, mit dem Handy als Übersetzer. Geht auch. Wir laufen durch die Plantage, lernen, dass die Teebäume jährlich geschnitten und 24 Jahre geerntet werden, ernten selbst etwas Tee und werden in die Produktion von grünem Tee eingeführt. Bei 200°C werden die frisch gepflückten Blätter in einer heißen Stahlschüssel mehrfach gewendet und bewegt, danach wird mit den Händen eine Kugel geformt, durch kreisende Bewegungen und Druck werden die Zellhüllen in den Blättern zerstört. Dann kommt der Tee nochmal für 40 Minuten in eine 110°C Trockenkammer. Das war’s. (Weißer Tee wird an der Luft getrocknet. Schwarzer erst an der Luft getrocknet, dann mechanisch bearbeitet, dann nochmal getrocknet.)
Während unsere Pflückung trocknet, bekommen wir Tee serviert. Erst weißen (Wasser 95°C), dann grünen, dann schwarzen (Wasser jeweils 80-85°C), zum Schluss Osmanthus – eine Mischung aus grünem und Teeblüten. Weißen Tee kann man bis zu 8x aufgießen, da sind dann auch höhere Preise vertretbar.
Wir essen vor Ort Mittag und wollen dann mit dem Taxi zurück in den Ort. Da gibt es dann gleich noch eine Lektion Marktwirtschaft bzw. Monopolanbieter gratis. Mit unserer App bekommen wir nicht ein einziges Taxi gerufen. Keiner will in die Pampa fahren. Dafür bietet die Teeplantage an, uns für den zweieinhalbfachen Preis der Hinfahrt ein Rück-Taxi zu organisieren. Da kann man dann einmal kurz zucken, nochmal einen ergebnislosen App-Versuch unternehmen – am Ende schlägt man ein. Vermutlich hat uns ein Neffe oder Schwager oder sonstwer ins Städtchen gefahren. Und doch lagen wir mit Führung, Essen, gekauftem Tee und Taxi in Summe beim Preis für eine Person mit englischer Führung und Transport ab/bis Hotel.
Für den Nachmittag hat Marta noch eine andere Attraktion gesucht, zu der wir ebenfalls mit dem Taxi müssen. Es geht mit der Seilbahn ziemlich hoch rauf auf einen der Karstberge. Herrliche Aussicht schon unterwegs aus der Gondel. Oben ist ein Rundkurs zwischen mehreren Bergen eingerichtet – dafür läuft man über eine Hängebrücke, klettert dann auf einen Gipfel und muss danach über eine Glasbodenbrücke. Freier Blick nach unten. Und wem das noch nicht gereicht hat, der kann nochmal über eine Glasbodenbrücke an der steilen Felswand ein Stück weiter. Man läuft auf diesen Dingern automatisch vorsichtiger. Als wir mit der Gondel unten wieder ankommen, kommt so ein leichter Nervenkitzel auf, ob es diesmal mit dem Taxi klappt. Es klappt. Offenbar warten direkt in der Umgebung immer ein paar Jungs, so dass wir innerhalb von zwei Minuten zu nem fairen Preis wegkommen…
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Den letzten Abend haben wir nochmal auf dem Straßenmarkt verbracht. Marta wollte unbedingt bestimmte Nudeln probieren, ich gefüllten Pansen und glasierte Hähnchenschenkel. Gewollt, gemacht. Es kamen noch ein paar andere Kleinigkeiten dazu. Wir haben reichlich probiert, einiges hat nicht geschmeckt, vieles war gut. Für uns beide, die wir so gern Neues ausprobieren, war der Markt an allen drei Tagen eine Offenbarung. Aber es hilft nichts, wir verlassen jetzt Xi'an Richtung Guilin.
1.900km mit dem Schnellzug. Diesmal sind 10 h geplant. Es geht um 06.00 Uhr raus, der Zug fährt um 08.08 Uhr. Als wir den Bahnhof nach Pass- und Sicherheitskontrolle betreten, denke ich wieder nur „Man, ist das alles wieder groß.“ Eine riesige Halle mit Bahnsteigzugängen auf beiden Seiten. Wartebereiche in der Mitte und irgendwelche Massagesitze an den Seiten. Business- und VIP-Lounge für die besonderen Fahrgäste, einen eigenen Service- und Wartebereich für Militärpersonal. Und alle Informationen auf der Anzeigetafel nur in Chinesisch. Glücklicherweise haben die Züge Nummern. Zum Bahnsteig kommen wir wieder nur mit unserem Ausweis. Wer bei der Buchung einen Zahlendreher in der Passnummer hat, ist verloren. Im Zug gibt’s wieder viel Beinfreiheit, allerdings diesmal nur eine Steckdose für zwei bzw. drei Sitze. Die normale Fahrkarte kostet 100€ in der zweiten Klasse.
Draußen fliegt das Land vorbei (heutige Spitzengeschwindigkeit knapp 300km/h) und wird immer grüner. Offenbar regnet es hier mehr und ist wärmer. Die Landschaft bleibt hügelig mit endlosen Tunnelkilometern. Im Tunnel gibt es auch in China meist keinen Mobilfunkempfang.
Immer, wenn draußen die Tunnelwände die Aussicht verdecken, bleibt ein wenig Zeit, weitere Eindrücke aufzuschreiben. Bei den Stadtbummeleien ist uns aufgefallen, dass öffentliche Toiletten ziemlich reichlich vorhanden und vor allem auch gut ausgeschildert sind. Macht das Leben deutlich leichter.
Die jungen Mädchen/Frauen, die wir mit ihren Cosplay-Kostümen oder auch nur einfachen Selfies vor roten Wänden oder historischen Sehenswürdigkeiten gesehen haben, haben häufig weiß abgedeckte Haut. Offenbar kommt hier ein altes Schönheitsideal zurück. Zudem fallen die vielen jungen Brillenträger auf.
Und wenn ich über diese ganze Drängelei nachdenke, kann ich dem durchaus was Positives abgewinnen. So nervig es auch ist, dass beim Einsteigen in die U-Bahn echte Sprints stattfinden, um sich auf leere Plätze fallen zu lassen, so sehr bleibt doch ein kompetitiver Geist in der Gesellschaft vorhanden. Und schützt (vorerst) vor der in Deutschland eingezogenen Schläfrigkeit und der mangelnden Wettbewerbsbereitschaft in allen Bereichen des Lebens. Dynamische Gesellschaften sind deutlich besser zukunftsgerüstet.
Und noch eine letzte Beobachtung. Sowohl in Peking als auch Xi’an hab ich an den Sehenswürdigkeiten bestens gepflegte und intakte Buchsbaumhecken gesehen. Wenn ich da an meine leidenden Bäumchen denke, die vom chinesischen Buchsbaumzünsler jahrein jahraus traktiert werden…
Nach Hunderten Tunnelkilometern kommen wir bei 25°C in Guilin an. Steigen auf einen Regionalzug um. Auch hier alle Informationen nur in Chinesisch, aber mittlerweile kennen wir das Prozedere ja. Suchen unsere Zugnummer und versuchen all die anderen Zahlen, die da so stehen, in eine sinnvolle Ordnung zu bringen – Eingang (1-5), Bahnsteig, Wagennummer. Dann den Pass rausgeholt und zur Schlange mit dem Einlassbeamten. Für den normalen chinesischen Passagier öffnet der Personalausweis eine der diversen automatischen Schranken.
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Etappe V Ostasien
Zum Abend geht’s wieder auf den Straßenmarkt. Marta möchte gern Hotpot essen, eine Art Fondue. In kochende Brühe, die zum Teil mit Chiliöl/Gewürzen angereichert ist, werden Gemüse, Fleisch, Fisch usw. eingetaucht und dann mit nem Erdnussdip (gibt auch andere) gegessen. Es war echt schwer, einen Platz zu bekommen, weil der Hotpot irgendwie die Lieblingsvariante der chinesischen Abendesser zu sein scheint. Am Ende hat’s aber geklappt und war – entgegen meiner Erwartung – auch sehr gut.
Zurück im Hotel habe ich dann noch ein bisschen nach vorn geschaut und leichte Panik bekommen, weil die koreanischen und japanischen Züge mit drei bis vier Tagen Vorlauf ausgebucht bzw. nicht buchbar waren. Eigentlich war der Plan, kurz vor der Fahrt zu entscheiden, welchen Zug wir nehmen. Also habe ich mich um den koreanischen Zug gekümmert – was mit App runterladen und nicht-koreanischen Zahlungssystemen mehr als zwei Stunden gedauert hat. Jetzt aber fertig ist. Bleibt Japan.
Morgens haben wir wegen der vorangegangenen Nachtschicht etwas länger geschlafen und sind dann wieder einmal los, um uns durch die Stadt treiben zu lassen. Auch in Xi’an funktioniert die Metro-Bezahlung mittels Alipay-App. Lediglich die Stadt muss neu eingestellt werden und die Bedingungen des Metrobetreibers akzeptiert. Los geht’s. Und sind wieder Elektroinstallationen aufgefallen, die den deutschen Elektriker zum Weinen bringen, Mopeds mit Kälteschutz für den Fahrer/Mit-, modernste Gebäude neben abrissreifen Vierteln, ein mächtiger Prachtboulevard, auf dem kaum Leute unterwegs sind (heute ist Sonntag), ein Wasserfall in einem Konsumtempel und eingezäunte und bewachte Wohnviertel. Auch hier erfolgt also langsam die Trennung der Reichen vom Normalvolk.
Wir laufen durch ein Viertel, das als kulturelles Denkmal ausgewiesen ist. De facto sind das alte Häuser mit Souvenirshops, so dass das gesamte Viertel ein einziger großer Bilder-/Pinsel-/Stempel-/Tineff-Markt ist. Vielleicht ist das ja die einzige Möglichkeit, solche Viertel zu erhalten. Wir Touristen haben so eine komische Sehnsucht nach dem Alten, Vergangenen, das in Wirklichkeit ein hartes Leben dargestellt hat. Na ja. Nachdem ich vor vielen Jahren meinen Hunger nach chinesischem Kleinkram ausreichend gestillt habe, beobachte ich mit einem Schmunzeln, wie Marta von diesem ganzen chinesischen Touristenkram in den Bann gezogen wird. Wunderschöne Kalligrafien, dazugehörige Pinsel, Tuschen, Stempel, Stempelfarben etc. Liegt bei uns alles schon im Keller – und noch mehr…
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Etappe V Ostasien
15.00 Uhr ist Abfahrt, 19.28 Uhr (auf die Sekunde) Ankunft in Xi’an. Dazwischen liegen gute 1.200km. Der Zug fährt wie auf nem Luftkissen, es ist nichts zu spüren, obwohl in der Spitze 349km/h erreicht werden. Die Beinfreiheit an den Sitzen in der zweiten Klasse ist super, Steckdosen gibt’s an jedem Platz, Essen und Getränke kann man von einem Wagen kaufen, der immer mal wieder am Platz vorbeikommt. So geht bequemes Reisen, das Ticket kostet allerding auch 80€ pro Person.
In Xi’an müssen wir von der U-Bahn-Station nur ein paar Meter bis zum Hotel laufen. Um’s Eck beginnt ein endloser abendlicher Food-Market. So richtig Hunger haben wir nicht, probieren aber hier was, lassen uns dort Pilze, Tofu und Tintenfisch auf den Grill legen und enden mit einer Reis-Bohnen-Dattel-Backpflaumen-Süßspeise. Ein super Start in Xi’an!
Morgens machen wir uns sofort auf den Weg zur Terrakotta-Armee. Wie immer mit den Öffentlichen (solange es sinnvoll geht). Hier heißt das zweimal U-Bahn und zum Schluss Bus. So können wir besser beobachten und es fällt uns auf, dass wir hier zum ersten Mal Paare sehen, die Vertrautheit und körperliche Nähe (Anlehnen, Anfassen) in der Öffentlichkeit leben.
Bei den Terrakotta-Kriegern stellen wir uns nach Tickets an (wir haben aus Peking gelernt) und bekommen auch ohne großen Stress welche. In den drei Ausstellungshallen ist dann die Hölle los. Menschen ohne Ende, chinesisches Gedrängel in allerfeinster Ausprägung. Man wundert sich, wie schnell man selbst zum Zwei-Zentner-Schieber wird…
Die Krieger sind in ihrer Dimension einfach überwältigend. Es sollen um sechstausend sein, die da im Schutt lagen bzw. noch liegen. Unterschiedlich in Uniform, Haar, Gesicht, Schuhen, ihrer Aufgabe in der Armee usw. Quasi sechstausend lebensgroße (!) Einzelstücke, die getöpfert, gebrannt und bemalt wurden. Als Grabbeigabe. Und 100+ Pferde obendrauf. Unvorstellbar aus heutiger Sicht. Unvorstellbar auch die Arbeit der Archäologen. Mit Pinseln diese Unmengen an Scherben freilegen, dann ohne Bauplan aus den Scherben wieder Krieger und Pferde zusammensetzen und Farben rekonstruieren. Da werden mehrere Generationen an Archäologen ihr Lebenswerk gefunden haben.
Zurück in der Stadt klettern wir auf die Stadtmauer, auf der man Fahrradfahren kann. Alles schon vor mehreren hundert Jahren sehr groß und sehr breit angelegt. Und wieder überall die jungen Frauen, die in alten Kostümen vor historischen Orten oder roten Mauern für die Kamera posieren. Der Bummel führt uns dann zur Großen Moschee, die etwas eigenartig wirkt, da chinesische Architektur auf einen muslimischen Gebetsraum trifft. Kurz noch beim Bell- und Drum-Tower vorbei und wieder ins Getümmel des Straßen-Food-Marktes. Wir müssen unbedingt noch verschiedene Sachen probieren. Und wir finden eine vollautomatische Tee-Maschine. Scannen des QR-Codes, auswählen der Getränke, bezahlen per App. Und die Maschine fängt an sich zu bewegen und liefert am Ende zwei versiegelte Getränkebecher aus. Das ist die Zukunft in der Welt der Personalknappheit.
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Etappe V Ostasien
Unser kleines Wasserstädtchen ist noch nicht erwacht, da gehen wir schon zum Frühstück. Der Shuttle-Bus fährt um 8.40 Uhr, wir wollen noch ein wenig durch den Ort laufen und ein paar Fotos machen. Das Frühstück ist sehr chinesisch – kleine gefüllte Hefeklöße, mehrere herzhafte Gemüsesalate, Eier, Reissuppe und Tee. Schnell ausgecheckt und die Fototour geht los. Ein wunderschöner Morgen, klare Luft, die Chinesische Mauer ist nur knapp im Dunst zu erkennen. Menschen waren gestern Abend schon kaum zu sehen, heute Morgen sind es noch weniger. Wir sind angekommen, als schon nicht mehr viel los war, wir fahren, bevor der Trubel beginnt.
Insgesamt scheint die Saison ohnehin zu Ende zu sein, vielleicht führt auch die unsichere wirtschaftliche Lage zu geringerer Auslastung solcher „Freizeitparks“. Uns ist’s egal, wir waren auf der Chinesischen Mauer und haben in der Thermalquelle einmal richtig tief durchgeatmet.
Der Bus fährt uns zurück zur Bahnstation, an der die Lesegeräte für unsere Pässe wieder problemlos funktionieren. Irgendwo ist hinterlegt, dass wir die Fahrkarte für den Zug gekauft haben, niemand will etwas anderes als unseren Pass sehen. Ohne Chinesisch-Kenntnisse bleibt man trotzdem darauf angewiesen, dass die Technik reibungslos funktioniert. Ansonsten wird’s ganz schnell ganz eng.
Der Zug fährt wieder pünktlich los, ist sauber, hat funktionierende Toiletten, Steckdosen mit europäischen und asiatischen Steckern und wird bei ausgeschütteten Kaffeebechern o.ä. sofort gereinigt. Außerdem wird in Durchsagen auf Chinesisch und Englisch darauf hingewiesen, sich ordentlich zu benehmen, also Füße nicht auf die Sitze, Schuhe nicht ausziehen, Kinder nicht über die Sitze klettern lassen, nicht laut Filme gucken, Sitznachbarn nicht mit müffeligem Essen belästigen usw. Die Nahverkehrs-Fahrkarte für 120km kostet 1,50€. Für Schlafwagen- und Expresszug zahlen wir wie zu Hause. Vermutlich wird der lokale Transport subventioniert, also Busse, U-Bahn und eben auch die Vorortzüge.
In Peking angekommen, müssen wir vom Nord- zum Westbahnhof. In der U-Bahn sieht man, dass Peking ne echte Großstadt ist. Klamotten von bäuerlich über konservativ bis ultramodern und ausgeflippt. Und alle gucken auf modernste Handys. Meist hängt noch ein Kabel zur Powerbank dran. Powerbanks kann man in China an jeder Straßenecke ausleihen und zurückgeben.
Wir essen schnell noch was und gehen zum Bahnsteig. Heute geht es weiter nach Xi’an. Hab von Liegewagen über Nacht auf Hochgeschwindigkeitszug umgebucht. Statt zwölf Stunden nur noch viereinhalb.
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Etappe V Ostasien
Nach der gestrigen Wäsche (waschen und trocknen haben knapp ne Stunde gedauert) schauen wir noch, dass wir lecker was zu essen bekommen. Finden nach ein wenig suchen auch ein nettes Restaurant und endlich richtig gute (herzhaft) gefüllte Hefeklöße. Auf dem Heimweg naschen wir ne süße Kleinigkeit und das war dann schon der letzte Abend in Peking.
Morgens trödeln wir entspannt in den Tag. Letztes Ziel: der Perlenmarkt. Dort gibt es auch Perlen, die meisten Touris kommen aber wohl wegen des Kleinkrams, den man als Souvenir mitnehmen kann. Von Schachfiguren über Schals, Teeschalen/-sets, gefälschte Klamotten und diverses Technik-Allerlei gibt es alles. Mit ordentlich Verhandlungsspielraum. Wir essen schnell noch ein paar gefüllte Teigtaschen und machen uns auf den Weg zum Bahnhof. Heute fahren wir zur Abwechslung mal Regionalbahn. 120km raus aufs Land zu einem besonderen Stück der chinesischen Mauer.
Genau genommen machen wir auf chinesischer Tourist. Es geht nach Gubei Watertown, eine kleine Stadt, die restauriert/originalgetreu nachgebaut wurde. Ein wenig Venedig, viel chinesische Stadt des 18./19. Jahrhunderts. Zunächst mal müssen wir aber hinkommen. Zugfahren ist mit ein wenig Gottvertrauen unproblematisch, da wir bis zur Endstation müssen. Dann sollte es einen Shuttle-Bus geben, der ins Dorf fährt. Es steht tatsächlich ein Bus da, zu dem auch ein paar Reisende laufen. Wir steigen ein und drücken die Daumen, dass es gut geht. Bezahlen per App klappt schon mal nicht, sprachliche Verständigung auch nicht. Glücklicherweise habe ich noch etwas Bargeld in der Tasche. Es geht durch kleine Dörfer, vorbei an Kleinstfeldern, auf denen die Bauern per Hand jeden einzelnen Maisstängel abhacken. Nach gut 20min ist die Busfahrt vorbei, wir sind richtig und erleichtert.
Da wir nach Sonnenuntergang ankommen, wirkt die Beleuchtung schon auf uns. Alles sehr schön, aber de facto Phantasialand. Wir checken an der zentralen Rezeption für die gesamte Stadt (>50 Hotels) ein, zahlen Eintritt und werden mit dem Shuttle-Bus in die Nähe unseres Hotels gebracht. Kurz das Gepäck abgelegt und weiter zur Seilbahn. Mit der geht es hoch auf die ebenfalls bestens ausgeleuchtete Chinesische Mauer. Oben dürfen wir nachts nicht viel rumlaufen, aber aufgrund der steilen Treppen reicht uns auch das kleine freigegebene Stück schon. Alle wollen dort Fotos/Selfies aufnehmen, die Mauer wird vom Kulturgut zur Kulisse. Wir fahren wieder runter, essen schnell einen Teller süß-sauer bzw. Aubergine frittiert und laufen rüber zur heißen Quelle. Im Badehaus gibt auch ein Freiluftbecken – das ist was für uns. Während in den Umkleiden komplette Nacktheit kein Problem ist, sind die Frauen im öffentlichen Bereich dann doch etwas stärker bekleidet. Mindestens Badeanzug, häufig eher badekleidmäßig.
Gegen 21.00 Uhr dann ein kleines Drohnen-Feuerwerk. Also, eher Lichtshow. Es werden chinesische Buchstaben in den Himmel geschrieben, diverse Figuren (die wir nicht einordnen können), ein Bogenschütze und natürlich die Wachtürme der chinesischen Mauer. Die perfekte Vorführung für den normalen Touristen. Nach der Thermalquelle bummeln wir noch ein wenig durchs Dorf und fühlen uns in der Zeit versetzt.
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Etappe V Ostasien
Heute geht es wieder früh raus. Wir haben gestern rausgefunden, dass wir mit einer Tour doch noch in die Verbotene Stadt kommen. Teuer, aber besser als draußen geblieben. Dafür müssen wir um 8.15 Uhr am Platz des Himmlischen Friedens sein, auf dem die Tour dann beginnt. Wieder mehrmals die Pässe vorgezeigt. Diesmal ist wegen der uns begleitenden Stadtführerin alles etwas einfacher. Die Sicherheitskontrolle vor dem Eingang zur Verbotenen Stadt ist dann auch endlich mal eine. In den U-Bahn-Stationen wird das Ortungsgerät meist nur kurz vor unseren Beinen hin- und hergewedelt und wir dann durchgewunken (Ausnahme morgens im Berufsverkehr, da stehen alle Kontrolleure in Reih und Glied und fertigen die Fahrgäste schrittweise ab).
Bevor wir in die Verbotene Stadt kommen, müssen wir unsere Tickets abholen. Dabei lernen wir, dass wir uns gestern einfach hätten anstellen müssen. Und Tickets kaufen. Ahnt keiner… Wir spulen unser Touri-Programm ab und sind ganz froh, dass wir mit einer Stadtführerin unterwegs sind. Sie erzählt uns ne Menge Hintergründe und geht mit uns auch in etwas abseitige Gemächer, die ich bei meinen bisherigen Besuchen noch nie gesehen habe.
Hinterher quetschen Marta und ich uns in einen Bus und erleben das typisch chinesische Gedrängel hautnah und in voller Lautstärke. Wir steigen an einer „Snack“straße aus und bummeln durch die Läden. Neben Beef jerky finden wir auch ein paar echt exotische Sachen. Muss ich probieren. Die Skorpione und Grillen spare ich mir, nehme die dicken Raupen/Engerlinge. Schmeckt eigentlich nur nach dem Gewürz und ist ansonsten hoffentlich eine ordentliche Eiweißbombe.
Der Nachmittagsspaziergang (wir haben heute schon wieder 10km in den Füßen, nach gut 20km gestern) führt uns noch an einem Fahrradfriedhof vorbei und zur letzten offenen Sehenswürdigkeit, dem Himmelstempel. Danach setzen wir uns ein wenig in die Sonne und gehen dann zum Hotel zurück. Dort steht eine Waschmaschine, die Chance wollen wir uns nicht entgehen lassen.
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Etappe V Ostasien
Pünktlich 20.22 Uhr steht der Zug im Bahnhof Peking West. Aus den Wagen strömen unendlich viele Leute Richtung Ausgang, für die ganz wichtigen Passagiere stehen Abhollimousinen wie am Flugzeug bereit. Wir schwimmen mit dem Strom Richtung U-Bahn und freuen uns, dass wir nichts weiter vorbereiten müssen. An der U-Bahn-Schranke kommt Marta dann auch sofort durch, bei mir streikt Alipay. Meine Telefonnummer müsste anders im System hinterlegt werden. Alle Versuche scheitern. Glücklicherweise hatte ich mir eine mobile Peking-Card installiert und Geld draufgeladen, so dass ich damit dann durchgehen kann.
Unser kleines Hotel ist sehr nett und eigentlich für einen Selbst-Check-in ausgelegt. Nur mit unseren deutschen Pässen klappt das noch nicht. Wir bezahlen noch ein Bier und eine Limo aus dem Getränkeautomaten, gehen aufs Zimmer und können endlich wieder duschen.
Morgens ziehen wir kurz nach 8.00 Uhr los und versuchen mal eine Busfahrt. Anstandslos kann ich mit Alipay bezahlen. Man wundert sich (U-Bahn geht trotzdem nicht). Leider stehen wir ganz schnell im Stau und steigen daher auf die U-Bahn um. (Eine Busfahrt kostet 0,13€, eine U-Bahnfahrt 0,40-0,50€.) Am Platz des Himmlischen Friedens stellen wir fest, dass die Eintrittskarten für die Verbotene Stadt bis Ende des Jahres für uns nicht mehr buchbar sind. Also gehen wir nur auf den Platz und beobachten ein wenig das Treiben. Viele, viele Reisegruppen mit älteren und/oder ländlichen (traditionell gekleideten) Chinesen laufen über den Platz und machen allerlei Fotos mit der Fahne oder den diversen Gebäuden auf dem Platz als Hintergrund.
Um auf den Platz des Himmlischen Friedens zu kommen, müssen sowohl wir als auch unsere Taschen durch diverse Sicherheitsschleusen. Unsere Pässe werden mal gescannt, mal fotografiert, mal nur angeguckt, mal nicht mal angeguckt. So oft, wie wir sie heute vorgezeigt haben, haben wir sie während der gesamten bisherigen Reise nicht an den Grenzen zeigen müssen.
Aus dem Zentrum bewegen wir uns dann zu weiteren typischen Sehenswürdigkeiten. Wir machen ein paar Fotos mit altchinesischem Kolorit, viel interessanter ist aber, was die Menschen so treiben. Junge Chinesinnen laufen in traditionellen Kostümen durch die Parks und lassen sich (für social media?) fotografieren oder filmen. Vor jeder typisch roten Mauer genau dasselbe Schauspiel. Von Spontanfotos bis zu sorgfältigen Choreographien alles dabei.
Nachdem wir zum Frühstück in einem chinesischen Lokal diverse Kleinigkeiten bestellt und gegessen hatten, wollen wir zum Abend anderes typisches Essen probieren. Auf dem Weg dahin laufen wir durch einen der verbliebenen Hutongs. Alte Viertel mit kleinen Häusern und öffentlichen Toiletten. Und auch wenn die Häuser klein sind, stehen doch ganz schön große Autos davor. Zum Essen gibt’s dann endlich auch mal wieder „schwarze Eier“, die, glaube ich, längere Zeit in Kalk liegen gelassen werden.
Für den Weg zurück zum Hotel versuchen wir’s nochmal mit dem Bus. Diesmal klappt’s perfekt.
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Etappe V Ostasien
Gut 30 Minuten vor Abfahrt gehen wir zum Zug-Gate. Die Schaffnerin scannt wieder nur den Datenteil unseres Passes und hat alle Infos zu uns und unserer Buchung auf dem Bildschirm… Im Zug sind wir wegen der verkorksten Buchung dann in unterschiedlichen Abteilen, aber im selben Wagen. Wir richten uns jeweils häuslich ein und treffen uns erst wieder, als wir zum Abendessen in den Speisewagen gehen.
Marta hat die Zeit perfekt geplant, wir kommen, als gerade die ersten Bestellungen angenommen werden und finden noch einen Platz. Bestellen ist ungleich schwieriger. Mit Hilfe des Google-Übersetzers schaffen wir es, einmal Hühnchen, einmal Rind zu bestellen. Es kommen für jeden ein Teller mit dem Hauptgang und eine Schale Reis. Während Rind mit Zwiebeln „normal“ serviert wird, ist’s beim Hühnchen wie immer in China. Es wird mit Knochen kleingehackt und diese Stücke dann gekocht/gebraten. Daher ist Hühnchenessen regelmäßig etwas schwierig. Getränke kauft man an einem kleinen Wagen, der kontinuierlich durch die langen Gänge des Zuges geschoben wird.
Der Speisewagen ist mal wieder eine neue Erfahrung. Während draußen unendliche Steinwüsten vorbeiziehen, können wir die chinesischen Mitreisenden beobachten. Und sie uns. Wir sind auch in diesem Zug die absoluten Exoten. Als wir bezahlen und gehen wollen, macht sich der Nachteil der volldigitalisierten Welt bemerkbar. Wenn kein Handyempfang besteht, kann man nicht bezahlen. Das scheint für die Mitreisenden aber normal zu sein – man setzt sich einfach wieder hin und wartet, bis die Datenübertragung endlich klappt. Da ich heute Morgen ein paar Yuan abgehoben hatte, bezahle ich bar – zumindest hier geht das auch noch.
Bei der Rückkehr ins Abteil schlafen zwei der drei Damen in meinem Abteil schon – kein Wunder, der Zug fährt auch bei 150km/h nahezu ruckelfrei. Ich tippe noch ein paar Zeilen, mache mir ein Bier und etwas beef jerky auf und freue mich über den guten Start in China. All der Ärger, die Verzweiflung und manchmal auch Resignation beim Runterladen, Einrichten und vor allem Identitätsbestätigen der diversen Apps (Alipay, WeChat, Trip, 12306) sind vergessen. Jetzt, da wir sie brauchen, läuft alles.
Im Laufe der Zugfahrt kommt die Schaffnerin alle paar Stunden durch und sammelt den Müll ein, wischt den Waschraum und die Toilette durch und legt – bei wechselnden Mitreisenden – die Bettwäsche wieder zusammen. Auch die Polizei zeigt Präsenz (blau/rot blinkende Lampe an der Uniform) und erklärt in jedem Abteil irgendwas. Insgesamt ist die Stimmung im Zug erstaunlich ruhig und gelassen. Einzig die Raucherei in den Bereichen am Ende der Wagen nervt. Die Rauchschwaden ziehen wieder und wieder in die Abteile.
Als ich auf dem Gang mein Handy lade, spricht mich ein 55jähriger ehemaliger Militär auf Englisch an. Er lernt gerade deutsch und möchte die Aussprache von ein paar Vokabeln erklärt bekommen. Dann kommen wir ins Erzählen und stellen fest, dass aus Sicht der Alten die Welt der Jungen überall viel zu social-media-dominiert ist und die Ausbildungssysteme schlechter werden. Zum Schluss tauschen wir noch die WeChat-Adressen aus und starten einen Chat. Wir könnten ihn im Sommerpalast in Peking besuchen, dort hat er einen Treff für Interessierte rund um die chinesische Geschichte/Kultur ins Leben gerufen.
Später beobachte ich die Landwirtschaft, die an uns vorbeifliegt. Baumwolle, Mais, Kohl/Gemüse, kleine Bäume, viel Unbekanntes – alles auf relativ kleinen Parzellen, Mais zum Teil noch zu Hocken aufgestellt. Auch Schaf- und Rinderhaltung ist zu sehen. Und viele verlassene Terrassenfelder – das ganz harte Leben liegt wohl hinter den meisten Bauern. Viele Kilometer der Strecke verlaufen in Tunneln unter den Bergen mit den Terrassenfeldern. Hin und wieder sehen wir auch riesige Solarfelder und Windräder. In vielen kleinen Orten wachsen Hochhäuser weit über die traditionelle Bebauung hinaus.
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Etappe V Ostasien
06.45 Uhr werden wir mit leichter Musik geweckt. Noch 30 Minuten bis zum Ziel. Wir haben gut geschlafen. Mit der Übersetzungs-App verständigen wir uns so leidlich mit unseren beiden Mitreisenden. Sie können noch nicht im Hotel einchecken und wollen frühstücken gehen. Fragen uns, ob wir Lust haben, mitzukommen. Gefragt, getan. Zunächst zur Gepäckaufbewahrung. Dort wird für uns alles auf Chinesisch geregelt, bezahlen muss ich über WeChat. Banges Warten, weil ich vorgestern meine Adresse erneut verifizieren musste – aber es funktioniert. Damit habe ich zwei Apps zum Bezahlen, bei Marta läuft Alipay.
Danach folgen wir den beiden durchs noch dunkle Ürümqi (Wulumuqi). Der erste Eindruck – es ist alles einfach nur groß bis sehr groß. Der Bahnhof, die Häuser, die Straßen. Von einer Seite des Bahnhofs zur anderen ist es ein langer Lauf durch eine Halle an den Gleisausgängen entlang. Schließlich kommen wir zum „besten Frühstücksrestaurant der Stadt“. Unsere Begleiter bestellen für jeden eine Nudelsuppe und Jasmintee. Bei den Nudeln kann man zehn „Dickegrade“ wählen. Alles sehr lecker – genau wie die Beilagen: marinierte Gurken, Tofu, eingelegte Pepperoni und eingelegte Möhren/Kohlrabi/Sellerie. Ich möchte bezahlen – keine Chance.
Danach nehmen sie uns noch mit in die U-Bahn, da sie ohnehin in die Stadt wollen. Im Taxi zur U-Bahn bekommt Marta einen Schnellkurs in Taxi-App und deren Benutzung. An den U-Bahn-Eingängen zeigen sie uns, wie wir mit Alipay bezahlen können. Interessant ist, dass die Alipay-App (ohne Update) ein wichtiges Schaltfeld geändert hat, seit wir in China sind. Dort, wo eben noch „Collect money“ stand, ist jetzt „Transport“. Nach nochmaliger Identitätsbestätigung (Gesichtserkennung per Handy) wird die Funktion freigeschaltet und wir können sofort damit bezahlen. Das soll in ganz China funktionieren. Es ist faszinierend zu sehen, wie nahtlos das alles ineinandergreift und wie komfortabel der Alltag wird (mir ist die Missbrauchsmöglichkeit klar, aber gerade für Touristen ist der Komfort unvorstellbar groß – auch, weil in der App in Echtzeit ins Englische übersetzt wird).
Während wir dann noch ein paar Haltestellen gemeinsam mit der U-Bahn fahren, zeigen die beiden uns noch die Chat-Funktion von WeChat. Auch dort wieder Echtzeitübersetzung ins Deutsche/Englische, sowohl von gesprochenem als auch geschriebenem Wort. Wir verabschieden uns und fahren noch zwei Haltestellen weiter zu einem großen (berühmten?) Markt. Um diese Zeit noch nicht viel los – aber wie bei jeder U-Bahn-Station muss man auch hier durch eine Sicherheitsschleuse. An all diesen Stationen liegen Schlagstöcke, Schutzschilde und kugelsichere Westen deutlich sichtbar. Und die Polizei zeigt massive Präsenz – fährt Patrouille in gepanzerten Mannschaftstransportern. Dass wir in der Uiguren-Region sind, wird auch an anderer Stelle sichtbar. Bei Beschriftungen finden wir häufig sowohl chinesische Zeichen als auch arabische Buchstaben.
Für den Weg zurück zum Bahnhof nehmen wir erst wieder die U-Bahn, dann didi, die chinesische Variante von uber/bolt/… Als auch das funktioniert, sind wir zuversichtlich, die Dinge in China allein gemanagt zu bekommen.
Um 14.10 Uhr fährt unser Zug nach Peking los. Wir haben einen schönen Morgen mit zwei netten chinesischen Managementberatern in unserer Erinnerung und mehrere Tipps für Restaurants in Peking im Gepäck.
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Etappe V Ostasien
Um 5.00 Uhr klingelt der Wecker. Wir machen uns fertig und fahren zum Busbahnhof. Der Tag erwacht gerade, die Berge werden vom ersten Sonnenlicht angestrahlt. Ein klarer kalter Morgen. Am Busbahnhof fängt dann die Sucherei an. Wir haben den ersten Bus nach Yining gebucht. Leider heißt der Ort manchmal auch Ghulja. Und manchmal Ili. Das kommt vermutlich daher, dass Ghulja im Uiguren-Gebiet liegt. Möglicherweise gibt es deswegen einen chinesischen Zweit-/Neunamen. Aber im Russischen wird’s auch nicht einfacher. Die Buchung war für Инин. Das findet sich leider an keinem der Busse. Die Liniennummer (403) leider auch nicht. Wäre ja zu einfach. Irgendwann finde ich Кульжа. Laut gelesen ähnelt das Ghulja. Die Abfahrtzeit stimmt dann auch. Wir gehen das Risiko ein.
Der Bus hat 40 Plätze, wir sind acht Passagiere. Per Telefon verkauft eine Frau aber offenbar immer weiter Tickets, jedenfalls sammeln wir unterwegs immer mehr Fahrgäste ein. Am Ende haben wir einen Bus voller Chinesen und Kasachen. Wir fallen auf, auch, weil kaum jemand russisch spricht und sich mit uns verständigen kann. Die Fahrt selbst geht zunächst wieder durch steppenartige Landschaften, im Hintergrund immer die schneebedeckten Berge. Wir sind relativ schnell an der kasachischen Grenze. Bei der Passkontrolle fallen wir wieder auf, weil die Kontrolleure offenbar noch nie oder sehr selten einen deutschen Pass in den Händen halten. Der Chef wird gerufen, der muss sich auch rückversichern, der Pass wird nochmal und nochmal auf Echtheit geprüft. Am Ende können wir durch – unser Bus wartet schon seit zehn Minuten nur noch auf uns.
Als wir auf der chinesischen Seite ankommen (der Grenzstreifen ist gefühlt einen Kilometer breit, ist das gesamte Abfertigungs-Prozedere viel professioneller als alles, was wir in den letzten Wochen erlebt haben. Allerdings fällt auch hier unser Pass auf. Ein sehr gut englischsprechender Beamter begrüßt uns und fragt nach dem Blick auf den Bildschirm seiner jungen Kollegin, ob ich dieses Mal als Tourist käme… Jedenfalls hat die Kontrolleurin auch noch keinen deutschen Pass gesehen – entsprechend lange dauert die Abfertigung. Marta kommt nach mir, ihr Pass wird kurz mitgenommen (und für die Ausbildung/Trophäenwand fotografiert?) Der Chef erklärt ihr, dass wir die ersten Deutschen seien, die hier über die Grenze kämen. Aber alles ok, alles freundlich, wir fühlen uns von allen positiv willkommen geheißen.
Nach der Grenze sind wir unerwarteterweise plötzlich drei Stunden weiter (Zeitverschiebung) und ich schaue vorsichtig auf die Uhr. Wir wollen heute Abend noch einen Zug bekommen. Noch ist viel Luft. Vier Stunden für die 70km sollten reichen. Der Bus kommt aber erst verspätet aus der Zollkontrolle, dann geht die Fahrt durch echte chinesische Provinz – alle Straßenschilder sind nur auf Chinesisch. Offenbar ist gerade Erntezeit und riesige Lkws mit Zuckerrüben zuckeln über die Straßen. Wenn die Lkws unseren Bus nicht ausbremsen, tun es die Ampeln. Alle halten sich ziemlich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ghulia/Yining kommt näher, die Uhr läuft aber auch runter. Am Ende haben wir noch knapp eine Stunde, als wir aus dem Bus geworfen werden. Stehen in irgendeiner Seitenstraße und müssen zum Bahnhof. Kein Cash in der Tasche, nur Alipay und WeChat auf dem Handy. Aus einem Auto ruft uns ein junger Mann zu, ob wir ein Taxi brauchen. Wir verständigen uns mühsam, am Ende bringt er uns aber zügig zum Bahnhof. Marta bezahlt zum ersten Mal mit ihrem Alipay-Account. Es klappt. Super.
Dann durch die Sicherheitskontrolle. Unsere Pässe sind alles, was wir vorzeigen müssen. Keine Fahrkarte, keine Buchung, nix. Da jede Ticketbuchung personalisiert erfolgt, wird kurz die Passnummer eingegeben und der Schaffner hat alle Daten von uns verfügbar. Wir steigen in den Zug, haben zwei nette chinesische Mitreisende und machen uns lang. Alles hat geklappt, wenn auch nicht viel Zeit zum Umsteigen vom Bus in den Zug war. Morgen geht’s schon in den nächsten Zug. Nach Peking.
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Etappe IV Stanistan
Da wir noch einen vollen Tag Zeit haben, wollen wir heute in die Berge. Marta hat eine leichte Tour rausgesucht. Wieder ein schnelles Frühstück, dann raus in die Kälte. 2°C, aber strahlende Sonne und kaum Wind. Wir haben echt Glück. Der Bus hält nicht weit von unserem Apartment, wir können noch mit Bargeld bezahlen, aber eigentlich hat der Bus nur noch Kartenlesegeräte. Schon bei der Fahrt hoch zur Eisschnelllaufbahn Medeo sehen wir schneebedeckte Berge. Der nervige Regen der letzten Tage war dort oben Schnee und lässt uns auf einen ersten Wintertag hoffen.
Statt Seilbahn nehmen wir den Fußweg. Und kommen ziemlich schnell an die erste Hürde. Treppen, Treppen, Treppen. Marta liest irgendwo, dass wir am Stück 60 Stockwerke hochgelaufen sind. Dann ein gerader Abschnitt, danach geht’s wieder straff bergauf. Irgendwann kommen wir bei der oberen Seilbahn-Station an und haben die Nase voll. 670 Höhenmeter in gut zwei Stunden. Das hat uns Flachländer dann doch etwas angestrengt. Und von leicht kann (jedenfalls für uns) keine Rede sein. Unterwegs wurden wir von einer Gruppe jugendlicher Sportler überholt, die phasenweise bergauf gelaufen sind und von denen einige noch zusätzlich Gewichte in den Händen hatten.
Glücklicherweise fahren die ersten Sessellifte schon, so dass wir noch ein Stück höher kommen, vollends im Winter ankommen, Fotos machen und ob der Kälte wieder zurück ins Dorf sesselliften. Dort lassen wir uns Zeit und beobachten die Touris. Es sind erstaunlich viele Inder hier. Aber vor allem Russen. Und wenn man sich die Chalets so anschaut, beschleicht einen die leise Ahnung, dass Sanktionen nur begrenzt wirken. Kann man nicht mehr in die Schweiz fahren, findet man sich halt ein anderes Ziel. Und wenn da noch nicht viel Infrastruktur steht, dann bestellt man sie. Dabei sucht Kasachstan offenbar eine Balance zwischen chinesischen (Autos), einheimischen (Ladesäulen) und westlichen (Seilbahn) Investoren. Das Resort ist voll mit Teslas, vor allem aber chinesischen BYDs, die als Taxis unterwegs sind. Frühstücken kann man bei PAUL, die Mastercard-Lounge lädt ein usw. Und plötzlich machen auch die Luxus-Geschäfte unten in der Stadt Sinn. Sie sind schlicht den reichen Russen in ihren Wintersportort gefolgt.
Auf dem Weg zurück im Apartment haben wir noch schnell ein paar Blini zum Tee gekauft. Die machen wir uns gleich fertig. Am Abend gibt‘s Manti (gefüllte Teigtaschen). Ansonsten wollen wir uns nicht mehr bewegen.
Der letzte Tag in Zentralasien hat richtig Spaß gemacht.
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Etappe IV Stanistan
Ach, wenn man n bisschen mehr Platz hat und es – bei draußen 4°C – drinnen schön warm ist, dann ist das doch gleich ein anderer Start in den Tag. Ein paar Haferflocken in den Kefir gemischt, dazu ein Glas Tee und die gute Laune bleibt. Von außen sieht unser Apartment-Haus wieder gruselig aus, hier drinnen passt alles.
Heute wollen wir mit dem Cable car mal hoch in die Berge fahren und den Ausblick genießen. An der Basisstation angekommen wird uns gesagt, dass heute nix fährt. Kabelersatzverkehr sei aber eingerichtet – ein Bus. Das ist uns zu doof. Wir hoffen, dass wir morgen noch eine Chance haben, mal ein Stück raus aus der Stadt zu kommen. Und so machen wir - bei eiskaltem Nordwind - wieder einen langen Spaziergang durch die Stadt und beobachten das Leben.
Um Punkt 10.00 Uhr gehen die Sirenen los und es folgt eine ca. fünfminütige Durchsage (über das Verhalten bei Evakuierungen?) Die Menschen sind davon völlig unbeeindruckt und so laufen auch wir einfach weiter. Und finden Hermès, Maßschneider und jede Menge teure Juweliere einen Block weiter von Straßenhändlern und Markt, großzügig angelegte Parks und moderne Gebäude neben sowjetischen Architektursünden, Imbissstände mit Riesen-Aluminium-Woks nicht weit von Cafés, in denen der Espresso zwei Euro kostet, diverse Scooter-Stationen neben alten Ladas und KAMAZ-Lkws. Eine bunte Mischung, eine Stadt, die schon ein ganzes Stück Richtung Kapitalismus (in chinesischer Orientierung?) geschafft hat.
Dann stolpern wir noch über eine Frauenkonferenz der fünf (Ex-Sowjet)Stans, interessante Verkehrsschilder und schauen uns interessehalber die Goldpreise an. In einigen Läden ist Schmuck ganz erschwinglich. Zum Schluss geht’s auf den Markt. Dort kaufen wir ein paar Pfannkuchen (Blini) und hausgemachte Himbeermarmelade. Zurück zu Hause machen wir die Blini warm, setzen nen Tee auf und genießen das einfache Essen. Das sind die Augenblicke, die ich so liebe. Mittendrin im Alltag der normalen Menschen.
Am Nachmittag/Abend habe ich mich um weitere Bahntickets in Japan und China gekümmert. Diese ganze Vorbestellerei in China ist vollkommen sinnlos. Hab mittlerweile ein eigenes Konto in der App der Chinesischen Eisenbahn und kaufe mir die Tickets schneller und ohne Vermittlungsgebühr selbst. Als alles erledigt ist, fragen wir Martas Schwester, ob sie ggfs. an günstigem Goldschmuck interessiert ist. Da sie ist, geht’s zurück in die Stadt. Schnelle Abstimmung per Foto und Chat und zwei Kleinigkeiten sind gekauft.
Im Anschluss gönnen wir uns nach längerer Restaurant-Abstinenz ein etwas opulenteres Abendessen in einem besseren Restaurant. Zu Hause gibt’s dann noch ein leichtes Bier und danach geht’s zufrieden ins Bett.
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Etappe IV Stanistan
Ehrlicherweise hatte Bishkek nie wirklich eine Chance bei uns. Am Morgen unserer Abfahrt aus Alma-Ata war es schon kalt und regnerisch, durch die Zeitumstellung hatten wir dann auch noch eine Stunde weniger Licht beim Stadtspaziergang. Nasse und unbeleuchtete Straßen, feuchte Kälte, Dunkelheit. Das sind nicht die besten Voraussetzungen zum Verlieben. So sind wir nach einer Nacht unmittelbar nach dem Frühstückstee wieder ins Taxi, zum zugigen Busbahnhof, haben uns für den nächsten Bus ein Ticket gekauft und zurück nach Alma-Ata. Genaugenommen waren wir für ein Hühnchen-Wrap und drei Blini jeweils fünf Stunden pro Richtung im Bus. Solange halten die paar Kalorien des Wraps gar nicht...
Der 10.00-Uhr-Bus scheint in beide Richtungen eher der Touristentransporter zu sein, die arbeitende Bevölkerung wird wohl die 08.00-Uhr- bzw. 18.00-Uhr-Variante nehmen. Diesmal vor allem Briten mit dabei, eine Irin, ein British-National-Overseas-Passinhaber (Hongkong), Russen und Japaner.
Es ist so kalt (6°C) und windig, dass sich alle im Terminalgebäude verstecken, bis der Busfahrer kommt. Gepäck verstaut und rein in den Bus. Leider genauso kalt wie draußen, allerdings zieht’s nicht. Es dauert zehn Minuten bis wir die Mützen ausziehen können, gleichzeitig beschlagen alle Scheiben. Auch der Fahrer hat keine ordentliche Sicht. Wischt einfach an jeder Ampel seine Scheibe wieder frei, die einen langen, bereits verzweigten Riss hat. Die Grenzkontrollen verlaufen für uns problemlos, für andere nicht. Unmittelbar vor mir wird ein Kirgise, der in der letzten Nacht beim Saufgelage wohl mehr Schläge abbekommen als ausgeteilt hat, wieder nach Hause geschickt. Das eine Auge ist komplett zugeschwollen, die andere Gesichtshälfte auch dick. Warum er zurück muss, weiß ich nicht. Aber dass sein Gesicht mit dem im Pass nicht vergleichbar gewesen sein kann, ist sicher. Hinter mir stand der Hongkong-Brite – er wurde ebenfalls rausgezogen und separat befragt. Und hat es nicht zurück in den Bus geschafft. Sowas macht dann gar keinen Spaß.
Auf der kasachischen Seite der Grenze wartete dann ein neuer Bus, also genaugenommen ein anderer. Frontscheibe ebenfalls gerissen, Sitzverstellhebel verschwunden, Bus kalt, die hydraulische Einstiegstür schließt nicht richtig, muss bei voller Fahrt kurz nochmal auf und zu gemacht werden. Und draußen setzt Schneetreiben ein. Der TÜV hätte seine helle Freude an diesen Gefährten, hier bringen sie uns am Ende sicher ans Ziel. In Alma-Ata stehen wir aber wieder lange im Stau, bevor wir ins Taxi umsteigen können und zu unserem Apartment fahren.
Da wir drei Nächte bleiben und es am Samstag nach China geht, hatte ich ein Apartment für uns gesucht. Mehr Platz und eine eigene Küche. Die bange Frage war, ob die drei Nächte zum Alptraum oder gut werden. Im Moment, als uns die Tür geöffnet wird, lächeln wir beide. Es ist mollig warm!! Dann stellt sich raus, dass auch eine Waschmaschine an Bord ist, so dass wir uns entspannt und gut gelaunt auf China vorbereiten können.
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Etappe IV Stanistan
Während der ganzen Zugfahrt nach Alma-Ata hatte ich nix gegessen, nur am Abend eine Brühe (von einem Brühwürfel) getrunken. Hoffe, dass ich damit die Quälgeister in meinem Bauch ausgehungert habe. Mit Hungertagen kenne ich mich ja ganz gut aus, so dass der Tag eigentlich kein Problem war. Im Gegenteil – endlich Ruhe gehabt. Heute Morgen hab ich dann mal vorsichtig mit ein paar zwiebackähnlichen Gebäckstangen angefangen, erst zum Abend sind wir wieder lokal essen gegangen. Ein Linsensüppchen, gegrilltes Gemüse, ein Gäbelchen frische Tomate, etwas (allerdings frittiertes) Brot und schwarzer Tee. Schmeckt auch. Aber die Fleischspieße, die hier überall frisch auf Holzkohle gegrillt werden, die verströmen dann doch einen noch anziehenderen Duft. Und der Blick in die Küche ist zwar spannend, lässt mich für Kommendes aber schon wieder die Daumen drücken.
Die Nacht blieb glücklicherweise ruhig, wir starten mit einem Tee und ein paar Keksen in den Tag. Draußen regnet es, 9°C. Zum ersten Mal holen wir die Schutzhüllen für die Rucksäcke raus – wir wollen zum Busbahnhof und von dort nach Bishkek in Kirgisistan. Nur mal gucken, die Reiseführer geben nix Sehenswertes an. Los geht’s mit einem nahezu endlosen Stau im Taxi, der mich schon wieder Nerven kostet, weil wir trotz üppig geplanter Reserve den Bus nur knapp schaffen. Der Stau hält dann auch den Bus auf, bevor es wieder durch endlose Graslandschaften geht. Einmal steht ein kleiner Windpark im Nichts – heute war aber Flaute. Damit die Regenwolken bloss nicht wegziehen.
An der Grenze die gewohnte Kontrolle, diesmal zügig und komplett ruckelfrei. Bis der Bus durch ist, noch schnell Geld getauscht. In Bishkek regnet es gerade nicht, aber die Straßen sind nass, der Himmel grau, es wird Abend. Wir drehen unsere übliche Sehenswürdigkeiten-Runde, das sind hier sozialistische Bauten und ein größerer Park im Stadtzentrum. Fürs Essen finden wir nur Fastfood oder koreanische, Fusion-food-, europäische Restaurants. Am Ende lassen wir uns ein Hähnchen-Wrap an einem kleinen Stand frisch zubereiten. Zum Nachtisch gibt’s frische Pfannkuchen (Blini) von einem anderen kleinen Stand. Und das war’s schon mit Bishkek. Shoppen könnte man hier reichlich – überall Malls, Gold- und Markenklamotten-Läden – wir brauchen im Moment nix. Dann entdecken wir noch eine Kreuzung, auf der alle Fußgänger gleichzeitig laufen – ein kleiner Vorgeschmack auf Tokio.
Auf dem Weg in unser Zimmerchen in einer Privatwohnung werde ich an ungemütliche Studententage erinnert. Ein nasser Herbsttag, die feuchte Kälte zieht so langsam in die Klamotten, es ist früh dunkel und ich laufe über schlechte und unbeleuchtete Fußwege in mein anonymes Studentenwohnheim in Leipzig Connewitz. Gelegentlich ein grelles Blitzen von Neonlicht und über allem die Abgase der endlosen Autoschlangen. Das legt sich aufs Gemüt. Hier geht hinter dem geruchsintensiven Treppenhaus und einem zusätzlichen Gitter aber eine Tür in eine freundliche Wohnung auf. In der neben uns die Mieterin/Besitzerin und ihr Sohn wohnen.
Die Wohnviertel in all den zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken ähneln sich sehr. Viele Halbruinen, deren Unterhalt vermutlich kostenintensiv ist. Allein die uns zugeschickte Wegbeschreibung in die Wohnung war ein kleines Highlight.
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Etappe IV Stanistan
Die letzten Stunden im Zug zogen sich dann etwas. Wir wollten uns die Zeit im Speisewagen etwas verkürzen, hatten dann aber Pech. Um 18:30 Uhr hatte die Küche wohl keine Lust mehr – bis auf drei Gerichte sei nix mehr da, auch kein Wasser oder Tee. Als wir dann eines der drei Gerichte bestellt haben, war auch das nicht mehr zu bekommen. Also wieder zurück ins Abteil und Nudelsuppe bzw. Hühnerbrühe geschlürft. Da dies endlich mal wieder ein super ausgestatteter Zug ist, gibt’s immer heißes und kaltes Wasser, zudem hatten wir außerhalb des Klos noch ein Waschbecken – für das schnelle Händewaschen echt hilfreich. Beschriftungen im Zug, die Speisekarte und auch das (nur lokale) WLAN gab’s alles auch in Englisch.
Mit wieder einmal 30 Minuten Verspätung kommen wir in Alma-Ata an. Als wir aus dem überheizten Zug steigen, streift uns ein Hauch Winterluft. Knappe 10°C. Durch den Wind gefühlt weniger. Wir sind bei T-Shirt-Temperaturen in den Zug und kramen jetzt ganz schnell mehrere Lagen Klamotten raus. Und brauchen dringend Mützen. Morgen auf dem Basar. Jetzt zügig ins Hotel, es ist 22:45 Uhr, wir schlafen fast im Gehen ein. Nach 10 Minuten Fußweg stehen wir vor nem runtergekommenen sowjetischen Wohnblock, denken, dass wir falsch sind, laufen einmal drumherum, gehen dann doch rein. Sind richtig und die Zimmer sind ok. Heizung läuft, hat aber – typisch sozialistischer Bau – überhaupt keinen Thermostat. Temperaturregelung per Fensteröffnung…
Morgens ist es immer noch frisch, der Herbst ist schon deutlich sichtbar. Wir laufen in die Stadt. Genau heute hat der Basar leider zu. Wir haben aber Glück – rund um den Basar gibt’s diverse Geschäfte und wir finden beide ne Mütze. Danach suchen wir uns ein Teehaus und wärmen uns etwas auf. Es kann endlich nahezu alles wieder mit Karte bezahlt werden. Kasachstan scheint auch sonst deutlich dichter an westlichen bzw. chinesischen Standards als Usbekistan. In einem Supermarkt stehen wir gar vor einem kompletten Edeka-Kühlschrank und einem HARIBO-Regal.
Von der Sehenswürdigkeitenliste sind die Moschee (leider zu) und die Kirche schnell besucht. Beim Blick in die Kirche wird klar, dass hier in Asien nicht nur Moscheen prunkvoll sind. Die Christen können das auch.
Zurück im Hotel checke ich meinen Alipay-Account. Und da ist es wieder passiert. Habe mich um den japanischen Zug gekümmert und die chinesischen aus den Augen verloren. Wieder wurden zwei Züge nicht gebucht, die ich vorreserviert hatte. Einmal offenbar, weil der Fahrplan geändert wurde und sich die Abfahrtzeit um ein paar Minuten verschoben hat. Beim anderen ist schon wieder alles ausgebucht. Ärgerlich, in Samarkand hätte ich Zeit gehabt, am Ball zu bleiben. Immerhin bekomme ich für den ersten Zug noch die gewünschten Tickets und für den zweiten Liege- statt Schlafwagen-Plätze. Das wird ne ganz spannende Nummer – inmitten 70 (?) Chinesen, die alle ihr Essen auspacken, schnarchen, erzählen, …
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Etappe IV Stanistan
Am Bahnhof versuchen wir unsere letzten usbekischen Scheine loszuwerden. Wasser, Coke zero, Kekse. Von den Keksen gebe ich mir die halbe Packung – keine gute Idee. Erst als die alle wieder raus sind, werde ich so halbwegs schlafen können.
Wir hören, dass unser Zug bereitsteht, gehen hin und werden zurückgeschickt. Wir wären auf einem anderen Zug, der ebenfalls nach Taschkent führe, von nem anderen Gleis. Nee, sagt der Schaffner bei dem anderen Zug, bei mir seid ihr falsch. Wieder zurück und nachdrücklich Einlass begehrt. Die Schaffnerin läuft in den Wagen und guckt, ob unsere Plätze frei sind. Komische Methode. Dabei sind die Abfahrtzeiten der beiden Züge 15 Minuten auseinander und auf unserem Handy-Ticket steht ganz klar ihre Abfahrtzeit. Am Ende sind wir im Zug und inmitten eines kompletten Wagens deutscher Touristen. Lautes Sächsisch als auch weltmännisch daher Kommendes aus dem Ruhrpott sind zu vernehmen. Wir halten uns bedeckt, nur einmal kommt es fast zum Kontakt – als ich der Schaffnerin anbiete, zu übersetzen, warum sie von einigen der irritierten Deutschen Geld einsammelt (Tee mit Zitrone kostet, Tee ohne ist frei).
Kurz vor Mitternacht kommen wir in Taschkent an. Und laufen unseren endlos langen Zug zurück, bis wir endlich über das Gleis kommen. Wir wollen aber nicht in die Stadt, sondern ins Bahnhofsgebäude. Unser Zug geht in viereinhalb Stunden. Kurz bevor wir am Eingang sind, geht das Licht an und die Sicherheitsschleuse wird besetzt. Im Bahnhof sammeln sich so langsam ein paar Reisende, die ebenfalls auf unseren Zug wollen. In irgendeiner dunklen Ecke versuchen wir ne Mütze Schlaf zu bekommen. Glücklicherweise sind die Klos nicht weit…
Während ich zwischen Dämmern und Porzellan hin- und herwechsle, schaue ich online bei der japanischen Eisenbahn vorbei. Heute beginnt die Buchungsfrist für den einzigen japanischen Schlafwagenzug. Mit dem will ich unbedingt fahren. Aber bis zur Abfahrt um 04:30 Uhr tut sich auch in Japan nix.
Unser Schlafwagenschaffner freut sich über internationale Gäste, auch der kasachische Passkontrolleur ist nett und neugierig. Während unser Zug nach der Passkontrolle auf usbekischer Seite steht, schalten die Japaner endlich die Buchung frei. Ich komme bis zur Eingabe aller Daten und will zur Zahlung wechseln, da fährt der Zug los und der Empfang ist weg. Es ist 06:26 Uhr und nach dieser Nacht fühle ich mich ohnehin schon wie ein Zombie. Weiß nicht, ob ich beim nochmaligen Eintippen alles richtig mache. Na, 10 Minuten später halten wir für die kasachische Passkontrolle, Empfang ist mäßig, aber ok. Und während der Passkontrolle bekomme ich tatsächlich die beiden Plätze für den japanischen Zug gebucht. Mittlerweile ist es 07:10 Uhr, mein Magen ist komplett leer, wir machen das Licht aus und wollen nur noch schlafen. Mit uns im Abteil ist noch eine ältere Kasachin.
Gegen 09:30 Uhr vernehme ich im Halbschlaf irgendwas von Wechselkursen. Blinzle ins Licht und sehe nen Typen, der mit ner kleinen schwarzen Plastiktüte voller Geldscheinbündel von Abteil zu Abteil zieht. Unsere Kasachin tauscht ihr usbekisches Geld zurück. Im Tran frage ich, ob er auch Dollar tauscht. Ja klar. Zu welchem Kurs? Wieviel willst du denn tauschen, 100? Nee, 50. Ok, dann 20. Das ist zu wenig, 25. Ok, 22. Nee, dann gehe ich in Almaata zum Geldautomaten. Ok, 23. Nee, 25. 24? Deal. Tausche dann noch mein allerletztes usbekisches Geld, drehe mich wieder auf die Seite und hoffe, dass ich trotz Schlafentzugs noch einigermaßen richtig gerechnet habe.
Mittlerweile ist die Kasachin wach und gesprächsbedürftig. Sie kommt gerade aus Taschkent von nem Treffen mit zwei Freundinnen. Ihr Sohn war bis gestern auf Dienstreise in Deutschland – er arbeitet für Wirtgen (Straßenbaumaschinen). Dann zeigt sie noch Bilder von Enkeln in Holland, Fotos von ihrer Tochter mit nem deutschen Polizisten – was man so macht, wenn der Zug über Stunden durch die Landschaft ruckelt. Berge, Steppe, fruchtbare Böden, lichte Laubwälder, typisch russische Dörfer. Und überall Schafe, Kühe und jede Menge Pferde auf den abgeernteten Feldern.
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Etappe IV Stanistan
Wir haben dann doch noch nen längeren Nachmittagsspaziergang gemacht. Da ich kaum was gegessen hatte, musste ich echt langsam gehen und öfter mal ne Pause machen. Wenn das in ein paar Jahren der Normalzustand ist – nix für mich. Wir waren zufälligerweise erst auf nem Friedhof, dann auf dem Markt, haben Brot gekauft, für Marta nen Topf Fertigsuppe, für mich zwei Brühwürfel. Letzteres war wohl die Idee des Tages von unserer Tochter. Ein Pott heiße Brühe und ein Stück Brot bringen wieder Kraft in den ausgelaugten Körper. Die Nacht halte ich ganz gut durch, allerdings mit viel Geblubber im Bauch und ordentlich Entlüftung.
Morgens dann wieder schlichtes Frühstück und entspanntes Losbummeln. Nochmal zum Markt, dort entdecken wir Macadamia- und Pekannüsse. Hatte ich noch nie in der Schale gesehen. Die Pekannüsse schmecken echt gut, wir nehmen n paar mit und auch n paar Mandeln. Heute Abend geht’s wieder in den Zug (nach Taschkent), morgen früh steigen wir um 04.30 Uhr in den Zug nach Alma-Ata.
Da wir viel Zeit und wenig zu tun haben, beobachten wir am Registan (zentraler Platz mit restaurierten alten Gebäuden) mehrere Brautpaare. Alle sehr jung, mit aufwändigen Kleidern und Anzügen. Die Familien laufen mit, es werden unendlich viele Fotos vom Brautpaar gemacht. Der Registan soll im Hintergrund sein, leider steht die Sonne genau gegenüber. Da blinzeln alle in die Kamera. Keine Ahnung, wie der Fotograf da was draus machen will.
Den späteren Nachmittag verbringen wir dann nochmal im Innenhof unserer Unterkunft. Wir bekommen dort weiterhin Tee und machen uns gegen Abend wieder ne Suppe fertig. Plus etwas Brot dazu. Aber wirklich gut geht das bei mir noch nicht. Mal schauen, wie ich diese Bahnhofsnacht durchhalte.
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Etappe IV Stanistan
Abends gehen wir zum Essen raus. Gibt wieder lokales, u.a. frisch vom Grill. Danach lassen wir uns im Stadtzentrum absetzen und schlendern auf den zentralen Platz, den Registan. Es muss Eintritt bezahlt werden, aber jetzt sind kaum Touristen da und wir können alles in Ruhe und ohne Behinderung anschauen. Behindern tut mich allerdings wieder einmal mein Magen, der tagsüber Ruhe gegeben hatte. Die 25 Cent fürs öffentliche Klo am Registan sind richtig gut investiertes Geld. Danach kann ich entspannt die Lichter- und Musikshow anschauen, die Punkt 20.00 Uhr startet. Ein schöner Abend, die Temperaturen sind noch angenehm, aber ein wenig spüren wir schon den aufkommenden Herbst.
Na, die Nacht war nix. Regelmäßig ins Bad, zurück ins Bett, Augen halb zu, wieder hoch – wer das selbst schon mal durchgemacht hat, weiß, wie das läuft. Zum Frühstück nur Brot, trockenen Kuchen, ein wenig Kartoffelbrei und Tee. Dann mutiger Spaziergang in die Stadt. Aber es wird nicht besser. Zu Mittag sind wir wieder in unserer Herberge, glücklicherweise haben wir zwei Nächte gebucht und müssen heute nicht aus unserem Zimmer. Also wieder aufs Bett, ins Bad, aufs Bett, na, immer so weiter. Irgendwann entscheide ich mich, doch was dagegen zu schlucken – mal schauen, ob’s hilft. Setze mich in den Innenhof, mache mir eine Kanne Tee, genieße das Vogelgezwitscher (es gibt mehrere Vogelkäfige) und schreibe für den Blog.
Die Hauptattraktionen haben wir gestern Abend schon besucht, heute Vormittag auch noch was, insofern geht uns hier in Samarkand nix verloren. Außer viel Flüssigkeit 😉😒
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Etappe IV Stanistan
Und schon geht’s wieder zurück nach Samarkand. Ein paar Kekse und einen Tee in der Küche des Hotels reichen als Frühstück. Wir suchen uns ein Taxi und fahren zur Sammeltaxi-Station in einer Kleinstadt nördlich von Duschanbe. Dort müssen wir wieder um den Preis feilschen. Rein in ein Auto, raus aus dem Auto, wieder neu verhandeln. Immer aufpassen, dass die Rucksäcke nicht in den Kofferraum gehen, sonst bekommt man die nämlich nicht mehr raus, wenn man wechseln will.
So geht das ein paar mal. Am Ende haben wir die Preise so einigermaßen raus. Nur leider fahren die Autos (zu angemessenen Preisen) immer erst, wenn vier oder fünf Leute drinsitzen. Dann kommen zufällig ein Italiener und eine Peruanerin und wir können als Viererpack verhandeln. Klappt auch gut, bis wir sehen, in welches Auto wir gesetzt werden sollen. Damit hatten wir schon ein paar Meter auf dem Parkplatz hinter uns – DIESE Karre schafft es mit fünf Leuten mit Sicherheit nicht ans Ziel. Also wieder neu verhandeln. Am Ende kommen wir mit nem guten Fahrer in einem Toyota SUV zu nem akzeptablen Preis weg.
Die Fahrt selbst bringt nicht viel Neues, wir lernen allerdings, dass irgendwo auf der Strecke ein größerer Kohleabbau betrieben wird. Und dann halten wir nochmal, erst für einen Stop an einer "Raststätte", dann, weil der Fahrer Tomaten mitnehmen will. Es ist Erntezeit und neben Tomaten und Äpfeln sehen wir überall auch Weintrauben, die mit altertümlichen Traktoren zu einer Sammelstelle gefahren werden. Schließlich sind wir schneller als gedacht an der Grenze und wissen nun, dass der Italiener Kameramann beim italienischen Fernsehen ist und die Peruanerin eigentlich Englischlehrerin, aber in Italien keine Arbeit hat. Die beiden sind über den Pamir-Highway nach Duschanbe gekommen und haben sich zwei Monate Zeit gegeben für Kirgistan, Usbekistan, Kasachstan und Tadschikistan.
Während der Fahrt denke ich noch ein wenig über Tadschikistan nach. USDollar wurden im Gegensatz zu den letzten Ländern nicht gern genommen. Das spricht eigentlich für eine vergleichsweise starke Währung bzw. viel Vertrauen in die eigene Währung. Wo dieses Vertrauen herkommt bzw. woher all das Geld auch für den Bauboom kommt, bleibt für mich unklar. Chinesisches Geld, vielleicht auch arabisches spielt sicher eine Rolle, aber am Ende müssen Kredite immer auch zurückgezahlt werden. Vielleicht ist das Land da ja sogar diszipliniert – an Fußgängerüberwegen halten die Autos jedenfalls zu unserer Überraschung immer an. Und wir hatten uns schon so langsam an das aggressiv-vorausschauende Straßenüberqueren zwischen einer fließenden Autokolonne gewöhnt.
Hinter der usbekischen Grenze sind wir aber sofort im hektischen Alltag zurück – schon wieder Handeln bis zum Abwinken. Da wir nun als Viererteam auftreten, geht es aber schneller. Am Ende haben wir einen akzeptablen Preis und eine ziemlich rasante Fahrt. Der Fahrer fährt ansonsten auch professionelle Rennen und hat unsere Fahrt wohl als Trainingsfahrt gesehen.
Im neuen Hostel werden wir nett begrüßt, es gib gleich erst einmal Tee, dazu Marmelade, Gebäck und Obst steht auf dem Tisch. Nun also erwartet uns Samarkand.
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Etappe IV Stanistan
Oi, Oi, Oi. Das lecker lokale Essen gestern entpuppt sich für mich als zum Teil unverdaulich. Verbringe Teile der Nacht auf dem Klo. Marta schläft ungestört durch. Das ist auch insofern ok, als dass sie darauf hingewiesen hat, dass das Schälchen mit irgendeinem vergorenen Milchprodukt verdorben röche. Der eine riecht die Erkenntnis, der andere ersitzt sie…
Deshalb geht es nach dem Umzug in ein anderes Hostel (hatte ich schon früh gebucht, konnte ich nicht mehr stornieren und nachdem die Zugfahrt ausfiel, brauchten wir noch eine zusätzliche Nacht) zu unserem Stadtrundgang mit besonderem Fokus: trocken Brot kaufen und irgendwo Tee trinken. Finden wir dann auch zusammen an einer Stelle. Das Brot ist noch nicht lange aus dem Ofen und deswegen lecker. Die Kanne Tee bekommen wir in einer sehr lokal anmutenden Tschaijana. Dort essen die Einheimischen auch vormittags eher Plow, Suppen, Salate usw. als dass sie Tee trinken. Bzw. der Tee kommt zusätzlich auf die mit Plastikdecken bezogenen Tische. Ist uns aber egal, der Tee schmeckt und kostet 0,40 Cent die Kanne.
Beim Gang durch die Stadt fallen uns ein paar Dinge auf. Zunächst einmal sind wir schon wieder Exoten. Im Gegensatz zu Buchara kommen die Touristen von der usbekisch-tadschikischen Grenze wohl nur bis zur ersten Stadt in Tadschikistan und nicht bis nach Duschanbe. Und dann versuche ich, die großen Buchstaben an den Regierungsgebäuden zu entziffern. Da die Schrift dicht am Russischen ist, geht das ganz gut. Allerdings lese ich nun Wörter mit russischen Buchstaben, die sich aus ganz fernem Arabisch-Studium noch in meinem Kopf befinden. Ziemlich schräg. Zeigt aber auch wieder, dass Tadschikistan offenbar weiter weg von Russland ist als Usbekistan. Das merkt man auch an der Verwendung von Russisch. Geht alles noch, wird aber schon seit Usbekistan schlechter. Insbesondere bei den Jungen. Gab schon zwei Situationen, da kannte ich die (russischen) Zahlen besser als die Verkäufer.
Gegrüßt wird hier im Übrigen auch mit Salom aleikum, also ziemlich arabisch und noch formaler als das lockere Salaam im Iran. Nettigkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen sind aber auch hier bisher super. Nur wenn mich bei nem Lächeln dann ganze Gebissreihen aus Gold oder nem silberfarbenen Metall anblitzen, wundere ich mich, wieso das immer noch wie vor vierzig Jahren ist. Ansonsten hält der Fortschritt hier nämlich auch straff Einzug. Die Taxis sind chinesische BYDs. Komfortabel, geräumig und durch den Elektromotor ziemlich ruhig. Abgerechnet wird nach Taxameter, das über eine App läuft, die gleichzeitig Navi ist. (Wie sich die Autos bei nem Preis von knapp einem Euro für ne 15-Minuten-Fahrt amortisieren sollen - keine Ahnung.) Auch an anderer Stelle haben die Chinesen offenbar sehr stark geholfen. Kanaldeckel sind chinesisch beschriftet, Schaltschränke auch und nahezu alle Großmaschinen (zB Kräne, LKWs, Busse) wurden in China gebaut.
Und Baumaschinen findet man an jeder Ecke. Die Stadt wirkt wie vor einem wirtschaftlichen Aufbruch. Überall werden neue Wohnhäuser gebaut. Das Design ist dann eher wieder arabisch angelegt. Bei den öffentlichen Gebäuden und Parks hatten wir gestern Abend ja schon eine gewisse Ähnlichkeit mit Turkmenistan festgestellt. Dieser Eindruck verstärkt sich weiter. Das Unabhängigkeitsdenkmal hätte definitiv in Ashgabat stehen können. Angelegt mit riesigem Park und Wasserspielen rund um die Säule. Nur Bänke finden sich hier nirgendwo. Und auch die diversen Straßenlampen, die abends einen Lichtschleier über die Stadt legen, haben wieder kunstvolle Formen.
Wie die Menschen das alles empfinden, wissen wir nicht. Allerdings bummeln sie abends auch durch die Stadt, essen in den Restaurants (in Turkmenistan waren wir meist allein) und wirken lebensfroh. Und wenn der Schultag vorbei ist, stürmen die Schüler in ihren Schuluniformen in der Mehrzahl an die Fast-Food-Stände. Kein Unterschied zum Leben bei uns…
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Etappe IV Stanistan
Aufstehen, schnelles Frühstück, wir wollen weiter. Da es mit unserem Zug von Samarkand nach Duschanbe nun leider nicht klappt, sind wir auf die Standardalternative umgestiegen - Sammeltaxis oder Minibusse. Zunächst fahren wir mit dem Taxi zum Busbahnhof. Von dort gehen dann Sammeltaxis zur tadschikischen Grenze. Wieder muss verhandelt werden, hier findet aber alles sehr gesittet statt. Am Ende bekommen wir zwei Plätze in einem Taxi, in dem schon zwei andere Reisende sitzen. Das hat für uns den Vorteil, dass es sofort losgeht. Unterwegs muss kurz getankt werden – unser Auto braucht Gas, wie übrigens relativ viele Autos in Usbekistan. Zum Tanken müssen wir alle raus und auch Fahrer und Tankwart halten gehörig Abstand. Hoffentlich geht das gut…
Klappt aber alles, wir kommen zur Grenze und werden schon beim Aussteigen aus unserem Sammeltaxi angesprochen, ob wir nach Duschanbe wollen. Wir verzichten erst einmal und wollen über die Grenze. Auf der usbekischen Seite läuft alles reibungslos, im Niemandsland vor der tadschikischen Passkontrolle werden wir wieder angesprochen. Irgendjemand hatte schon wieder weitergegeben, dass wir nach Duschanbe wollen. Wir überlegen, versuchen ein bisschen zu verhandeln, erreichen nix. Und schlagen ein. Das war die beste Entscheidung des Tages. Der Fahrer ist ein "Hans Dampf", kennt Gott und die Welt und wir können nach der Passkontrolle sofort ins Auto zu den anderen Mitfahrern (ein Mann, zwei Mütter mit drei kleinen Kindern). Damit bleibt uns die tadschikische Zollkontrolle erspart, die Sammeltaxi-Fahrt von der Grenze in die erste tadschikische Stadt und die dortige Verhandlung für die Weiterfahrt nach Duschanbe.
Bevor die Fahrt richtig los geht, sammelt der Fahrer noch fünf riesige Melonen ein, an nem anderen Stopp drei große Beutel mit frischem Brot und tauscht für die Mütter usbekisches Geld in tadschikisches. Mit dem Telefon am Ohr bzw. in der Hand fährt er rasant über die Gebirgsstraßen. Hin und wieder holt er eine kleine Tüte mit grünem Zeug raus, reibt sich das zwischen die Zähne und spuckt es nach ein paar Kilometern wieder aus. Mir sagt er, dass sei Tabak. Vielleicht ist es auch irgendwas Anderes zum Wach- und Gut-gelaunt-bleiben. Denn während alle im Auto schlafen, fährt er mit höchster Konzentration und hoher Geschwindigkeit durch all die Kurven und Tunnel.
Und bleibt total aufmerksam. Bei der Einfahrt in einen langen Tunnel macht er sofort die Fenster zu – der Tunnel ist voll mit Staub und Abgasen. Bei der Ausfahrt gleich ein kleiner Stopp. Als sich auf der Rückbank nacheinander zwei Kinder in leere Einkaufstüten entleeren, gehen sofort die Fensterscheiben einen Spalt auf, damit nicht noch mehr Unheil durch den Geruch entsteht. Als wir in Duschanbe ankommen, wird erst der Mitfahrer abgesetzt, dann irgendwo an einen Wartenden das Brot übergeben, dann ich an nem funktionierenden Geldautomaten abgesetzt, dann die Mütter rausgelassen, dort noch ein paar SV-Ausweise eingesammelt und wir zum Hostel gebracht. Alles ohne Nachfrage auf seinem Radar und er ohne Anzeichen von Müdigkeit nach fünf Stunden hochkonzentrierter Fahrt.
Ok, unterwegs gab’s eine Pause für Essen und Tee. Wir haben uns nur ein wenig die Beine vertreten und die innovative Getränkekühlung bestaunt – Gebirgswasser wurde durch ein Rohr geleitet, das Rohr vielfach angebohrt und darunter standen nun die Flaschen und Dosen.
In Duschanbe haben wir uns sofort auf die Suche nach nem kleinen Restaurant gemacht und nicht weit vom Hostel was gefunden. Wieder leckere lokale Küche in nem ganz einfachen Restaurant. Beim anschließenden ersten Stadtspaziergang kommen sofort Erinnerungen an Turkmenistan auf. Viele Springbrunnen, viel Licht, einige sehr große Gebäude. Nur scheint das Klima hier in Duschanbe vegetationsfreundlicher zu sein. Das Grün in der Stadt ist sehr üppig, unterwegs haben wir in den Tälern auch wieder Obstbäume und kleine Felder mit sattgrünem Bewuchs gesehen. Morgen werden wir uns Duschanbe noch ein wenig näher anschauen.
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Etappe IV Stanistan
Gestern habe ich beim Insbettgehen festgestellt, dass meine ¾-Hosen schlicht durchgesessen sind. Die harte Holzbank im Innenhof hat ihr den Rest gegeben. Müssen wir halt auf den Basar und mal gucken. Aber erst Frühstück. Der junge Mann, der am Bufett hilft reicht mir die Sahne, als ich mir eine kleine Schale mit Quark nehme. Ich vermische beides und er sucht nach Zucker. Den bräuchte ich noch. Nee, ich mach das mit Marmelade. Ungläubiges Schauen. Als sein Chef kommt, muss er ihm sofort erzählen, was ich da so treibe.
Nicht nur hier, sondern bereits seit den kaukasischen Ländern fällt uns auf, wie viele junge Leute in den Restaurants oder Geschäften arbeiten. Zum Teil sehr junge. Auf dem Markt hingegen sind an einem käuferarmen Montag die Verkäufer aber eher wieder etwas älter. Wir suchen irgendeine leichte Hose für mich. Kurz wird sowieso nix, also Hochwasser schon, aber eben nicht ¾. Die ersten Anproben enden kläglich. Wenn man keinen Hintern hat, sehen bestimmte Hosenschnitte halt ziemlich unvorteilhaft aus. Relativ zügig finden wir dann aber was zum Mitnehmen. Lang, leicht, günstig (10 USD). Reicht. Marta ist hier in Buchara übrigens einmal als Usbekin durchgegangen. Ansonsten werden wir eher Richtung Frankreich eingeordnet. (Gibt viele französische Touristen.)
Zurück zum Hotel trödeln wir nochmal durch die Stadt. Setzen uns auf Bänke, surfen und recherchieren für Samarkand und Tadjikistan, lesen die Nachrichten von den diversen kommenden Hotels bzw. Fahrkarten-Apps und gucken uns kurz die Weltlage an.
Am Nachmittag geht’s dann per Yandex (russische Variante von Uber/Bolt) zum Bahnhof 12km außerhalb der Stadt. Kostet 1,97€, wie mir die Kreditkartenabbuchung bestätigt, noch bevor wir richtig losgefahren sind. Die Bahnfahrkarten haben wir nur auf dem Handy, aber mit QR-Code läuft alles reibungslos. Pünktlich um 16:55 Uhr fährt der Zug los, vollbesetzt mit westlichen Touristen. Für die ist das eine Erlebnistour. Für uns und die paar mitreisenden Usbeken schlicht Transport von Buchara nach Samarkand/Taschkent.
Wir fahren an Baumwollfeldern vorbei, an vielen verlassenen Friedhöfen im Nirgendwo, an einsamen Bahnstationen irgendwo im Land. Im Zug kommt immer mal jemand vorbei und verkauft Süßes, Obst, Getränke. Tee gibt’s kostenlos, mit Zitrone für einen kleinen Aufpreis. Die Fahrt ist angenehm, wir kommen in Samarkand mit 15 Minuten Verspätung an.
Fahren danach 20 Minuten Straßenbahn von Endhaltestelle zu Endhaltestelle, ein Junge läuft durch die Bahn und sammelt das Fahrgeld (0,15€) ein. Allerdings kommt die Bahn nicht bei unserem Hostel an, wir sind noch 25 Minuten zu Fuß unterwegs. Dabei sehen wir schon ein paar der bekannten Bauten, aber das ist alles erst in ein paar Tagen dran…
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Etappe IV Stanistan
Abends sind wir noch ein wenig durch die beleuchtete Altstadt gebummelt. Horden an Touristen aus allen Ländern der Welt. Es ist offenbar Hauptreisezeit und die Stadt quillt über. Sind wir nach Iran und Turkmenistan überhaupt nicht gewöhnt. Dort waren wir Exoten.
Rund um den restaurierten Altstadtkern gibt es in den alten Stadtvierteln nahezu nur Hotels und Gasthäuser. Und wir sehen mehrere Posten der „Touristenpolizei“. Vermutlich sollen uns die aggressiveren Taxifahrer, Händler und was es sonst noch so gibt, vom Hals gehalten werden.
Wir gehen etwas außerhalb, dafür sehr rustikal und lokal essen. Danach holen wir uns noch was zu trinken und setzen uns in den Innenhof unseres Hotels. Längere Recherchen bringen für unseren Abstecher nach Duschanbe leider keine guten Lösungen. Wir müssen mal sehen, wie wir’s angehen.
Morgens gibt es ein kleines Frühstück im Hotel, dann ziehen wir los. Die ganze Altstadt ist ein sehr schön restaurierter Souvenirladen. Es macht Spaß, durch die Gassen und über die Plätze zu ziehen, die alten Moscheen, Schulen und Paläste anzuschauen. Aber in jedem, wirklich jedem alten Gebäude gibt es traditionelle Kleidung, Teppiche, Silberzeugs, Modeschmuck, Miniaturmalereien, traditionelle Metallarbeiten. Vielleicht mal ein Restaurant oder Café. Stück für Stück haken wir die Sehenswürdigkeitenliste ab, schauen noch mal kurz auf dem Basar vorbei, um uns mit Mandeln, russischem Konfekt und Aprikosen zu versorgen und sind kurz nach Mittag fertig vom Rumlaufen. Wir machen Pause im Hotel, nehmen unsere trockene Wäsche von der Leine (gestern war Großwaschtag) und ruhen uns aus.
Und genießen es, endlich wieder mehr oder weniger ungehinderten Zugang zum Internet zu haben und all die gesperrten Accounts (mail, Passwort-Safe, Nachrichten) wieder freizubekommen. Und es erleichtert ungemein, wenn das Geld wieder aus dem Automaten kommt. Nicht mehr dieses dauernde Aufpassen auf die USDollar, kein Geldwechsel mehr, keine Sorgen, dass es knapp wird.
Mittlerweile kommen die nächsten schlechten Nachrichten bei Zugbuchungen. Der erste chinesische Zug kann noch nicht gebucht werden. Sollte eigentlich ab gestern gehen. Ich hatte die Tickets vorbestellt und auch schon bezahlt. Für den zweiten, wirklich kritischen (Buchung ab heute möglich) hab ich keine Tickets bekommen und auch meine vorsorglich bestellte Alternative funktioniert nicht. Trotz reichlich Vorbestellfrist und jeweils gezahlten 250€. Ärgerlich. Also schnell neu recherchiert. Und mit viel Glück doch noch zwei Tickets bekommen. Jetzt sind wir zwar nicht im selben Abteil, aber immerhin im selben Wagen. Puhh, das war echt knapp. Werde wohl täglich die geplanten chinesischen Züge überwachen müssen. Wir haben immerhin vier kritische Langstrecken, also jetzt noch drei.
Nach dem Buchungsstress gehen wir zum kleinen Abendbrot in die Stadt. Marta hat wieder was Nettes rausgesucht und die kleinen lokalen Salate und Vorspeisen sind wie fast immer lecker. Auf dem Rückweg noch n bisschen Baklava genascht und dann wieder ins Hotel. Die gesamte Altstadt vibriert von der Musik aus den Restaurants oder von irgendwelchen Vorführungen für Touristen. Das ist nicht so unsere Art des Tourismus – obwohl wir natürlich auch nicht an den Hauptsehenswürdigkeiten vorbeikommen.
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Etappe III Geheimnisvolles
Es wird langsam hell. Draußen nur Wüste. Ich schau auf den Gang, da haben tatsächlich Leute geschlafen. Die Nacht war für uns einigermaßen ok. Belüftung ging zwar nur über Klappfenster im oberen Teil der Scheibe und Klimaanlage gab’s nicht, so dass wir die Wahl zwischen laut oder stickig hatten. Wir kommen überpünktlich in Turkmenabat an. Und werden schon von einem Fahrer erwartet. Der sammelt unterwegs noch jemanden ein („meine Schwester“) und nach ner knappen halben Stunde sind wir an der turkmenischen Grenze. Passvorkontrolle, dann Minibus. Turkmenisches Geld haben wir nicht mehr. Wird von einer netten Mitreisenden für uns übernommen. Dann Zoll. Wir brauchen ne Zollerklärung. Formulare? Bekommen wir von der Schwester gereicht. Alles nur auf turkmenisch. Aussichtslos. Ein Fernfahrer füllt die für uns. Dann Passkontrolle. Dann wieder Minibus. Uzbekisches Geld. Haben wir noch nicht – ein anderer Mitreisender übernimmt. Letzte turkmenische und erste uzbekische Kontrolle. Wieder Minibus. Uzbekisches Geld. Die erste Mitreisende springt wieder ein. Ich will in allen Fällen mit USD bezahlen, aber die Mitreisenden wollen helfen. Dann Passkontrolle und Zollkontrolle Uzbekistan. Dann noch 200m zu Fuß, dann draußen. Wir sind positiv überrascht von der Freundlichkeit der Menschen.
Kaum draußen umringt und bedrängt uns eine Traube an Taxifahrern. Plötzlich ruft uns die Schwester des Fahrers von der turkmenischen Seite, sie hätte noch Plätze frei. Wir gehen mit und wollen ins Auto steigen. Sofort ist das Auto von einer Gruppe usbekischer Taxi-Fahrer umringt. Sie lassen uns nicht losfahren. Es entspinnt sich ein sehr aggressiver Dialog. Die Schwester brüllt, schreit, wird handgreiflich. Schimpft vermutlich auch ordinär und wir sind kurz vor einer Schlägerei. Als die Schwester ordentlich zupackt, drängt man sie zur Seite, unser Fahrer (ihr Bekannter) wird brutal aus dem Auto gezerrt. Es geht hin und her. Ich überlege, ob ich was machen kann, aber mir fällt nix ein. Mit DIESEN Taxifahrern hab ich ja nun auch keine Lust zu fahren. Plötzlich macht ein anderer Fahrer die Tür bei uns auf und fragt auf Russisch, wo wir hinwollen. Geistesgegenwärtig spreche ich mit ihm deutsch und bitte, dass er mir auf Deutsch antwortet. Er macht die Tür wieder zu – den sind wir immerhin los. Nach 20 bis 30 Minuten Gezeter sind wir dann endlich unterwegs. Das war selbst mir ein wenig zu dicht am Alltag der Usbeken, der mich ja eigentlich interessiert.
Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Es ist noch eine Stunde bis Buchara, plötzlich fahren wir seitlich ran und sollen auf dem Handy zeigen, wo wir genau hinwollen. Und nun gibt’s in unserem Auto ne Diskussion, was wir denn bezahlen. Die Schwester fängt mit 100 USD an, die Taxifahrer würden 200 USD haben wollen. Gottseidank hatte ich mich schlau gemacht und wusste, dass die Fahrt zwischen 12 und 20 USD (in usbekischem Geld) kostet. Hin und her, hin und her. Am Ende sind wir bei 20 USD. Ich stimme zu, schließlich wollen wir ja nicht auf offener Strecke rausgesetzt werden. Aber zu dem Preis hätten wir vermutlich auch ein Taxi nehmen können.
Wir kommen in Buchara an, der Fahrer findet aber das letzte Stück Weg nicht – wir wollen aussteigen und die letzten 1,5km laufen. Packen unseren Kram. Und bezahlen. Und jetzt ist es mein Part, zu verhandeln. Statt 20 USD gebe ich 12 USD (im Russischen sind die beiden Zahlen phonetisch nicht weit auseinander). Tue etwas verwundert und erkläre, dass ich das Hotel angerufen hätte und wüsste, was eine Taxifahrt in usbekischem Geld kostet. Dann nehme ich den Wechselkurs und rechne die 12 USD aus. Nee, der Wechselkurs wäre anders, sagt die Schwester. Ok, dann nehmen wir den. 13,60 USD. Bitteschön. Dann will sie die kleinen Scheine nicht. Ok, dann eben nur 10 USD. Hin und her, hin und her. Ich gebe 15 USD, mache nen festen Handschlag und wünsche gute Fahrt. Grummelnd steigt sie ins Auto. Hatte sich nen massiven Nebenverdienst ausgerechnet, dabei sind auch die 15 USD schon extra, da der Bekannte sowieso gefahren ist. Und sie ist heute Morgen auf unsere Kosten mit zur Grenze gekommen. Nicht jeder ist dein Freund, bei dem es zunächst so aussieht...
Usbekistan ist uns für den Augenblick verleidet. Dann kommen wir im Hotel an, bekommen ein nettes Zimmer, vorerst alles ok. Wenn nicht der Stress noch im Kreislauf stecken würde. Ich dusche schnell und fahre zu einem Reisebüro, um unser Zugticket für nächsten Dienstag zu besorgen. Leider keine Plätze frei (ich denke, der Zug fährt schlicht nicht, weil unmittelbar vor unserem Iran-Besuch noch alle Plätze des gesamten Zuges frei waren). Auch das noch.
Wir bummeln erstmal in die Stadt, machen kleines Sightseeing, essen was und besprechen unsere zu ändernden Pläne. Langsam, langsam kommen wir im schönen Buchara an.
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Etappe III Geheimnisvolles
Heute geht es etwas später los – der Reiseagentur gehen die Ziele aus. Beim – diesmal etwas besseren – Frühstück treffen wir wieder eine Reisegruppe, die auch im Jurtendorf übernachtet hat. Die Gruppe steigt in den Reisebus, wir zu unserem Fahrer ins Auto – natürlich erst, nachdem wir unsere vier Dollar bezahlt haben. Zunächst fahren wir etwas aus der Stadt raus, um das nächste monumentale Denkmal zu erklimmen. Eine gigantische Figur, zu der man mehr als 100 Stufen hochsteigen muss. Von oben haben wir einen guten Blick auf die Stadt, vor allem aber auf die frisch gepflanzten Bäume und die Grundstruktur des – wie um alle Denkmäler und Monument – neu angelegten Parks. Riesige Flächen, die bewässert und begrünt werden.
Nächster Halt ist am Riesenrad. Das steht wohl im Guinness Buch der Rekorde (für den größten Durchmesser?) Die diversen Drehkreuze am Eingang sind außer Betrieb, wir werden zum Fahrstuhl gebeten. Von dort geht es über Gitter, die für Schlangen von 100+ Menschen angelegt sind, direkt zu den Gondeln. Vor uns zwei Chinesen mit Reiseleiter, ansonsten dreht sich der Koloss nur für uns. Diese Gigantomanie löst Kopfschütteln aus. Überall riesige Anlagen. Und selbst in der Hauptreisezeit nur vereinzelte Besucher, die von der Anzahl immer vom Betreuungs-/Pflege-/Reinigungspersonal übertroffen werden. Vielleicht braucht ein Petro-Staat schlicht Beschäftigung für seine Bewohner.
Und da nun langsam die Sehenswürdigkeiten ausgehen, stoppen wir kurz am Puschkin- und Lenin-Park aus sowjetischen Zeiten. Die Denkmäler sind um mehrere Dimensionen kleiner, Puschkin kann man auf seinem meterhohen Sockel kaum erkennen. Bei Lenin blättert die Farbe ab und die Türen fallen aus dem Rahmen. Die Zeiten und die zu Verehrenden haben sich wohl geändert.
Ach, einen Stopp haben wir noch. An einem Ahalteke-„Gestüt“. Das gehört dem Chef unserer Reiseagentur und des Jurtendorfs. Wenn man keine Sehenswürdigkeiten mehr hat, schafft man sich eben welche. Sehr praktisch. Die Touristen werden einfach vorbeigefahren, eine Runde auf dem Rücken eines Pferdes kostet dann gleich nochmal 10 USD. Fotos der Pferde sind allerdings im Reisepreis inbegriffen. Und von den vorgeführten sechs Pferden sind zwei wirklich schön.
Auf dem Rückweg winkt uns ein Polizist an den Straßenrand. Verkehrskontrolle. Unser Fahrer zeigt die Papiere, wir dürfen weiter. Kaum um die Ecke gebogen, wird das Auto vor uns vom nächsten Polizisten rausgewunken. Es ist schwer abzuschätzen, ob auf diese Weise Verkehrsdisziplin erzwungen werden soll oder ob das eine oder andere Nebengeschäft winkt. Gestern habe ich auf dem Weg zurück vom Jurtendorf an einer Straßensperre beobachtet, dass der Fahrer eines rausgewunkenen Autos dem Polizisten per Handschlag Geld zugesteckt hat, das sofort in der Uniformhose verschwunden ist.
Zurück am Hotel entscheiden wir uns für eine kleine Runde ums Haus. Direkt nebenan in einem Bürogebäude residiert die deutsche Botschaft in gerade einmal fünf Büros. In der Etage darüber die britische, ebenfalls in fünf Büros. Außerdem finden sich hier eine palästinensische Vertretung und eine chinesische Airline. Eine bunte Mischung. Danach kommen wir an einer Schule vorbei. Die Schulkleider der Mädchen sind grün, die Jungs haben schwarze Anzüge und weiße Hemden. Im Studium tragen die Studentinnen dann rote Kleider, die Studenten bleiben bei schwarz/weiß. Am Ende der Runde erreichen wir den (festen) Zirkusbau. Dort sehe ich Werbung für einen Barbershop und riskiere einen Haarschnitt – es wird langsam Zeit. Für knapp fünf Euro sind die Haare weg. Eleganter Schnitt, null Probleme.
Und dann setzen wir uns in die Lobby und warten darauf, zum Bahnhof abgeholt zu werden. Wir versuchen nochmal, ins Internet zu kommen. Aber außer dem Zugang zu diesem Blog funktioniert nicht viel. Von den Nachrichtenseiten kann ich gelegentlich die NZZ (ohne Bilder/Videos) erreichen. Alle deutschen/englischen Medien sind nicht zugänglich. VPN kann man auch nicht auf die Verbindung setzten. Bleibt Zeit, nochmal genauer auf die turkmenische Flagge zu schauen. Die fünf Sterne neben dem Halbmond stehen für fünf Regionen. Die fünf Symbole auf der linken Seite für fünf Stämme. Die Symbole finden sich im Alltag an verschiedenen Stellen.
Unser Fahrer kommt zu spät, um uns zum Bahnhof abzuholen. Und fährt dann wie der Teufel. Passt aber alles noch. Er setzt uns in den Zug, besorgt noch die versprochenen Lunch-Pakete und unsere Zugreise geht in einem rappelvollen Zug los. Auf den Gängen sitzen Reisende auf kleinen Klappsitzen obwohl der Zug um 19:50 abfährt und um 08:30 ankommen soll. Wie die das durchalten wollen? Na, egal. Wir machen das Lunchpaket auf, bekommen stilvoll Tee serviert, dazu den Hinweis, dass Rauchen nur auf dem Klo erlaubt sei und machen uns schon mal schlau, wo der usbekische Wechselkurs steht und was uns am Grenzübergang erwartet.
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Etappe III Geheimnisvolles
Den Abend verbringen wir beim Barbecue inmitten von mehr als 130 anderen Reisenden. Vor allem große Reisegruppen, aber eben auch Wohnmobilreisende aus Deutschland (wollen weiter in den Iran), ein Motorradfahrer aus Oman und eine alleinreisende Motorradfahrerin aus ??? Wir plaudern über deren Erfahrungen in Zentralasien und unsere in Iran. Ganz kurz saß auch noch ein älteres slowenisches Ehepaar an unserem Tisch, dass in zwei Wochen mit neun Flügen ganz Zentralasien „abgehakt“ hat. Auf deren „Uhr“ stehen nun 121 Länder.
Im Dunkeln spazieren wir nochmal zum Feuerkrater, danach trinken wir ein letztes Bier/eine Pepsi vor unserer stromlosen Jurte.
Morgens ist schon relativ früh viel Betrieb im Dorf. Die Reisegruppen wollen/müssen weiter. Nach kleinem Frühstück nimmt uns der Chef des ganzen Ladens in seinem Auto mit. Wieder 250km reichlich schlechte Straße, Kamele am Straßenrand, diverse liegengebliebene LKWs. Und ein chinesisches Duo, dass von China nach Kroatien auf der Seidenstraße unterwegs ist. Es scheint so, als ob die (Reise-)Verrückten dieser Welt alle unbedingt über Turkmenistan fahren wollen.
Unser nächster Stopp ist ein Großmarkt – auf turkmenisch. LKWs randvoll mit Melonen – sowohl Honig- als auch Wassermelonen –, Granatäpfel, Tomaten, Weintrauben, … Mal dürfen wir keine Fotos machen, mal werden wir zum Fotografieren eingeladen. Einmal sogar auf einen Tee, als der Verkäufer hört, dass wir aus Deutschland kommen. Kurzer Smalltalk, freundliche Gesichter und immer wieder funkelnde Goldzähne. Auf der anderen Marktseite gibt es alles von Möbeln über Stoffe, Fahrräder, Baumaterialien, Autoersatzteile bis hin zu Teppichen, Töpfen, Großküchengeräte. Nix für uns, in drei Tagen wollen wir die Grenze nach Usbekistan überqueren.
Dann können wir ins Hotel. Einmal duschen, kurze Pause und am Nachmittag bekommen wir eine Stadtrundfahrt zu den nächsten Denkmälern. Zunächst geht es zum Denkmal für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges, das mit einem Denkmal für die Opfer des großen Erdbebens 1948 kombiniert wurde. Ein riesiger Komplex mit drei Museen, erst vor ein paar Jahren eröffnet. Rundherum wieder ein großer Park, alles grün und viel Pflegepersonal unterwegs. Letzteres gilt auch für eine der großen Moscheen Zentralasiens, die sich etwas außerhalb von Ashgabat befindet. Ein riesiges Marmorgebäude, umgeben von Fontänen, Wasserflächen, Wasserkaskaden.
Nach dem kulturellen Teil fahren wir in ein traditionelles turkmenisches Restaurant und essen im Schneidersitz – bzw. seitlich liegend, wie bei den Fernfahrern beobachtet – turkmenische Gerichte. Hinterher geht’s durch das beleuchtete Regierungsviertel. Überall Lampen, in den Parks viele Laternen, die Springbrunnen farbig beleuchtet, an hohen Gebäuden alle möglichen Lichtinstallationen. Selbst der Bahnhof hat eine eigene Lichtkomposition… Im gesamten weißen Teil der Stadt sieht man keine Supermärkte, Märkte oder ähnliches. Alles ist hinter den blauen Fensterscheiben verborgen, vermutlich damit das Stadtbild ästhetisch bleibt. Will man einkaufen, muss man wissen, wo sich Märkte befinden. Offenbar gibt es aber im Erdgeschoss der vielen hohen Wohnhäuser regelmäßig Supermärkte.
Vom Fahrer erfahren wir, dass er für eine fünfköpfige Familie ca. acht USDollar im Monat für Strom, Wasser, Gas bezahlt. Und er rechnet uns vor, dass Elektromobilität wegen des Benzinpreises auf absehbare Zeit in Turkmenistan nicht kommen wird. Ein Teil der neuen weißen Hochhäuser sind im Übrigen Wohngebäude, deren Apartments die Bewohner kaufen können. Mit staatlichen Krediten über dreißig Jahre.
Ansonsten fallen uns auch hier immer wieder die Terminals auf, von denen aus man Telefon, Gas-/Wasser-/Stromverträge verwalten kann. Wir verwalten unser Kleingeld und kaufen noch ein paar russische Süßigkeiten.
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Etappe III Geheimnisvolles
Das Frühstück ist eher dürftig. Tomaten/Gurken/Feta. Pfannkuchen mit Reis-Fleisch-Füllung. Grießbrei. Brot. Marmelade. Ein in Richtung Rote Beete schmeckender Saft. Aber es stärkt erstmal. Dann Checkout. Bitte 2 USD pro Person. Ok. Wir zählen schon nicht mehr mit.
Ein Fahrer nimmt uns in Empfang und fährt uns zunächst zur großen Moschee. Die ist echt beeindruckend. Relativ moderner Bau, hohe Minarette, von innen alles prächtig verziert. Und viel Marmor. Die modernen weißen Gebäude sind alle mit Marmor verkleidet. Offenbar sind Unmengen verbaut worden. Im Anschluss besuchen wir noch drei Monumente, die jeweils in riesigen bewässerten Parks mit Unmengen an Springbrunnen und Wasserspielen liegen. Jeweils mehrere Frauen putzen und säubern die Anlagen. Wieder alle in traditionellen Kleidern, zum Teil mit Mundtüchern gegen den Staub geschützt.
Dann halten wir kurz an einer Tankstelle. Betankt wird von Tankwarten, der Liter Benzin kostet umgerechnet 8 Cent, die Hälfte von einem Liter Wasser. Und – ALLE Autos an der Tankstelle sind weiß. Ein komisches Bild.
Die Tankstelle ist genauso wie alle öffentlichen Gebäude in Turkmenisch beschriftet. Vom Schriftbild erinnert das an Türkisch, vom Klang eher nicht. In Restaurant und Café waren die Speisekarten allerdings alle nur in Russisch. Mit Russisch kommt man in der Stadt auch ganz gut weiter. Bei einer unserer Ins-Leben-Eintauchen-Aktionen wäre es ohne nicht gegangen: wir wollten auf der Post (bis 20.00 Uhr auf) Postkarten und Briefmarken kaufen. Postkartenporto gäbe es überhaupt nicht, wir müssten Briefe schreiben. Nach kurzem radebrechendem Smalltalk bitten wir um 2x Brief. Mit Hingabe klebt die Frau – wieder in traditionellem Kleid – elf Briefmarken übereinander auf den Umschlag. Wir bedanken uns lächelnd und freuen uns über den kleinen Erfolg. Die Goldzähne blitzen zurück.
Kleiner Abstecher in einen Supermarkt – im Kühlschrank leider kein Bier, stattdessen wird gleich der Wodka gekühlt. Alle Preise sind – beim Dollar-Schwarzmarktkurs, der 5x der offizielle ist – für uns lächerlich niedrig.
Kurz vor Mittag fahren wir ins Büro, wir müssen unsere Reise noch bezahlen. Der Preis ist im Vergleich zu allem Anderen auf unserer großen Reise absurd. Aber so ist das, wenn man in vergleichsweise unzugängliche Länder will. Das mit dem unzugänglich relativiert sich dann aber ganz schnell wieder. Beim Frühstück im Hotel treffen wir eine gemischte Reisegruppe aus Europa/USA, abends sind wir in einem Jurtendorf, dort ist alles von China über Kanada, Frankreich, Russland, Oman bis Deutschland vertreten. Auf dem Weg ins Dorf sind wir auch noch Indern begegnet, die mit Autos bis nach London wollen…
Das Jurtendorf ist an einem ehemaligen Versuchsbohrloch für Erdgas gebaut. Dort hatte man das Gas angezündet, um es schlicht runterbrennen zu lassen. Mittlerweile brennt seit 50 Jahren ein Feuer, das „Tor zur Hölle“ ist zu einer Haupttouristenattraktion geworden. Allerdings scheint das Feuer langsam kleiner zu werden. Die Straße dorthin ist ein echter Reifenfresser. Immer wieder sehen wir geplatzte Reifen am Straßenrand, auch gerade liegengebliebene Autos und Lkws. Eine Piste mitten durch die Wüste, links und rechts sind immer mal Kamele zu sehen.
Wir machen’s uns in unserer Jurte gemütlich und freuen uns aufs gemeinsame Barbecue.
Video brennende Erde (seit 50 Jahren)
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In Mashhad steigen wir in einem in die Jahre gekommenen Grand Hotel ab. Das Hotel erinnert mich an die China Aufenthalte vor 20 Jahren. Mehrere Fahrstühle, in denen man nix drücken kann. Man muss draußen seine Zieletage angeben und bekommt dann einen Fahrstuhl zugewiesen. Das funktioniert von gut bis gar nicht. Auf dem Restaurant-Tisch steht eine klobige Tischnummer mit vergilbten Knöpfen zum Rufen des Kellners bzw. der Rechnung. Und beim Auschecken muss man immer eine Viertelstunde warten, bis die Minibar kontrolliert worden ist…
Kurz aufs Zimmer, dann mache ich noch einen Abendspaziergang, während Marta ihre Tiktok-Videos schneidet. Entspannte Abendatmosphäre in der Stadt. Die Geschäfte haben auch um 22.30 Uhr noch auf, Frauen verdecken die Haare locker bis gar nicht. Abuer auch immer mal wieder Plakate mit dem Bild des getöteten Hizbullah Chefs. Fast finde ich den Weg zurück ins Hotel nicht. Da Marta unsere SIM Karte im Handy hat, bin ich auf meinen Orientierungssinn und Glück beim Straßenverlauf angewiesen. Im Zweifel hab ich noch n paar Rial in der Taschen und – nach unangenehmem Feilschen am Bahnhof – ein grobes Gefühl für die Taxi-Preise.
Von Mashhad zur Grenze fahren wir durch landwirtschaftliche genutzte Flächen. Obstplantagen, Tomatenfelder, abgeerntete Getreidefelder. Die Feldergröße spricht eher für Klein- denn Großbetriebe. Kurz nach 12.00 Ankunft an der iranisch-turkmenischen Grenze. Aus dem Iran sind wir schnell raus, nach Turkmenistan rein ist deutlich aufwändiger. Wir haben eine ausgedruckte Einladung dabei – damit sollen wir ein Visum bekommen. Das klappt am Ende auch, allerdings wird vorher noch ein Corona-Test fällig. Der kostet stolze 33 USDollar pro Person + 4 USD Bankgebühr. Hinzu kommt Tourismussteuer von 10 USD pro Person + 4 USD Bankgebühr. Und das Visum kostet 55 USD +, genau, 4 USD Bankgebühr. Am Ende sind wir 2x110 USD los, um einreisen zu können. Dafür werden wir aber bevorzugt behandelt und dürfen an all den schwer bepackten Turkmenen vorbei, die mit Tränen in den Augen zugucken, wenn ihre geschmuggelten Zigaretten mit nem groben Küchenmesser zerschnitten und weggeworfen werden.
Vom Grenzposten geht’s mit nem Taxi durchs bergige Sperrgebiet, bis wir in unser eigentliches Taxi umsteigen. Wir rollen auf Ashgabat zu. Eine große, weiße Stadt. Es geht über breit ausgebaute moderne Straßen an Sportkomplexen vorbei, modernen Ampelanlagen, an grünen Parks mit viel Wasser und Springbrunnen. Allerdings sind nirgends Menschen zu sehen. Alles ist modern, zum Teil an stalinistische Architektur erinnernd, aber steril. Zu den weißen Häusern kommen die weißen Autos. Wir sehen nichts als weiße (und silberne) Autos. Japanisch, deutsch, chinesisch. Aber immer weiß. Frauen tragen auffällig häufig nationale Tracht. Ein rätselhaftes Land.
Unser Hotel ist auch wieder ein in die Jahre gekommenes 70er oder 80er Jahre Exemplar. Alles ok, aber abgewohnt. Es liegt aber im alten Teil der Stadt, der dann wieder sowjetisch aussieht. Und hier gibt es endlich auch Menschen. Wir erlaufen uns einen ersten Eindruck von der Stadt, gehen was essen und kommen müde ins Hotel zurück.
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Etappe III Geheimnisvolles
Wir sitzen im Zug und fahren Richtung turkmenische Grenze. Der Bahnhof in Shiraz ist modern und hat von Fahrkartenschalter über Kinderspielecke, Gepäckschließfächern, Gebetsräumen, Ladestationen fürs Handy, Wasserspender bis zu kleinen Ständen mit Essen und Erfrischungen alles, was man so erwartet. Um reinzukommen, muss man durch eine Gepäckkontrolle, Fahrkarten (Foto auf dem Handy) und Pass vorzeigen. Alles entspannt und schnell erledigt. Auch hier fährt nahezu kein Zug. Am Nachmittag einer um 16:45 Uhr nach Teheran und dann unserer um 17:45 Uhr nach Mashhad. Reale Abfahrtszeit war allerdings 18:45 Uhr.
So langsam schweift der Blick zurück und sortiert Eindrücke. Die Menschen im Iran sind durchweg freundlich, auch wenn es manchmal ein wenig aufdringlich in Richtung Geschäftemachen geht. Die Städte unterscheiden sich wenig von entsprechenden Städten zB in der Türkei. Sehr viele Händler überall, kleine Cafés, Lebensmittelgeschäfte und Restaurants mittendrin. Sehenswürdigkeiten sind hier vor allem Moscheen, Paläste und große, ursprünglich üppig angelegte Gärten. Uns fehlt der historische Hintergrund, das alles richtig einzuordnen.
Reichlich Konfusion erzeugt das Geld. Hätten wir uns eine Touristen(debit)karte besorgt, wäre einiges vielleicht einfacher gewesen und wir hätten immer mit Karte bezahlen können. Wenn man mit Bargeld unterwegs ist, gibt es zB 10.000er, 100.000er und 1.000.000-Scheine. Diese Zahlen sind alle Rial. Beim Einkaufen werden die Preise nun manchmal in Rial ausgezeichnet, manchmal steht aber auch ein kleines „t“ dahinter. Das sind dann umgangssprachlich Toman – dafür dividiert man durch 10. Dh 1.000.000 Rial werden zu 100.000 Toman. So, und jetzt geh mal einkaufen und die Preise (die man ohnehin nur auf dem Taschenrechner gezeigt bekommen kann, weil man nix versteht) können in Rial, Toman und in der besten Variante Toman ohne Tausender (also statt 100.000 Toman nur noch 100) gezeigt werden. Meist hab ich beim Geldscheinraussuchen getroffen, manchmal aber auch grandios danebengelegen. Übrigens haben alle Verkäufer meine Fehler korrigiert. Eigentlich müsste der Iran bei Kopfrechenmeisterschaften relativ weit vorn mit dabei sein. Für Touristen, die mit den zehn Ziffern (١٢٣۴۵۶٧٨٩٠) nicht klarkommen, ist es eigentlich aussichtslos.
Zurück in den Zug. Diesmal fahren wir wohl 1. Klasse, so genau kann ich das nicht rausfinden. Das Abteil ist dunkelrot gepolstert, iranisches Schmuck-Dekor, Klimaanlage und wieder zwei, noch auf Windows 7 laufende Bildschirme, an denen man aber nix verstellen kann. Die Wagen könnten vom selben Hersteller wie die türkischen kommen – auch hier reicht die Bettlänge gerade nicht für meine ausgestreckten 1,94m. Und es gibt sowohl europäisches als auch asiatisches Klo. Zum Abendbrot bekommen wir Chicken-Sandwich, Tee und einen kleinen abgepackten Kuchen.
Als Mitreisende gesellt sich eine 29jährige Hebamme zu uns. Verheiratet, zwei Kinder (das älteste ist sieben), ihr Mann arbeitet als Ingenieur in der Öl- und Gasindustrie. Sie fährt mit einer Freundin (Fitness-Trainerin) nach Mashhad in den Urlaub. Und spricht glücklicherweise ein wenig Englisch. Obwohl bei uns ein Platz frei bleibt, bekommt sie ihre Freundin auch nach längeren Diskussionen mit dem Schaffner abends nicht zu uns ins Abteil getauscht. Den Grund haben wir nicht so ganz verstanden. Am nächsten Morgen geht’s dann.
Die Fahrt geht wieder durch unendliche grau-braune Weiten. Komplett unwirtliche Gegend. Auch die vielen kleinen Bahnhöfe sind ins Nirgendwo gebaut. Keine Ahnung, wann hier mal jemand ein- oder aussteigt. Irgendwann morgens hält der Zug für längere Zeit, auf dem Gang plötzlich viel Bewegung – unsere Mitreisende macht uns auf die Gelegenheit zum Toilettengang aufmerksam. Das scheint mir aber nicht der Grund für den Stopp zu sein, es ist wohl eher Zeit fürs Morgengebet. Am frühen Nachmittag nochmal dasselbe. Längerer Gebetsstopp. An einem Kiosk kann man in der Zwischenzeit die Lebensmittelvorräte aufstocken oder nen Tee trinken.
Die Bahnfahrkarten kosten nicht viel. Laut Preis auf dem Ticket waren es für die erste Fahrt ca. 10 USD pro Person, diesmal 25 USD. Das iranische Reisebüro, über das wir alles gebucht haben, stellt 25 bzw. 50 EUR in Rechnung. Scheint mir ok, da irgendein weiterer Zwischenhändler noch mitmischt.
Allerdings hatte ich vier Tage vor der Einreise in den Iran noch eine ganz harte Diskussion um die Preise mit dem Reisebüro und ernsthaft überlegt, ob wir’s sein lassen. Die Planungen mit dem Büro haben im Juli angefangen und es war ein dauerndes Hin und Her, was wir selbst wollten und was das Reisebüro uns verkaufen wollte. Hab immer wieder eingebremst und um Preisangaben für verschiedene Alternativen (Busfahrt, Bahnfahrt, Fahrer usw.) gebeten. Da kam nix zurück und als dann kurz vor Reisebeginn noch Aufschläge für Zimmer reinzukommen drohten und später nochmal Aufpreise für Ausländer in der Bahn, ist mir der Kragen geplatzt und ich habe damit gedroht, gar nicht zu kommen. Da offenbar Bahntickets schon gekauft und Hotels schon gebucht waren, wurden die Verhandlungen konstruktiv, wir haben Preise für die einzelnen Hotels und Transfers bekommen und konnten auf der Basis alles fest machen. War nur nervig, da wir uns gerade im Zug von Jerewan nach Tbilissi befanden mit entsprechend schlechter mobiler Verbindung. Am Ende haben uns die zehn Tage Iran 1.100€ cash gekostet plus 250€ für Eintritte, den Reiseführer in der ersten Stadt (Tabriz) und Essen, Trinken, Kleinigkeiten.
Beim vorletzten Stopp in Shiraz wollte sich die Reisebüro-Frau dann nochmal mit uns treffen und Rückmeldung zur Reiseerfahrung im Iran haben. Das war für mich ok, bis sie vorschlug, ein kleines Video zu drehen. Nee, das dann doch nicht. Und plötzlich war auch kein Bedarf mehr an nem Treffen. Kann ich ja alles gut verstehen und ist am Ende konsequent geschäftstüchtig gedacht. Muss man halt gegenhalten und sehen, dass trotzdem alles läuft. Und das tut es bis hierhin.
Wir kommen in Mashhad nach 26 Stunden Fahrt mit drei Stunden Verspätung an.
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Etappe III Geheimnisvolles
Der letzte Tag in Shiraz. Wir checken aus, bestellen unser Taxi für den Nachmittag und machen uns auf den Weg zum Ali Ibn Hamza Mausoleum. Kameras müssen abgegeben werden, bei der Sicherheitskontrolle werde ich gebeten, von meinem Wasser (2l-Flasche) zu trinken. Dann ist alles fein. Wir bekommen als Ausländer von einer sehr gut Englisch sprechenden Mitarbeiterin eine Führung. Das Mausoleum ist mit vielen kleinen Spiegelteilen verkleidet und macht dadurch einen prunkvollen Eindruck. Ähnlich den diversen Pagoden in Asien. Während wir im Mausoleum sind, findet gerade eine Zeremonie für den getöteten Hizbullah-Chef statt. Eine Delegation mit Plakaten „Down with the US“ schließt sich den Gebeten an. Ansonsten nutzen Gläubige das Mausoleum für private Gebete.
Uns wurde fotografieren mit dem Handy erlaubt (nicht mit professioneller Kamera). Während ich ein Foto von einer Delegation mache (nur von hinten), wird ein junger Mann auf mich aufmerksam, bespricht sich mit Kollegen und verschwindet. Einen Augenblick später stellt sich jemand bei unserer Führerin vor, klappt seine Geheimdienstmarke aus und möchte gern die Fotos auf meinem Handy sehen. Kurzer Blick. Ok, nix Kritisches. Händedruck, goodbye. Nervosität verflogen - auf beiden Seiten.
Wir laufen dann noch ein wenig durch die Stadt, holen uns Äpfel, frisches Brot, Wasser und ein paar Aprikosen für unsere Zugfahrt. Entdecken bei einem Händler Tierhäute, die – wie in viel früheren Zeiten – als Wasserbehälter genutzt werden. Und einen Truck mit abblätternder Werbung, bei der aus Snickers ein Sniper geworden ist…
Einzelne Militärflugzeuge jagen von Zeit zu Zeit über die Stadt. Bis auf das Foto und die Flieger spüren wir hier noch nichts von der angespannten Weltlage. Unser Schweizer Mitreisender hat sich allerdings heute Morgen entschlossen, nicht mit der Fähre nach Dubai zu fahren, sondern den Landweg über Kuwait zu nehmen...
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Zum Frühstück treffen wir Pierre, den 68jährigen Schweizer mit dem Motorrad. Er ist 100 Tage unterwegs und will als nächstes nach Dubai (Motorrad wird verschifft). Dort hat er vor ein paar Tagen den Termin für die anstehende Inspektion vereinbart – geht alles.
Wir haben heute noch einen vollen Shiraz-Tag. Zunächst geht’s in den Eram-Garten. Eine schöne Gartenanlage mit Granatapfel- und Orangen-Hain, einem kleinen Palast und aufwändigen Bewässerungsanlagen. All die alten Paläste konnten nur mit ausreichend Wasser funktionieren. Die offenen Kanäle hatten darüber hinaus für die Spaziergänger kühlende Funktion. Die moderne Variante sind Sprühnebelanlagen, die wir an einer großen städtischen Flaniermeile entdecken. In kurzen Abständen wird kaltes Wasser in feinem Nebel über die Spaziergänger gesprüht. Das erfrischt tatsächlich.
Im – heute durch die Universität verwalteten – mittlerweile botanischen Garten merkt man, dass wir uns am Ende der Hitze- und Trockenphase befinden. Teile des Gartens werden nicht bewässert, ein Teil der Pflanzen ist kaum zu sehen. Ein Teil wird zur Erholung in Pflanzkübeln in den Schatten der Bäume gestellt.
Auch das relativ breite Flussbett in der Stadt ist komplett trocken, das dürfte sich im nächsten Frühjahr ändern. Insgesamt ist es ein hartes Leben in diesen Ecken der Welt – mit heißen Sommern und kalten Wintern. Der Tag wird deutlich leichter, wenn man von 14 bis 17 Uhr in Innenräumen ist und ab 18 Uhr in das entspanntere Leben in der Stadt eintaucht.
Zum Garten und zurück haben wir die Metro genommen, die aus uns nicht bekannten Gründen heute kostenlos gefahren ist. Die gesamte Metro-Anlage entspricht der in Isfahan. Moderne chinesische Züge und Bahnhöfe. Allerdings ist auch hier die begleitende Infrastruktur (Ticketautomaten, Lesegeräte zum Abrufen des Guthabens usw.) komplett abgeschaltet. Der erste und letzte Wagen sind wieder für Frauen reserviert, aber über die gesamte Zuglänge mischen sich Männer und Frauen. Leider fahren wir nur zwei Stationen, danach geht’s wieder zu Fuß durch die Stadt. Hin und wieder fallen uns Moped-Blocker auf dem Gehweg auf. Es ist in der Tat reichlich nervig, wenn die Horden an Mopedfahrern dauernd von vorn oder hinten die Fußgänger aus dem Weg hupen. Aber mit dem Verkehr war das hier im Iran ja ohnehin so ne Sache…
Am Abend bummeln wir nochmal über den kleinen Markt und holen uns erneut Mais mit Käse/Gewürzen, frittierte Gemüsetaschen und – für die morgige Fahrt – frisches Brot und ein halbes Pfund Mandeln. Ein größeres Fladenbrot kostet ca. 10 Cent, die Mandeln 8 USD/kg.
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Etappe III Geheimnisvolles
Das Hotel hält nicht ganz, was wir uns erhofft haben. Internet-Zugang ist schwer bzw. nicht zu bekommen, erst am Morgen schaffen wir mit Hilfe eines netten Rezeptionisten zumindest ein iPhone zu verbinden. Mehr wird nicht. Das hauseigene Restaurant haben wir trotz guten Willens am Ende gemieden. Karten ohne Preise finden wir halt nicht mehr so gut. An der kleinen hoteleigenen Bar hatten sich die Preise zwischen Bestellung und Bezahlung auch schon wieder verändert…
Wir stapfen daher etwas missmutig zum Frühstück. Dort gibt’s ein kleines Buffet mit ein paar landestypischen Dingen, die wir langsam kennen – insgesamt alles schon ok. Wie in Isfahan sind alle anderen Gäste Iraner, keine Ausländer. Nur an den Sehenswürdigkeiten hören wir mal Russisch, mal Spanisch und gelegentlich Englisch. Bei der Rückkehr vom ersten Stadtbummel trauen wir daher unseren Augen nicht – ein Motorrad mit Schweizer Kennzeichen vorm Hotel. Allein unterwegs. Es gibt Leute, die sind mindestens so verrückt wie wir.
In der Stadt selbst gab’s nicht so viel zu sehen. Es ist Sonntag, die Geschäfte haben nur vereinzelt auf. Die äußerlich seht schöne Zitadelle ist in ihrem Inneren wieder ein kleiner Garten mit Wasserbecken. Die Zimmer wurden an den Innenseiten der Mauern angelegt, heute hatten dort mehrere moderne Kunsthandwerker ihre Werke zum Verkauf angeboten. Nicht unser Geschmack.
Wir freuen uns auf heute Abend, da wir gestern kurz einen lokalen Bauern-/Kunsthandwerkermarkt entdeckt haben, den wir heute fürs Abendessen nutzen wollen.
Die Vorfreude wird nicht enttäuscht. Gleich am ersten Stand bestellen wir ausschließlich mit Zeichensprache zwei Suppen und frisches Brot. Wieder „Welcome“ und das gemeinsame Wollen, eine Verständigung zu finden. Freundliche Menschen. Das wiederholt sich beim Mais-Käse-Gewürze-Snack, beim Eis und bei einer ausgebackenen Gemüse-Teig-Tasche. Alle wollen nur die (kleinen) lokalen Preise, immer werden wir mit einem Lächeln verabschiedet.
Nach dem Essen setzen wir uns zu zwei Musikern, die Schwung in die Abendbummelanten bringen. Vor ihnen steht eine kleine Kartenlesemaschine, mit der man „den Hut füllen“ kann. Wir werfen was in die Tasche, die danebensteht. Hier in Shiraz ist es in der Tat so, dass man mit Bargeld Probleme bekommt. Alles wird über Kartenzahlung erledigt – für Touristen gibt es deshalb auch eine Touristencard, was wir aber zu spät verstanden haben. Selbst einen Bettler mit Kartenlesegerät haben wir gesehen…
Von der Musik und dem leckeren Streetfood wieder mit der Stadt versöhnt, schlendern wir ins Hotel zurück.
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Etappe III Geheimnisvolles
Es geht weiter. Von Isfahan nach Shiraz. Der Fahrer ist pünktlich, es geht wieder durch weite Flächen, karge Berge dazwischen, das Gras verdorrt, gelegentlich Mais oder grüne Bäume. Hin und wieder suchen Ziegen auf ganz kargem Boden zwischen all den Grasbüscheln nach Verwertbarem. Mir wird klar, warum die Saitlingsdärme für meine Pfefferbeißer aus solch harschen Regionen kommen. Die halten halt was aus.
Auf der Strecke tanken wir auch einmal. Und der Fahrer erklärt mir, dass der Benzinpreis im ganzen Land bei ca. 30 Cent liegt. Er hat eine Tankkarte, die zum Auto gehört und kann pro Tanken 60 Liter zu dem Preis tanken. Tanken kann er, so oft er will. Wenn er mehr als 60 Liter braucht, hat er ein zusätzliches Budget von 100l/Monat, die allerdings zum Preis von 60 Cent. Ob ich das alles richtig verstanden habe, weiß ich nicht. Falls, könnte der Grund für diese Staffelung vielleicht die Sicherstellung der Versorgung der Tankstellen sein.
Kurz vorm nächsten Ziel – Shiraz – halten wir an einer Grabstätte für persische Herrscher aus längst vergangenen Zeiten. Riesige Reliefs in den Felsen, weit oben (unzugänglich für uns) die Grabkammern. Ansonsten können wir das kaum einordnen. Genauso wenig wie Persepolis – ein ehemaliger Palast, der auch für Gottesdienste und Zeremonien diente. Viel ist nicht erhalten, aber das, was man sehen kann, spricht für großartige Wirkung zu den Blütezeiten. Alles in poliertem schwarzen Stein fertiggestellt, in den Mauern bereits Drainage-Rohre, die das Regenwasser auf die vor dem Palast liegenden Felder geleitet haben. Beeindruckend. Außerdem sehen wir, dass Schmierereien an Kunstobjekten keine Marotte der Neuzeit sind, das erste Graffito war wohl Steinmetzarbeit...
Eine halbe Stunde nach Persepolis kommen wir an unserem Ziel an. Wir übernachten wieder in einem Hotel mit Innenhof. Nicht ganz so nett wie das letzte, aber eine schöne Anlage im alten Teil der Stadt.
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Etappe III Geheimnisvolles
Heute ist der letzte Tag Isfahan. Da wir durch den Tag trödeln und uns erholen, kann ich mal ein paar unsortierte Eindrücke zum Iran runterschreiben. (und zwei kleine Videos zum Hotel und zur großen Imam-Moschee hochladen)
Der Iran ist sehr groß. Bei unseren bisherigen Fahrten haben wir vor allem wüstenähnliche Landschaften gesehen, dazwischen ordentliche Bergmassive. Jetzt im Spätsommer ist fast alles braun und verdorrt – einzelne Ausnahmen finden sich an den Füßen der Berge und Flussrändern. Die Autobahnen sind gut ausgebaut und qualitativ ok. Tankstellen in regelmäßigen Abständen, Mautstationen gibt es, einige werden als „Only eTolling“ angekündigt, andere als „Cash only“. Zunächst war ich überrascht, dass es eToll gibt, bei genauerem Hinsehen schienen aber alle Stationen außer Betrieb. Nirgendwo jemand zu sehen, der Maut kassierte, nirgendwo auf-und-zu-gehende Schranken.
Ansonsten gibt es aber überall reibungslos funktionierende Kartenzahlungen. Das wird so häufig genutzt, dass wir an den Sehenswürdigkeiten mit unseren Geldscheinbündeln als Außerirdische angesehen werden und der Kassierer gelegentlich gar nicht weiß, wie er cash verbuchen muss. Und auch das normale Internet funktioniert so einigermaßen, inklusive Zugang zu Spiegel, New York Times oder NZZ. Das WLAN in den Hotels schwankt stark. Beim Mobilfunk hingegen gelingen in den Städten nahezu immer stabile Verbindungen. Für social media (egal, ob Telegram, Whatsapp, LinkedIn usw.) brauchen wir VPN. Klappt manchmal, manchmal nicht. Interessant ist, dass mein Laptop (Windows) oder Firefox offenbar aufgrund der amerikanischen Verbote von sich aus mehr blockiert als die Apple-Systeme. (Randbemerkung: in einem Schaufenster lächeln uns Angela Merkel und Michelle Obama von Buchdeckeln an.)
Nahverkehr funktioniert mit aufladbaren Karten, von denen auch mehrere Fahrgäste abgebucht werden können. Zumindest in Isfahan sind diese Karten allerdings nicht so einfach zu bekommen. Unsere Suche danach hat zu skurrilen Szenen geführt. Wir wollten an einer Metrostation eine Karte kaufen, aber erst am nächsten Tag Metro fahren. Nun gab es an dem Schalter keine Karten, aber der Verkäufer deutete uns an, wir sollten zu einer kleinen Tür gehen, er mache die auf. Ich versuche ihm klar zu machen, dass ich nicht fahren will. Dieses Hin und Her macht immer mehr Vorbeigehende auf uns aufmerksam – am Ende haben uns 10 oder 15 Leute angeboten, auf ihrem Ticket mit in die Metro zu kommen. Das ist nur eine kleine Anekdote zur Gastfreundschaft der Iraner - auch wenn wir uns selten verständigen können, sind die Menschen immer wieder hilfsbereit. Zeigen uns, dass Ampeln nicht funktionieren (blinkt rot), bieten uns von ihrem Essen an, einer der Fahrer hat bei ner Pause auch für uns ein kleines Eis gekauft. Und obwohl klar ist, dass wir die Schrift nicht lesen und kaum mit den Riesengeldstapeln und Zahlen umgehen können, werden wir in den allermeisten Fällen nicht über den Tisch gezogen (bisher in einem Restaurant, in dem die englische Speisekarte offenbar absichtlich ohne Preise war).
Mittlerweile können wir stolz berichten, endlich unsere Nahverkehrs-Chipkarte bekommen zu haben. Damit sind wir Metro gefahren. Die Stationen sind modern und ziemlich neu, die Bahnen selbst moderne chinesische Bauart, das ganze unterstützende Ticketautomatensystem (Ticket kaufen, Guthaben prüfen, nachladen, …) ist allerdings in allen Stationen vom Strom getrennt. Es gibt immer ein kleines Fenster, hinter dem jemand die Karten auflädt. Der erste und letzte Waggon der Bahn sind rot lackiert und für Frauen. Innen kann man allerdings durchgehen und Frauen scheinen auszutesten, wie weit sie sich bis zur Mitte bewegen können.
Die Männer-Frauen-Trennung ist im öffentlichen Leben unterschiedlich stark ausgeprägt. Unser Fremdenführer in Tabriz hat erzählt, dass an iranischen Stränden Männer und Frauen getrennt baden müssten. Konsequenz? Man fährt als Familie in die Türkei in den Urlaub.
Der Militärdienst dauert 20 Monate (früher 24) – ohne abgeleisteten Dienst kann man weder den Führerschein machen noch heiraten. Die Schulferien sind am Tag unserer Einreise nach drei Monaten zu Ende gegangen, die Menschen hatten den letzten Tag nochmal für Picknicks außerhalb der Städte genutzt. Volle Straßen auch außerhalb der Städte – in den Städten ist der Autoverkehr der Horror. Schult allerdings die Reaktionsschnelligkeit der Fahrer.
Insgesamt erstaunt, wie viele Menschen ihren Lebensunterhalt mit Handeln bestreiten. Riesige Märkte in jeder großen Stadt, jede Menge Geschäfte entlang der Straßen. Wer das alles kauft – keine Ahnung. Teppiche jedenfalls werden auch von Iranern als Geldanlage gekauft. (Seidenteppiche hängen an der Wand, Wollteppiche liegen eher auf dem Boden) Neben den Teppichen bleibt Gold die liebste Geldaufbewahrung, insbesondere als Schutz vor Inflation. An den Ständen mit kleinen Goldmünzen beobachten wir dann auch häufig streng gläubige (schwarzer Hijab) ältere Frauen.
Besonders widersinnig ist die ständige Verfügbarkeit von und das Interesse an USDollar. Vermutlich als Inflationsschutz, aber eben auch als Zeichen, wie tief der USDollar im weltweiten Handelssystem verankert ist (und alle chinesischen oder russischen Bemühungen zu dessen Ablösung hoffnungslos erscheinen lässt). Zwar hören wir, dass Euro im Iran besser funktionieren, doch das ist aus meiner Sicht dem Wechselkurs geschuldet. Hier werden alle Preise für Touristen immer nur in einer Zahl kommuniziert. Dh, der Ausflug nach XY kostet 25 EUR bzw. 25 USD. Je besser der Euro steht, desto lieber wird er genommen…
Das zeigt in meiner Beobachtung die Händlerprägung des gesamten Geschäftslebens. Und auch viele freundliche „Hello“s oder „Welcome“s enden im Vorschlag, doch im Teppichladen oder bei den Kühlschrankmagneten vorbeizuschauen. Wer will’s ihnen verdenken. Das Land ist reich, eine ganze Reihe von Menschen wirken aber arm. Sanktionen und Boykotte hinterlassen sichtbare Spuren. Zudem hat auch der Iran mit Flüchtlingen zu kämpfen. Ca. drei Millionen Afghanen sind in den Iran gekommen und gefährden als billige Arbeitskräfte den sozialen Zusammenhalt. Insbesondere, weil der Anteil der Jugend an der Bevölkerung im Iran sehr hoch ist und sich die Jungen ein ganz normales Leben mit Arbeit und Familie wünschen.
Und noch eine letzte Beobachtung: wie in diversen andern Ländern Asiens auch, werden Schutzfolien auf Stühlen, Polstern, … nicht entfernt. Vermutlich, um die Lebensdauer zu verlängern bzw. Verschmutzungen zu vermeiden.
Kurze Videos
Imam-Moschee
Innenhof Traditional Hotel Isfahan
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Etappe III Geheimnisvolles
Nachdem wir beim gestrigen Abendbrot kein ganz glückliches Händchen hatten, empfängt uns das Frühstücksbuffet im Hotel deutlich gaumenfreundlicher. Wir nehmen Frisches (Obst, Gemüse, dicke Milch) und probieren Neues (Tomaten-Ei-?-Gemisch), dann tingeln wir in die Stadt. Erst zur Post, dann in einen alten Palast, in eine Moschee und zum Goldmarkt. Letzterer ist für Marta eine Enttäuschung, da sie auf echtes Handwerk gehofft hat, nun aber nur nachgemachtes Designerzeug sieht. Die Imam-Moschee hingegen beeindruckt durch die Höhe, die kunstvollen Mosaike und die scheinbar unendlichen Mengen an korrekt verlegten Kacheln. Da man sich als Tourist die wenigen Sehenswürdigkeiten unbedingt anschaut, sind die Eintrittspreise auch entsprechend festgelegt. Während Einheimische etwas unter einem USDollar bezahlen, stehen für Touristen 5 USD an der Tafel. Der Unterschied verschwindet hinter den unterschiedlichen Zahlschriften. Wer die indisch-arabischen Zahlen nicht lesen kann, merkt überhaupt nix. (In Tschechien hab ich mal von ner Speisekarte gehört mit Preisen in Zahlen für die Touris und ausgeschrieben für die Einheimischen - auch schlau.)
Genauso beeindruckend ist der riesige Platz (Naqsch-e-Dschahan), an dem sich die Moschee, ein Palast und noch eine weitere Moschee befinden. Ein riesiges Areal, mit langen geraden Wegen, großen Wasserflächen in der Mitte und reichlich grün zwischen Außenmauern und Wasser. Abends sitzen hier viele Iraner beim Picknick und spielen Fuß- oder Volleyball. Pferdekutschen fahren die Touris einmal ums Wasser, Eisläden verkaufen komisches Eis – es herrscht reges Treiben und eine sehr entspannte Atmosphäre.
Beim weiteren Bummel durch die Stadt schauen wir uns noch eine Brücke an, die zur Zeit in einem komplett trockenen Flussbett steht, im Frühjahr aber von ordentlich Wasser durchspült werden dürfte. Jedenfalls liegt eine ganze Batterie Tretboote auf dem Trockenen. Gegen 14.30 Uhr sind wir zurück im Hotel. Viele Geschäfte machen Pause und wir können ein wenig Ruhe vertragen. Nehmen uns noch etwas Obst und Wasser mit und fallen auf die Betten.
Bevor es in die Stadt geht, legen wir wieder mal einen kleinen Waschtag ein. Zum ersten Mal mit den Waschmittelblättern, auf die Marta zu Hause umgestiegen ist. Funktioniert hier auch bei der Handwäsche gut. Nur das Trocknen geht trotz der Temperaturen nicht so schnell wie gewünscht.
Beim Abendessen dann endlich mal ein Treffer. Sehr leckeres Essen in geschmackvoller Atmosphäre. Den Abend verbringen wir wieder im Innenhof unseres Hotels. Schreiben und recherchieren ein bisschen, frische Weintrauben und Pfirsiche neben uns.
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Etappe III Geheimnisvolles
In unser Abteil kamen bei einem der nächsten Halte noch ein Vater mit seinem kleinen Sohn (Kindergartenalter) dazu. Es ist ganz schön zu sehen, wie alle Eltern auf der ganzen Welt dieselben Probleme haben. Ein kleiner leicht verwöhnter Prinz, der lautstark durchsetzen wollte, was ihm passte, der mit irgendeinem Handy daddelte, nur Cola trinken und nur langsam ins Bett wollte. Die beiden waren aber sehr angenehme Mitfahrer. Gastfreundlichkeit auch hier – als sie ihre Omeletts gegessen haben, wurden wir sofort eingeladen, zuzugreifen. Verständigung war über Zeichensprache hinaus leider nicht möglich.
Das Bettzeug befindet sich in den iranischen Schlafwagen in einer Tasche, die „fest“ zum Abteil gehört. Bettwäsche gibt’s dann vom Schlafwagenschaffner. Zugtoiletten haben keine Geschlechtertrennung, ein kleines Waschbecken (und reichlich parfümierte Seife) müssen für die kleine Wäsche reichen. Wir haben uns auf den Speisewagen gefreut, dann aber feststellen müssen, dass lediglich Fertigessen wie im Flugzeug serviert wird – inklusive der Alufolienschalen. Na, danke. Dann halten wir uns an unsere Süßigkeiten. Beim Weg zurück in unser Abteil beobachte ich, wie ein Mitreisender eine Mülltüte einfach aus dem Fenster wirft. So klärt sich auf, warum überall viel Plastikmüll in der Landschaft zu sehen ist – insbesondere an den so beliebten Picknick-Plätzen direkt an den Straßen.
Wir wachen morgens gegen 06.00 Uhr auf, da haben wir schon 30 Minuten Verspätung, am Ende sind es fast 90 Minuten. Unser Fahrer wartete seit 04.00 Uhr am Bahnhof und sollte uns jetzt noch 450km fahren. Auf knapp der Hälfte der Strecke machen wir einen Stopp, um uns einen schön angelegten Garten und eine große Moschee anzuschauen. Danach geht es weiter. Die Autobahnen sind vom Zustand ziemlich gut, es darf 120km/h gefahren werden. Spurtreue und Überholen unterscheiden sich allerdings komplett von zu Hause. Immer mal wieder begegnen wir Autos mit fragwürdigen Dachlasten, wir tanken einmal und fahren ansonsten durch trockene Ebenen, gelegentlich an Bergen vorbei. Man kann die Hitze förmlich sehen, so braun ist alles. Nur am Fuß mancher Berge gibt es ein wenig Mais oder ähnliches. Dort sammelt sich vermutlich Regen- oder Schmelzwasser. Bei unserer Ankunft in Isfahan zeigt das Thermometer 35°C.
Wir sind in einem wunderschönen kleinen traditionellen Hotel untergekommen. Der Innenhof ist mit Pflanzen und Wasserbecken angelegt. Rundherum gehen die Zimmer wie Nischen nach außen. Abends setzen wir uns bei milden 26°C auf eine der typischen Sitzbänke (Schneidersitz!) im Innenhof, lassen uns zwei Limonaden bringen und genießen unser kleines persisches Paradies.
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Etappe III Geheimnisvolles
Die Nacht war so la-la. Es ist echt kalt geworden, hab mir ne Decke geholt. Und mein Infekt ist immer noch nicht weg. Wir gehen zum Frühstück. Am Buffet finden wir Bekanntes (Spiegeleier, Gurken/Tomaten, Feta, Honig) und Unbekanntes (u.a. Dattel-Honig-Nuss-Paste). Im Anschluss checkt Marta noch mal den Internetzugang, den sie abends ans Laufen gebracht hat. Und stellt mit Schreck fest, dass fast die gesamten 2 GB bereits verbraucht sind. Lag wohl am VPN. Müssen wir uns drum kümmern.
Kurz vor neun sind wir an der Rezeption und checken aus. Bekommen unsere Reisepässe wieder und Herr Khan wartet schon. Als erstes geht’s zu Irancell, wir laden 15 GB nach. Kostet drei USDollar. Danach laufen wir durch den Markt, der gigantische Ausmaße hat. 5.500 Geschäfte, 23 Karawansereien, endlose Gänge. Ohne Fremdenführer ist man hier komplett verloren. Es gibt Gold-, Gewürz-, Teppich- (große und kleine Knoten separat), Süßwaren-, Obst-, Schuh- und noch zig andere Märkte. Wir schauen in einer Wollfärberei vorbei, trinken nen Tee in einem Wasserpfeifencafé, und fotografieren viel.
Dann besuchen wir noch eine Moschee, die nahtlos mit dem Markt verbunden ist. Sie umfasst vier große Gebetshallen, mal mit, mal ohne Stützsäulen. Die Böden sind mit schweren Teppichen bedeckt. Licht fällt durch bunte Fenster.
Im Anschluss brauchen wir einen Geldwechsler. Da hat sich gestern schon leichtes Ungemach angedeutet. Ich hatte 100-USD-Banknoten aus 2006 dabei. Die werden im Iran oft nicht mehr akzeptiert. Fürs Bezahlen der Reise haben sich bei mir noch neuere gefunden, fürs Taschengeld möchte ich aber gern wenigstens einen oder zwei von den 2006ern verwenden. Erst nach mehreren Telefonaten findet sich ein Geldtauscher, der gegen einen kleinen Abschlag auch 2006er Scheine nimmt… Was ich zurückbekomme, ist von der Höhe des Stapels kein Taschengeld, sondern eher Koffergeld. Zwei USDollar sind zur Zeit ungefähr 1 Mio Rial. Die Scheine bekommen wir in 500.000er und 1.000.000er Stückelung. Dicke Tasche ab jetzt.
Geschäftstüchtig wie er ist, empfiehlt Herr Khan uns noch eine Fahrt in ein Bergdorf. Dort leben die Menschen seit Jahrhunderten in Höhlen, mittlerweile allerdings mit Strom, Heizung, fließend Wasser. Das Leben ist trotzdem schwer. Im Winter liegt für mehrere Monate Schnee, dann werden Teppiche geknüpft oder Obst und Nüsse für die Touristensaison verpackt. Direkt an den Flussläufen (rundherum völlig trockene karge Berge) wachsen Walnuss-, Mandel-, Kirsch-, Aprikosenbäume – entsprechend leckere Trockenfrüchte und Nüsse kann man kaufen. Wir nehmen zudem noch Halwa (sehr süße Sesamspezialität).
Bei der Fahrt zurück zum Bahnhof wabern wieder Dieselabgase in die offenen Autofenster. Insgesamt gibt es sehr viel Autoverkehr mit entsprechender Abgasglocke über der Stadt. Der Autoverkehr selbst ist auch nichts für zarte Gemüter. Es geht kreuz und quer mit viel Gehupe und Drängelei.
Gegen 15.00 sind wir am Bahnhof. Am Eingang müssen wir durch eine Sicherheitsschleuse. Es piept, wir drehen uns um. Der dann folgende Hinweis des Beamten bezieht sich aber nicht auf unser Gepäck, sondern auf Martas leicht verrutschten Schleier. Ansonsten gab es bezüglich Kleidung bisher aber keine Probleme. Wir beobachten bei den einheimischen Frauen eine relativ lässige Art, den Schleier zu tragen. Der Bahnhof selbst ist eine helle, große Halle mit vielen Sitzen aber keinen abfahrenden oder ankommenden Zügen. Unser Zug um 16.35 ist der nächste. Als der Zug aufgerufen wird, gehen wir mit einem Foto unserer eTickets durch eine Kontrolle. Und immer wieder hören wir „Welcome.“, auch beim Schlafwagenschaffner und dem Polizisten auf dem Bahnsteig. Das Abteil empfängt uns mit zwei laufenden Fernsehern (irgendeine Sitcom) und komplettem Tee-Set (Teebeutel, heißes Wasser, Gebäck). Die Sitze sind sauber und weich, die Wagen insgesamt aber etwas älter. Wir ziehen die Schuhe aus und drehen nach einem vollen Tag langsam runter…
Ursprünglich wollte ich keinen Reiseführer in Tabriz haben. Und Herr Khan war auch nur für die Fahrt Grenze – Tabriz gebucht, hat sich dann aber sofort für weitere Hilfe angeboten. Bei mir ruft sowas immer eine gewisse Ablehnung hervor. Am Ende haben allerdings zwölf Stunden gemeinsames Organisieren und Rumlaufen genau das richtige Maß an Einführung in den iranischen Alltag gebracht. Geldtauschen, SIM-Karte aufladen, meine festgerosteten arabischen Zahlenkenntnisse wiederbeleben, Einchecken im Hotel (Pässe werden abgenommen), Prozedere am Bahnhof (Visum vorzeigen) usw. All das im Schnelldurchlauf zu bekommen, hat uns vermutlich sehr viel Zeit und wahrscheinlich auch Geld gespart. Wir fühlen uns gerüstet für die nächste Stadt. Es geht mit dem Zug nach Teheran (an 05.35), von dort direkt weiter mit einem Fahrer nach Isfahan.
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Etappe III Geheimnisvolles
Auf geht’s in einen vermutlich langen, anstrengenden und aufregenden Tag. Zunächst mal müssen wir zum Busbahnhof – dank Bolt-Taxis ist das schnell erledigt. Dann gilt es, am Busbahnhof überhaupt erst einmal Busse zu finden. Unten und auf der ersten Etage befinden sich riesige Flure mit Geschäften. Auf der zweiten Etage werden wir fündig. Müssen aber dreimal nachfragen, bis wir endlich den Bus ins 300km entfernte Astara gefunden haben. Vor ner Woche hatte ich unsere Tickets online gebucht und immer mal verfolgt, ob überhaupt noch jemand dazu kommt – mit der Sorge, dass dann der Bus vielleicht nicht fährt. Am Ende sitzen 28 Personen in unserem Bus, der mit 20 auch schon voll gewesen wäre. Neben mir, auf der anderen Seite des Ganges, eine alte Frau. Ganz in schwarz, die Ärmel leicht gold-blau bestickt. Schwarzes Kopftuch, ebenfalls blau-gold verziert. Darüber noch ein weißes Kopftuch. Die Hände gepflegt, kurze Fingernägel, aber von körperlicher Arbeit Finger, die doppelt so dick sind wie meine. Ansonsten sitzt im Bus alles vom Arbeiter bis Familienvater im Anzug.
Knapp eine Stunde vor der geplanten Zeit kommen wir in Astara an. Ein netter Mitreisender hilft uns bei der Orientierung, wie wir zur Grenze kommen. Taxi nehmen, 2 Dollar bezahlen. Klappt. Nur wir müssen die Grenze suchen. Wir gehen auf eine offene überdachte Halle zu, deren Rückwand schwere Gitter bilden, die gut für Viehgitter durchgehen. Kurz davor gibt es nach links einen Durchgang, der zu einem Tor führt, an dem Uniformierte stehen. Da wir unsere Pässe schon in der Hand haben, werden wir rangewunken. Endlich Abwechslung im tristen Alltag. Oh, Germania. Gleich per walkie-talkie weitergemeldet – wir sollen durchgehen. Es geht durch komplett verödete Gänge, die alten Duty-Free-Zeichen und Zigarettenwerbungen blättern ab. Hier war früher viel los, seit drei Jahren gar nichts mehr. Einreise auf dem Landweg nach Aserbaidschan unmöglich. Und die paar, die nur rauswollen, kann man an einer Hand abzählen. Nächste Station Zollkontrolle. Einmal die Rucksäcke und Taschen durch den Scanner geschickt. „Auf Wiedersehen.“ auf deutsch. Oh, denken wir, das geht ja super schnell. Dann Passkontrolle. Der Beamte findet was und bittet uns, Platz zu nehmen und zu warten. Ein paar Minuten später kommt ein Oberleutnant und befragt uns auf Englisch, was wir in Armenien gemacht hätten und ob wir wüssten, dass dies der Feind Aserbaidschans sei. Ein paar Sätze später und sehr freundlich erklärt er uns, dass wir weiter dürften, aber ein Protokoll angefertigt werden müsste. Das dauerte dann alles länger, immer wieder unterbrochen durch Nachfragen nach dem aserbaidschanischem Visum, dann dem iranischen, unseren Telefonnummern usw. Erst als das iranische Visum als gültig bestätigt wurde, gibt’s den Stempel in den Pass.
Danach laufen wir einen ca. 50m langen Gang entlang, an dessen Ende wieder ein Viehgitter-gleiches Tor ist. Ein Beamter schließt die Kette auf, lässt sich unsere Pässe geben und fragt per Walkie-Talkie, ob wir gerade durch die Passkontrolle gegangen seien. Wir verabschieden uns und haben nun nur noch den Weg nach vorn. Das Visum Aserbaidschan ist nicht mehr gültig… Es geht über eine Brücke, ab der Hälfte wehen iranische Fahnen. Am Brückenende ein netter junger Soldat, der sich auch über Abwechslung freut. Kurzer Blick auf die Pässe, dann kommt schon der nächste Grenzer. Pässe abgeben und bitte dort entlang. Wieder abblätternde Duty-Free-Zeichen, wieder völlig verwaiste Flure. Wir werden in einen Warteraum gesetzt, per Handy-Übersetzungs-App erfahren wir, dass das System für ausländische Bürger gerade abgestürzt sei. Es geht dann aber doch relativ schnell, wir bekommen unsere Pässe, werden immer wieder gefragt, wo wir herkämen und dürfen zum Zoll. Dort steht schon unser Abholer, Herr Khan, und winkt. Die Rucksäcke werden gescannt, alles gut. Wir verlassen das Gebäude, Herr Khan beginnt schon mit seinen Erklärungen. Plötzlich ein kurzer Ruf – es gibt noch ein Problem. Wir sollen noch zur Polizei kommen. Werden in einen Raum gebeten, mögen uns doch gern hinsetzen. Glücklicherweise ist Herr Khan dabei. Es wird Tee angeboten. Wir lehnen erst ab, erfahren dann aber, dass man die Gastfreundschaft nicht ablehnen sollte. Ja, gern trinken wir Tee. Es werden Fragen nach unseren Berufen gestellt, wo wir im Iran hinwollen, wie lange wir bleiben, welche Transportmittel usw. Das alles nicht zack, zack, zack. Sondern verwoben mit Gesprächen über deutsche Fußballklubs, deutsche Automarken, iranisch-türkisches Essen und noch mehr. Die Atmosphäre bleibt dadurch lockerer (auch wenn ich ziemlich angespannt bin). Zudem wundern sich die iranischen Beamten, dass wir die Stempel von Armenien und Aserbaidschan im Pass hätten. Wie wir das denn geschafft hätten.
Am Ende ist alles gut. Auch dank Herrn Khan, der immer wieder auflockernd und übersetzend eingreift. Wir verabschieden uns, bekommen gute Wünsche für die Reise mit und erleben wieder einmal eine leichte Bewunderung für alles Deutsche.
Die Fahrt nach Täbriz sind nochmal 300km – das schlaucht ganz schön. Eine Pause zwischendurch, kleiner Tee, Brot, Äpfel, getrocknete Kirschen und Pfirsich aus dem Garten des Fahrers. In Täbriz angekommen, geht’s kurz ins Hotel, an der Rezeption spricht auch jemand deutsch, danach nimmt Herr Khan uns in einen Stadtbus mit. Frauen hinten, Männer vorn (das gilt wohl nur für Stadtbusse, in der Metro etc. sei gemischt üblich). Ein erster Spaziergang über eine Flaniermeile – es ist kein Unterschied zu westlichen Städten zu sehen. Im Gegenteil, die Geschäfte sind gut besucht, Imbissstände überall und wir bekommen immer wieder „Hallo.“, „How are you?“ oder „Welcome.“ zugerufen. Schnell die Finanzen in Herrn Khans Büro erledigt, dann organisiert er uns noch einen leckeren Kebap. Wir sitzen nicht an Tischen, sondern auf mit Teppich ausgelegten Podesten im Schneidersitz. Bekomme ich natürlich nicht hin und werde belustigt von den Einheimischen beobachtet. Das Essen schmeckt trotzdem. Herr Khan setzt uns dann in ein Taxi und wir sinken erschöpft auf die Betten. Schreiben an unserem Blog und versuchen, der SIM-Karte das Datenvolumen zu entlocken…
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Etappe II Kaukasusregion
Wir haben lange geschlafen, vielleicht auch, weil uns nachts die Mücken ein wenig gepiesackt haben. Dann geht’s aber los zum obligatorischen Stadtrundgang. Marta sucht die zu besuchenden Orte raus und führt uns durch die Stadt. Das ist unsere Arbeitsteilung – ich muss parallel halt die nächsten Bahn-/Bustickets buchen, Unterkünfte im Auge behalten und den Weg vom Bahnhof zur Unterkunft (Verkehrsmittel, Bezahlung, Geld besorgen) planen.
Unser Stadtbummel führt uns zunächst in die Altstadt, die sehr schön restauriert ist. Dort gibt’s jede Menge Touristen, islamische, westlich(-christlich)e und asiatische. Die Altstadtarchitektur ist muslimisch geprägt, später sind europäische Einflüsse dazugekommen. Granatapfel- und Olivenbäume wachsen nebeneinander auf öffentlichen Flächen. Im neueren Teil der Stadt wurde am Wasser ein 3km-Boulevard angelegt, riesige Glaspaläste prägen den Horizont, aber auch Wohnhäuser wurden modern gebaut. An den Straßen finden wir noch letzte Zeichen vom Formel-1-Zirkus, der in der letzten Woche in Baku durchzog. Und auf dem Wasser entlag der Promenade liegt ein dünner Ölteppich.
Ansonsten fallen uns ein Kakteen-Garten auf, eine mit Kussmündern verzierte Wand, ein „Deutsche-Produkte-Laden“, alt-sowjetische Improvisationsanschlüsse für Wasserleitungen, selbst-getunte und wahnsinnig schnelle Mountainbikes zur Essenauslieferung, Gondoliere in einem sehr künstlichen „Klein-Venedig“, denen Social Media und Sprachnachrichten wichtiger sind als ihre Gäste und sehr viele Geschäfte und Restaurants für die Reichen und Schönen. Wir freuen uns immer, wenn wir einen kleinen Laden finden, in dem vorwiegend Einheimische essen. Und haben hier in Baku Glück mit einem äußerlich reichlich unansehnlichen Laden, in dem wir lecker Döner und Lahmacun bekommen.
Insgesamt erscheint die Stadt auch heute ein bisschen wie ein Schmelztiegel aus muslimischen und europäischen Traditionen und Völkern – wobei russisch schon relativ viel zu hören ist. Die Aserbaidschaner haben sich allerdings auf Touristen aus der ganzen Welt eingestellt und sprechen sowohl Englisch als auch Russisch. Daher können wir mit einem Mann auf dem Boulevard und unserem Hotel-Gastgeber länger über die Stadt und den Tourismus allgemein reden. Die Menschen sind weltoffen, wenn nur die Einreise nicht so mühsam wäre.
Unser Abendessen ist wieder sehr lokal und sehr lecker, einzig eine Pepperoni hätte uns fasst umgebracht. Schärfegrad auf der Scoville-Skala wahrscheinlich um 100.000. Reingebissen und Ende der Veranstaltung. Unglaublich scharf. 🥵Wir genießen beim Rückweg ins Hotel nochmal die Abendstimmung und denken an morgen. Es beginnt eine neue Etappe und wir müssen sehen, wann wir uns auf diesem Kanal wieder melden können...
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Etappe II Kaukasusregion
Wache früh auf und muss dringend ins Bad. Über meine ohnehin schon leichte Magenverstimmung hat sich noch n leichter Infekt gelegt. Mit durchschlagendem Ergebnis. Löse mir nen Tütchen Elektrolyt auf und schlucke eine Perenterol. Das sollte eigentlich reichen. Wir sind müde, draußen regnet es leicht, so richtig Lust auf einen letzten Bummel in der Stadt haben wir nicht. An der Hotelrezeption können wir netterweise unsere Rucksäcke abstellen, danach laufen wir abseits der touristischen Ecken zum großen Lebensmittelmarkt. Im Prinzip gleichen die sich überall – bis auf Spezialitäten, die es eben nur in einzelnen Städten/Regionen gibt. Trotzdem macht es Spaß, durch die Gänge zu schlendern.
Nur kaufen können wir nix, weil es heute Nachmittag mit dem Flugzeug nach Baku geht und wir ohnehin Sorgen mit unserem Gepäck haben. 10kg Handgepäck mit 55x40x23 sind erlaubt. Das wird in mehreren Dimensionen knapp. Wir haben die Klamotten übereinander an, um Luft im Rucksack zu schaffen, Akku, Festplatte, Laptop usw. sollen in den Jackentaschen verstaut bzw. in der Hand mit an Bord genommen werden. Mal schauen, ob das klappt. (Wir hoffen, dass dies unser einziger Flug bleibt. Er ist nötig, da man nach Aserbaidschan nur per Flugzeug einreisen kann. Ausreisen auf dem Landweg soll funktionieren. Wir werden es ausprobieren.)
Auf dem Rückweg zum Hotel fragen wir in zwei Apotheken, ob sie Magnesium-Tabletten haben. Der alte Mann hat nach 10/12km-Fußweg-Tagen gelegentlich Wadenmuskelschmerzen. Ja, die hätte man. Döschen mit 90 – 120 Tabletten (Tagesbedarf) kosten zwischen 29 und 60€. Auf meinen erschreckten Blick kommt der Hinweis, dass die aus Deutschland seien. Geniales Pricing. Absolutes Hochpreissegment, um die Oberschicht hier in Georgien abzuschöpfen.
Zum Flughafen fahren wir erst Metro und dann Bus. Beim Umsteigen soll uns google maps helfen, aber sowohl die App als auch wir sind hoffnungslos verloren. Glücklicherweise hilft uns ein Mann auf Russisch tatsächlich weiter – den Weg hätten wir nie gefunden. Im Flughafen müssen wir als Erstes zur Gepäckkontrolle. Das ist die erste Hürde. Mit all unserem elektronischen Zeug, den Tuben und Sprays für diverse Zipperlein, Zahnpflege oder gegen Mücken laufen wir Gefahr, dass wir den gesamten Rucksack komplett auspacken müssen. Was sehr ärgerlich wäre, da wir schon mühsam auf die Gepäckgrößenbeschränkung hin gepackt haben. Bei mir ist alles fein, Marta erwischt es aber. Am Ende ging es um eine kleine Klinge in einem Kompaktbesteckset, das man auseinandernehmen kann. Der Rucksack geht nochmal in den Scanner, alles gut, Besteck dürfen wir mitnehmen. Die Passkontrolle zieht sich etwas, bleibt aber ohne Probleme.
Nun müssen wir noch in den Flieger kommen. Und das hat geklappt. Nach kurzem Flug drücken die Ohren wegen meiner Erkältung ganz ordentlich. Am Boden läuft dann alles glatt durch. Pass- und Zollkontrolle, Geld abeheben, Busticket kaufen, Fahrt in die Stadt. Schnell ins Hotel und dann was fürs Abendessen gesucht. Bakus Stadtzentrum überrascht total. Abends sind viele Menschen auf den Straßen, die neuen/renovierten Gebäude werden festlich beleuchtet, überall Musik und in lauer Spätsommernacht trödeln die Menschen durch die Fußgängerzone. Mich erinnert das ein weing an Dubai.
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Etappe II Kaukasusregion
Heute morgen gab's wieder ein kleines Frühstück im Apartment, und wir klären mit der Unterkunft von übermorgen unsere Anreise. Parallel kommt der Steuerbescheid 2022 rein, der zu meiner Krankenkasse muss. Die Seite ist nicht erreichbar, auch per App funktioniert nichts. Beim Check, ob die Webseite offline ist, klare Ansage, dass sie probelmlos laufe. Oh. ??? VPN eingeschaltet und alles klappt. Offenbar werden armenische IP-Adressen irgendwo gesperrt.
Mit dem letzten Kleingeld fahren wir Metro zum Bahnhof. Setzen uns in ein Café und trinken noch was. Später suche ich im Bahnhof eine Toilette, finde nichts und klopfe bei der "дежурная вокзала" (Bahnhofsdiensthabende). Frage, wo es eine Toilette gäbe und bekomme ein schroffes "Keine Toilette" zurück. Nichts weiter. Ein mit im Zimmer sitzender Reinigungsmann erbarmt sich meiner, zeigt in eine Richtung und nuschelt etwas. Ich laufe in die gezeigte Richtung und hoffe auf eine Eingebung. Die kommt tatsächlich, als ich einen kleinen Markt sehe und den russischen Ausdruck für „auf dem Markt“ (на Рынке) mit dem lautmalerischen „Rinke“ des Mannes übereinanderbringe.
Beim Weg zum Bahnsteig fällt mir wieder der rote Getränkeautomat mit der Aufschrift „Sprudelwasser“ auf. Ach, jetzt kommen bei mir leicht wehmütige Erinnerungen an Kindheitstage am Schwarzen Meer zurück. Mit ner 3-Kopeken-Münze in der Hand sind wir zu diesen Automaten gelaufen, haben das im Automaten stehende Glas durch kurzen Druck gespült, unter die Ausgabe gestellt und das mit Sirup versetzte kalte Sprudelwasser erst ins Glas laufen sehen und dann mit Begeisterung getrunken. Wenn wir keine 3-Kopeken-Münzen hatten, tat’s eine Kopeke. Für Wasser ohne Sirup. Dieser Retro-Automat hier gibt leider Flaschen aus. Gegen Geldschein.
Interessant ist auch, dass es den Händlern/ Verkäufern hier in Georgien/Armenien schwerfällt, unsere Nationalität richtig zu erraten. Häufig werden wir als Russen angesprochen, auch als Serben, Slowaken, Brasilianer. Offenbar kommen vergleichsweise wenig Touristen aus Westeuropa hierher.
Im Zug teilen wir unser Abteil mit einer jungen Frau aus Kazakhstan, die gerade aus Polen, Deutschland und Moldawien zurückkommt und mit ihrer Mutter nun in Batumi noch einen Spätsommerurlaub verbringen will. Sie hat deutsche Wurzeln und einen deutschen Vornamen. Mit ihrem Deutsch und meinem Russisch kommen wir einigermaßen klar in der Verständigung.
An der armenischen Grenze sind wir mit der Passkontrolle wieder ruck-zuck durch. Auf der georgischen Seite funktioniert es diesmal auch entsprechend dem Fahrplan unseres Zuges. Pässe kontrolliert und gestempelt und weiter geht’s nach Tbilissi. Zum ersten Mal kommen wir pünktlich an. 0.11 Uhr. Da ich bei der Fahrt nach Jerewan einen Hinweis auf ein Hotel im Bahnhof gesehen habe, wurde schnell noch umgebucht, so dass wir 10 Minuten nach Zugankunft schon auf dem Zimmer sind. Vom Balkon schauen wir aufs nächtliche Tbilissi.
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Etappe II Kaukasusregion
Heute wurde ausgeschlafen. Dann Haare, Socken und Unterwäsche gewaschen. Kleines Frühstück zu Hause – Obst, Joghurt, unbekanntes Joghurtähnliches, etwas Gebäck. Und auf geht’s in die Stadt. Ein paar Standardsehenswürdigkeiten. Davon beeindruckt am meisten das Genozid-Denkmal. Wie die Wirkung entsteht, verstehe ich nicht, aber im Denkmal mit der ewigen Flamme ist man automatisch ergriffen. Interessant ist auch, dass man auf Fotos kaum unterscheiden kann, ob U-Bahn-Station oder Kirche. Die (ehemals) russischen Metro-Stationen sind teilweise ziemlich sakral gebaut.
Im Anschluss nutzen wir zum ersten Mal die YandexGo-App (russisches Äquivalent zu Uber/Bolt). Funktioniert auch bestens. Für unter 2€ fahren wir in nem Privatauto in 10 Minuten in die Stadt. Und lassen uns mit offenen Augen treiben. Obst in Hülle und Fülle, Wasserspender mit Trinkwasser in der ganzen Stadt, sozialistische Wohnblockssünden, Graffitis, viele Blumenstände, Kryptozentrum, Schnapsfabrik, Ampeln mit runterzählender Zeit. Und natürlich der Lebensmittelmarkt. Ein Teil ist auf Touristen eingestellt (abgepacktes Trockenobst), aber an den anderen Ständen gibt es von Fleisch über Käse, Gemüse, Fermentiertes, Obst, Hausweine, Hausschnäpse, Gewürze, … nahezu alles. Vor allem aber einen Riesenbereich mit großen Fladenbrotplatten, die übereinandergelegt geschnitten und verpackt werden. Einfach nur beobachten macht schon Spaß. Als Mittagsimbiss gibt’s für uns ein frisch gebackenes Fladenbrot mit Paprikapaste, Gewürzen und Käse.
Gegen Abend setzen wir uns in einen Park und machen die Beine lang, später essen wir in einem typisch armenischen Restaurant. Lecker. Im Anschluss muss ich mich um usbekische Bahnfahrkarten kümmern, da die besten Züge schon wieder ausgebucht sind. Alles nicht so einfach, wenn man im Heute Eindrücke sammelt und gleichzeitig sieben, vierzehn und bis vierzig Tage nach vorn planen muss...
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Etappe II Kaukasusregion
Der Zug kommt (aus Batumi) und fährt pünktlich. Mit uns zwei Frauen im Abteil. Marta und ich sind uns nicht ganz einig, ob Mutter und Tochter oder zwei ältere Damen, die vom gemeinsamen Nachsaison-Urlaub zurückkommen. Nägel fein lackiert, die Haut tief gebräunt. Im Kopf vielleicht die von Wehmut begleitete, langsam verblassende Erinnerung an viele aufregende Urlaube als Strandschönheiten in jungen Jahren. Zwei Strohhüte mit breitem GUCCI-Schriftzug baumeln etwas verlassen am Haken des Abteils. In Batumi wurden sie bestimmt keck, leicht aus der Stirn geschoben, auf der Promenade präsentiert. Jetzt warten sie darauf, zu Hause im Schrank zu verschwinden, wie all die anderen Sommersachen, die sich in den zwei Koffern stauen, die unter der gegenüberliegenden Sitzbank klemmen. Vor, zwischen und neben den Koffern stehen mehrere der obligatorischen Plastiktüten, die jeder russische/ georgische/ armenische Zugfahrer mit auf Reisen nimmt (die beiden kommen aus Armenien).
Gegen 01.50 Uhr stoppen wir an der georgischen Grenzstation. Die noch halb schlafenden Zuggäste torkeln zu einem beleuchteten Büdchen, einem Imbiss-Stand ähnelnd. Dort werden die Pässe kontrolliert und gestempelt. Nach einer halben Stunde sind alle wieder im Bett. Eine weitere halbe Stunde später kommt der Schlafwagenschaffner (sowas gibt’s noch) und bittet um die Pässe, schaut sie durch und legt sie aufgeschlagen und sauber gestapelt auf den Abteiltisch. Eine weitere halbe Stunde später schaut ein georgischer Polizist vorbei und stellt fest, dass alle Pässe ordnungsgemäß gestempelt sind. Wir fahren los und schlafen wieder ein. Einen Augenblick später erscheint der nette Schlafwagenschaffner erneut, macht das Licht an, während wir uns benommen die Augen reiben. Armenische Passkontrolle. Die Herren kommen mit kleinen Kästen, einer pro Abteil, und prüfen die jeweils vier Pässe. In fünf Minuten alles fertig, inklusive (schönem) Stempel.
Mit nun drei Stunden Verspätung setzt sich der Zug ruckelnd in Bewegung Richtung Jerewan. Die beiden Damen husten im Wechsel tief aus der Lunge. Vermutlich den Zigaretten gedankt, die neben den frischen Pfirsichen und dem Abfallbeutel auf dem Tisch liegen.
Am Morgen dann langsames Erwachen im Zug und in unserem Abteil. Aus dem Fenster ist der Ararat mit schneebedeckter Spitze zu sehen. Auf der Liege gegenüber wird ein letzter sonnengereifter Pfirsich vorsichtig mit dem Messer zerteilt. Wir fahren in Jerewan ein. Verspätung knapp zwei Stunden.
Für die Metro brauchen wir Bargeld. Schwer zu bekommen. Erst im vierten Versuch finden wir einen Geldautomaten, der was rausgibt. Glücklich, dieses Problem gelöst zu haben, fahren wir mit der Metro zum Apartment. Die Anweisungen zum Check-in kommen per Whatsapp. Moderne Welt. Nachdem wir drei Videos geguckt haben, finden wir den richtigen Hinterhof-Eingang und bewegen uns strikt nach Anweisung . Irgendwann landen wir im 6. Stock, Apartment Nr. 4. Hell, groß, mit großem Bad. Wunderbar, wir bleiben zum ersten Mal zwei Nächte.
Abends trödeln wir noch ein wenig durch die Stadt und finden wieder an jeder Ecke Automaten, an denen man sein Leben organisieren kann. Hab mal n bisschen gespielt - selbst Strafzettel und Steuern können per Klick bezahlt werden. Ein armenischer Rotwein begleitet mich und diesen Blog in die Nacht 🍷
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Etappe II Kaukasusregion
Auf dem Weg nach Tbilissi war unsere Unterkunft von Seiten der Gastgeberin schon fast storniert. Habe während der Busfahrt ordentlich Druck gemacht, wir hatten wohl etwas Glück und konnten letztlich ohne Aufpreis in ein größeres Zimmer. Beim Auschecken hab ich dann doch das größere Zimmer bezahlt. Hintergrund unserer (Fast-)Stornierung war ne Doppelbuchung, zudem hatten die netten Gastgeber gerade Ärger wegen eines Zechprellers.
Wir sind in den Sonntagmorgen aufgebrochen, haben unsere Rucksäcke eingeschlossen und uns durch Tbilissi treiben lassen. Noch n paar Sehenswürdigkeiten angeschaut und viele kleine Details entdeckt. Auch hier wird die Synagoge von der Polizei bewacht. An jeder Straßenecke stehen Automaten, an denen man ÖPNV-Tickets und Handys nachladen kann, Energierechnungen bezahlen, Finanzthemen regeln, mit Behörden kommunizieren usw. So kann Digitalisierung auch laufen.
An einer Straße sitzt ein Messerschleifer, an einer anderen sehen wir endlich nen Granatapfelbaum, ein Apple-Store findet sich in einem runtergekommenen Haus, eine „Schlauch-Endkappe“ ist ne abgeschnittene Flaschenhälfte – sozialistische Improvisation hat bis heute überlebt. Überall Hunde (mit Markierungen im Ohr), die allerdings meist ruhig im Schatten liegen. Und es wird viel geraucht. Männer, Frauen, alle Altersgruppen. Frauen auch gern die langen schmalen Zigaretten (gab's in meiner Jugend schon mal als Trend). Zum Ausruhen legen wir uns auf dafür vorgesehene Bänke im Park und genießen das angenehme Klima.
Am frühen Abend geht’s in eine umgebaute Fabrik – dort ist rund um eine Jugendherberge eine kleine hippe Community entstanden. Mit Restaurant, Cafés, Keramik-, Klamotten-, Barbershop. Sehr entspannt und nett, aber preislich auch schon wieder im höheren Segment. Direkt daneben ein Restaurant aus unserer Empfehlungsliste. Wir probieren neue Dinge – auch die schmecken. Danach machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Diesmal Metro – wie bei allen ex-sowjetischen U-Bahnen müssen wir tief unter die Erde. Wie bei allen ex-sowjetischen U-Bahnen wird die Wartezeit bis zur nächsten Bahn runtergezählt. Neu sind aber kleine USB-Ladestationen in den alten sowjetischen Wagen.
Wir warten mit ein paar Mitreisenden auf unseren Zug, der um 22.45 Uhr fahren soll. Mal schauen...
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Etappe II Kaukasusregion
Aufstehen um 7.00 Uhr. Wäsche abnehmen. Bloss nix vergessen!
Eigentlich wollten wir mit der Bahn fahren. Es gibt drei vernünftige Verbindungen am Tag, da hab ich gedacht, das ginge kurzfristig. Vor drei Tagen wollte ich langsam mal schauen, welchen Zug wir nehmen. Mit einer Woche Vorlauf war alles ausgebucht. Ärgerlich, weil ich längst die App eingerichtet und buchungsfertig gemacht hatte. Aber so ist das. Manche Züge bucht man Wochen im voraus und hätte im Zug noch ne Karte kaufen können. Hier waren die Tickets ruckzuck weg.
Egal. Dann eben ne Busverbindung gesucht, jetzt allerdings schon mit Zeitdruck. Gab noch Plätze, aber der Bus war auch schon ordentlich voll. Heute bei der Fahrt komplett voll. Wir fahren in nem modernen chinesischen Bus (Yutong) - an jedem Platz USB, Sitze komfortabel und kipp- sowie seitlich verschiebbar. Klimaanlage funktioniert, Federung ist in Ordnung. Gibt auch wieder WLAN, diesmal sogar mit Unterhaltungssystem (Filme, Bücher, Musik, …)
Es geht durch abwechslungsreiche georgische Landschaften. Bewaldete Gebirgszüge, große Ebenen - alles reichlich grün. Und wir kommen durch einige Dörfer. Die Häuser scheinen alle gleich - quadratische Grundrisse, zwei Etagen, kleine Gärten mit Obstbäumen, manchmal etwas mehr Fläche, dann gibt's auch Mais. Gelegentlich ein, zwei Kühe.
Am Nachmittag sind wir in Tbilissi. Und steigen gleich auf den ÖPNV um. Busse fahren reichlich, Kleinbusse (Marshrutka) auch. Wir müssen uns etwas orientieren, aber mit den google-Fähigkeiten meiner Tochter klappt das auf Anhieb. Alle Fahrten kosten 0,50€. Einzig mit den Anzeigen an den Haltestellen kämpfen wir. Georgisch gehört nicht zu unserem Programm...
Das Klima ist sehr angenehm. Abends sitzen wir bei leichtem Wind auf nem Hügel an einer Kathedrale. Drinnen läuft der Gottesdienst, wir genießen den Blick über die Stadt. Danach gehen wir nett essen - die Küche ist phantastisch. Sowohl Fleisch vom Grill als auch Rote Beete, Aubergineen, Bohnen, ... in diversen Variationen. Dazu Brot pur, mit Käsefüllung, Blätterteig und und und. An nem Obststand holen wir uns frische Pfirsiche und Khaki. Nebenan gibt's Kwas. Hier kann man den lieben Gott nen guten Mann sein lassen.
Nach dem Essen fahren wir noch mit der Gondel hoch zur Mutter Georgiens. Unter uns liegt die beleuchtete Stadt. Warum es nach dem Beginn des Ukraine-Krieges viele Russen hierher gezogen hat, ist unmittelbar verständlich. Auf dem Nachhauseweg hole ich mir noch ne halbe Flasche georgischen Weißweins, setze mich in den Innenhof des Hostels und schreibe diesen Blog...
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Etappe II Kaukasusregion
Batumi empfängt uns mit totalem Verkehrschaos und jeder Menge Hotelhochhäuser. Offenbar lässt der Tourismus die Stadt aufblühen. Wir probieren das erste Mal unsere Bolt-App aus, da es keinen zuverlässigen ÖPNV gibt. Funktioniert. Kurz ins Hostel, die erste größere Wäsche in Auftrag gegeben und ab an den Strand. Steinstrand und steil abfallendes Ufer. Nach drei Metern muss man im lauwarmen Wasser schon schwimmen. Hinterher wird die Stranddusche genutzt, ansonsten brennt das Salz auf der Haut.
Wir mieten uns zwei Fahrräder und fahren die Promenade rauf und runter. Es ist Nachsaison, die einheimischen Jungs müssen dem nicht mehr vorhandenen Publikum zeigen, was sie im Sommer so an Tricks auf ihren Elektrofahrrädern und -rollern gelernt haben.
Abends suchen wir uns was Nettes zum Essen. Teigtaschen (hier heißen sie Kinkhali) - sehr lecker, dazu n bisschen frisches Gemüse. Tomaten/Gurken mit Zwiebeln und Walnüssen. Und Aubergine mit Granatapfelkernen. Beim Spaziergang zurück durch die Stadt finden wir noch einen Cryptowährungsautomaten mit untypischem Publikum und später - endlich - meine geliebten Tschurtschchela (Walnüsse/Haselnüsse in Traubensaftkuvertüre). In der Altstadt herrscht nette Ausgehstimmung, allerdings ist das feuchtwarme Wetter reichlich schweißtreibend...
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Etappe I Raus aus Europa
Ankunft in Istanbul mit drei Stunden Verspätung, da wir aber ohnehin gleich in den Bus nach Georgien umsteigen, alles nicht so schlimm. Vor uns liegen 22h Busfahrt. Könnte heftig werden.
Wir setzen uns in der Nähe des Bahnhofs in den Schatten einer Dattelpalme. Ein improvisiertes Straßencafé bietet frisch gepressten Orangensaft und çay (Tee) an. Die letzten Euros helfen weiter, so bleibt uns der Gang zum Geldautomaten erspart. Am Busbahnhof jede Menge Trubel. Hier wird Handelsware nach Bulgarien, Rumänien, Georgien, Armenien verteilt, für Russland gibt's ne eigene Abfertigung. Im Bus taucht in irgendnem Rucksack ein Zwerghündchen auf. Der sei hyperallergen und sie habe eine Bescheinigung, versichert die russische Besitzerein. Nach kurzer Diskussion darf er bleiben. Scheint mir ok, schließlich kann man reguläre Tickets für Haustiere kaufen.
In der Zwischenzeit konnte ich mit dem lettischen Provider meine SIM-Karten-Probleme lösen. Es sind die gekauften 2GB Datenvolumen und 50€ Airtime aufgebucht. Parallel habe ich noch eine eSIM mit 20GB Daten für den gesamten Trip. Damit sollten wir – nun außerhalb des EU-Roamings – vorerst klarkommen. In Istanbul zeigt sich, dass erst noch ein paar Einstellungen geändert werden müssen. Mühsam, am Ende aber fein.
Die Fahrt beginnt einigermaßen entspannt. Trotz 30°C Außentemperatur ist es im Bus angenehm (ge)kühl(t). Das WLAN funktioniert bestens, es heißt ganz passend "Süperbox". Jede Sitzbank hat eine funktionierende 220V-Steckdose. Perfekt. 22 Stunden Bus werden dann aber doch sehr lang. Wir stoppen zunächst alle zwei bis drei Stunden, länger halten es die vielen Raucher wohl nicht aus. Was wird hier geraucht. Die verschiedenen Raststätten entlang der Autobahn sind offenbar Versorgungsinfrastruktur für ein ganz eigenes Bus-Transportsystem. Alle paar Minuten halten neue Busse. Aus ihnen stolpern schlaftrunkene Gestalten, die nach Zigarette, çay und gelegentlich nem kleinen Imbiss verlangen. Irgendwann hören wir auf der anderen Seite der Straße das Schwarze Meer. Von nun an fahren wir eine schier endlose Küstenstraße Richtung Osten.
Später die Passkontrolle Türkei – nur Männer. Schnell durch. Passkontrolle Georgien – nur Frauen. Unser Pass wird mit ner Lupe nochmal extra kontrolliert. Der Zoll interessiert sich nicht für uns. Auf dem Weg von der türkischen zur georgischen Passkontrolle kommen wir an herrenlosen Gepäckstücken vorbei, die bei uns eine Komplettevakuierung des Areals ausgelöst hätten. Hinter der Grenze dann jede Menge Geldwechselstuben und zwei Geldautomaten – die auch Georgische Lari von meiner VISA-Karte abbuchen und ausgeben.
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Etappe I Raus aus Europa
Es war dunkel und regnerisch, als wir ankamen. Es war grau und regnerisch, als wir aufwachten. Und irgendwie passte das Wetter zu der Stadt. Wenn man ein wenig genauer hinschaut, sieht man, wie die sozialistische Vergangenheit immer noch da ist, das kapitalistische Jetzt aber schrittweise übernimmt. Unten habe ich ein paar gegenüberstellende Fotos hochgeladen. Alt links, neu rechts.
Ansonsten hat Sofia aber im engeren Zentrum eine Reihe typischer Sehenswürdigkeiten aus den diversen Epochen – Kirchen, Moschee, Synagoge, altes Badehaus. Thermalquelle mit öffentlichen Zapfstellen. Den obligatorischen sozialistischen Palast.
An der Synagoge zeigt auch hier die Polizei permanente Präsenz, rund um den Bahnhof animiert das Ambiente eher zur Flucht als zum Verweilen, Kleinunternehmer allerorten wie in Polen und den neuen Bundesländern in den 90ern. Genau wie dort wird auch hier immer noch auffällig viel geraucht.
Die Gepäckaufbewahrung am Bahnhof ist der einzige Ort, an dem wir mit Cash bezahlen müssen. Ansonsten wieder Kartenzahlung überall. Das ÖPNV-Abrechnungssystem haben wir zunächst nicht verstanden. Kreditkarte/Handy-NFC-Chip werden an das Lesegerät in der Bahn gehalten, das System quittiert die erkannte Karte. Nichts weiter. Rätselnd habe ich meine zweite Karte an das Lesegerät gehalten. Auch die wurde quittiert. Nichts weiter. Am nächsten Morgen dann die Nachricht, dass von beiden Karten jeweils ein Ticket abgebucht wurde. Offenbar findet die Abrechnung im Laufe der Nacht statt. (Und da ich in meinem jungen Leben oft genug schwarz gefahren bin, betrachte ich diese eine extra Fahrt als späte (Teil)wiedergutmachung.)
Für den Nachmittag hat Marta eine kleine Food-Tour ausfindig gemacht. Wir besuchen nacheinander fünf kleine gastronomische Perlen und dürfen ein wenig probieren. Sehr lecker. Danach ist’s schon wieder Zeit für den Bahnhof. 17.50 geht’s weiter Richtung Istanbul. Wir hatten die Fahrkarten von jemandem in Sofia kaufen lassen (online ging nicht), sind nun auf unser Abteil gespannt. Und stehen dann ungläubig im türkischen Schlafwagen. Viel Platz, Waschbecken in der Kabine, sogar ein (funktionierender) Kühlschrank! Und im Gegensatz zu den vorangegangenen Zügen kann man die Klimaanlage tatsächlich gradweise verstellen. Es könnte eine entspannte Fahrt werden.
Zusatzinfo: in unserem Wagen gibt es eine europäische (Becken) und eine asiatische (Tritte) Toilette. Wir werden langsam auf Kommendes eingestimmt. Pass- und Zollkontrolle mitten in der Nacht. Um 1.30 kommt die bulgarische Polizei, ein paar Kilometer weiter müssen wir mit allem Gepäck raus. Erst Pass-, dann Zollkontrolle. Wir verlassen die EU. Gegen 3.00 sind wir wieder im Bett.
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Etappe I Raus aus Europa
Heute geht’s nach Sofia. Vorher noch ein kleines Frühstück. Und wir brauchen Briefmarken, weil uns gestern die Post im Palast die Tür vor der Nase zugemacht hat. Google zeigt uns ne Post an, dort ist aber das Berufungsgericht. Imposanter Bau mit Sicherheitsschleuse und Polizei. Wir fragen – ja, es gibt ne Post: einmal durch den Scan bitte, dann schräg durch die Halle, Gang rechts bis ans Ende, Treppe runter, dann wieder bis ans Ende, nach links und kurz vorm Ende auf der rechten Seite.
In den Katakomben des Gerichts, in denen mir Einkaufswagen voller Akten entgegengeschoben werden, finde ich einen winzigen Raum. Drei Frauen bewegen diverse Stapel Gerichtspost. Hinter einer schmalen rotbraun gestrichenen hölzernen Theke frühstückt eine der Frauen, beißt nochmal herzhaft in ihr Wurstbrot und verschwindet dann mit Teller und Tasse. Kommt wieder, nun aber mit einem großen dunklen Reinigungsfleck, der sich von der Schulter bis zur Mitte ihres grauen T-Shirts ausdehnt. Meinen Wunsch „Four stamps to Germany please." quittiert sie mit einem barschen „Only cash!" “Sorry, no Lei. Ten Euros?” Taschenrechner betippt, widerwillig greift sie den Schein (ich hatte vorher das Porto gegoogelt). Holt ein vollkommen glattes, blütenweißes A4-Kuvert aus den Tiefen eines Schrankes, fischt einen Bogen heraus und reißt gelangweilt Marken ab. Der Rest des Bogens und meine zehn Euro verschwinden wieder im Kuvert. Die Marken werden einzeln mit nem Pritt-Stift auf die Karten geklebt. Hier ist Publikumsbetrieb nicht vorgesehen. Mit einem „Many thanks.“ verabschiede ich mich. „Have a nice day“, hallt mir nett hinterher, während ich schmunzelnd die kafkaeske Szene verlasse. Besser keine Fotos, sonst geht’s mir noch wie Josef K. in „Der Prozess“…
Nun aber zum Bahnhof. Zug nach Ruse/Sofia wird angezeigt. Was zu essen besorgt und rein in den Wagen. Das ist ein alter Bekannter vom Waggonbau Vetschau aus DDR-Zeiten. „Abgeranzt“, meint meine Tochter und in der Tat haben schon viele schwere Körper die blauen Polster durchgesessen. Immerhin kann man zur Belüftung die Fenster runterziehen und den Kopf in den Fahrtwind halten – ein Vergnügen, das jüngere Generationen im Westen gar nicht mehr kennen. Allerdings sind die Toiletten auch noch aus der alten Zeit „Auf dem Bahnhof nicht benutzen!“
Die Strecke zur bulgarischen Grenze verläuft durch riesige Felder. Bis zum Horizont beste Schwarzerde, einzelne Traktoren tellern die Weizen- und Maisstoppeln. Und auch hinter der Grenze in Bulgarien endlose Felder. Ankunft mit ca. 60min Verspätung um 21.35. Für heute reicht's. Sofia ist dunkel und leicht verregnet. In der Straßenbahn hält man wieder nur das Handy an den Bildschirm.
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Etappe I Raus aus Europa
Einigermaßen pünktliche Ankunft in Bukarest. Als erstes die reservierten Bahntickets nach Sofia vom Schalter geholt. Dann in die U-Bahn (Ticket 0,60€). Und auch hier kann alles per Handy bezahlt werden.
Unser Apartment ist in einem alten, unansehnlichen Gebäude – sobald die Tür aufgeht, ist alles bestens. Danach ein Stadtrundgang durch Bukarest. Zwischen sozialistischen Wohnhäusern immer mal Altes und ganz Modernes. Am Ende eine Führung in Ceaucescus Stein gewordenem Irrsinn. 365.000qm hat der Palast des Volkes. 1,2m Tonnen Beton. Unten drunter ein Atombunker. Alles in weißem, pinkem, rotem und schwarzem Marmor verkleidet. Der größte Kronleuchter wiegt 5 Tonnen. 20.000 Arbeiter haben an dem Ding gebaut. Ca. 3m€ kosten Strom und Heizung pro Jahr. Ein Monument des Sozialismus. Der Diktatur des Proletariats.
Abends ist Bukarest ziemlich touristisch. Trotzdem ne nette Atmosphäre und viele einladende Restaurants. Freundliche und hilfsbereite Menschen.
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Etappe I Raus aus Europa
Ein sonniger heißer Sonntag. Rucksäcke in nen Locker gesperrt. Die ÖPNV-App aktiviert und kontaktlos in die Metro. Leckeres Bagel-Frühstück in einem kleinen Café, das wir noch vom letzten Städtetrip kennen. Einmal rüber nach Buda, kleiner Gartenausflug. Schatten. Und immer in Bewegung bleiben, sonst kommt der Schlaf.
Beim Abendbrot gehen wir auch kein Risiko und holen uns lecker Langos, wieder bei ner bewährten Adresse. Den gesamten Tag haben wir ohne Cash geschafft. Vom Schließfach übers Essen bis zur U-Bahn konnten wir alles per Karte bzw. NFC-Chip am Handy bezahlen.
Und schon ist’s Zeit für den Bahnhof. Zug nach Bukarest. Abfahrt 19.10 Sehr nettes Abteil, sogar mit In-cabin Toilette und Dusche. Dusche funktioniert zwar nicht wirklich, aber insgesamt trotzdem sehr angenehm. Zur Abwechslung fährt der Zug mal pünktlich los.
Gehen schnell ins Bett. Schlafen sofort ein, werden aber um 22.30 durch lautes Klopfen jäh aus dem Tiefschlaf gerissen. Passkontrolle. Erst Ungarn, dann Rumänien. 30min später (jetzt 0.00) ist alles vorbei. Sehr gut geschlafen. Bei nem Stop in Brasov holen wir uns schnell nen Kaffee und kleines Gebäck. Und immer noch kann alles per Handy-NFC bezahlt werden.
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Etappe I Raus aus Europa
Na, das geht ja gut los. Eigentlich sollten 2 GB Daten auf meiner eigens besorgten SIM-Karte sein. Hoffe, dass der Anbieter aus Lettland auf Anfragen reagiert.
Und dann fällt unser erster Zug (Stuttgart) aus. Ok, nun also Abfahrt ab Siegburg. Eine Stunde vor Abfahrt dann dasselbe Spiel. Zug fällt aus. Mannomann. Ordentlich Gas gegeben, die Sachen gegriffen und den vorangehenden Zug dank Autoshuttle unserer Tochter/Schwester gerade noch bekommen. Einigermaßen pünktlich Ankunft in Frankfurt.
Und während wir auf den Anschlusszug warten, Durchsage "der gesamte Bahnverkehr ist eingestellt". F***, jetzt wird's unangenehm. Kurz die Optionen durchgespielt - Mietwagen geht nicht, weil weder Führerschein noch Ausweis dabei. Taxi? Sehr teuer. Uber? Klappt. Noch ein Autoshuttle. Zwar nicht günstig, da bis Stuttgart. Aber funktioniert.
Doch auch der Zug ab Stuttgart hat schon wieder Probleme. Fällt aus bis München. Bis 16.00 war der Stand noch, dass der Zug an München vorbei über Passau umgeleitet wird. 🤷♂️Egal, müssen sehen, dass wir anders nach München kommen. Nette Unterstützung im Reisecenter. Züge rausgesucht, Stempel aufs Ticket. Reicht hoffentlich als Fahrschein. Leider weit und breit kein Zug, in dem wir das nutzen können. Spät kommt doch noch ein "Lumpensammler".
Um 00.06 sind wir in München. Sowohl der Schlafwagen nach Budapest ist weg als auch die Verbindung nach Salzburg, um den Schlafwagenzug ggfs. noch zu bekommen. Einmal haben 15min gefehlt, einmal 10min. Jetzt sitzen wir im Zug nach Wien. Abfahrt 01.07 Verspätet sich um mindestens 15min...
Wenn das hinter der deutschen Grenze nicht besser wird, weiß ich nicht, ob unsere Nerven das auf Dauer durchhalten...
Wir sind hart drangeblieben. Bis zum allerletzten Zug. Und haben in Salzburg unseren Schlafwagenzug tatsächlich noch erwischt. Um 03.30 endlich im Bett. Ähnlich Nächten, in denen ich auf Wildschweine ansitze. Gegen 08.00 wach geworden – ähnlich Tagen, an denen ich nach dem Nachtansitz morgens zur Nachsuche muss. Nicht super, aber immerhin ne Mütze voll Schlaf bekommen. Und schon wieder 90min Verspätung. Die stören uns aber nicht mehr so richtig. Ankunft in Budapest um 10.38
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So langsam bekommen wir alle Papiere zusammen. VISA werden heute offenbar nur noch selten in den Pass geklebt. Bei den einen gibt's ein Papier, das dann an der Grenze zum echten Visum wird, bei den anderen bleibt es schlicht ein Einlegezettel. Und manchmal ist es nicht mehr als eine Nummer, die dann geprüft wird. Die Zeiten ändern sich...
Die zehn Impfungen sind durch, Alipay funktioniert, auf der ELEFAND Liste sind wir eingetragen. Der Rucksack von der letzten Tour passt noch, VPN ist im Gepäck, die Krankenversicherung auf Langreise umgestellt, Durchsicht beim Zahnarzt war ohne Befund. Haare sind deutlich gestutzt. Viel mehr können wir von hier aus nicht vorbereiten, der Rest findet sich (hoffentlich) unterwegs. Elf Kilo Gepäck für drei Monate Nomadenleben - nicht viel und doch ganz anständig schwer auf dem Rücken.
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