Etappe V/VI Ostasien/USA
Bis 03.00 Uhr haben wir uns wachgehalten. Um 6.30 Uhr bin ich wegen Kälte schon wieder wach. Passt mir eigentlich ganz gut. Wir machen uns fertig und laufen zur U-Bahn. Kommen dabei an nem Kindergarten vorbei – dorthin bringen Väter und Mütter gerade ihre Kinder. Es ist für uns schon komisch zu sehen, wie die Kinder von den Erziehern mit einer Verbeugung begrüßt und die Eltern mit Verbeugung verabschiedet werden.
Als nächstes müssen wir unsere online gebuchten Tickets für den Zug zum Airport holen. Am Automaten ne lange Schlange, ein Ticket-Schalter macht auf. Zack bin ich drüben. Der Beamte scannt den QR-Code und macht dann irgendeinen Fehler. Daraufhin muss er den Code noch mehrmals scannen, offenbar irgendwas stornieren und neue Tickets ausstellen. Wir bekommen unser Ticket, wären am Automaten aber schneller gewesen. Am Flughafen beim Boarding Pass ähnliches Spiel. Am Automaten können wir nicht einchecken, also müssen wir an den Schalter. Dort bekommen sie den Boarding Pass auch nicht hin, sind irritiert, dass im Handy kein QR-Code angezeigt wird. Die Chefin muss kommen, am Ende haben wir alles. Beim Gewicht fürs Handgepäck wird’s kritisch. Ich hatte uns mit den beiden Rucksäcken auf jeweils 15kg „zugekauft“ (erlaubt waren 7kg), die Waage bleibt bei 29,7kg stehen. Marta hatte iPad und AirPods rausgenommen und unter der Jacke versteckt. Knapp, aber fein.
Bei der Sicherheitskontrolle wird mein Rucksack rausgeholt. Ob ich ein military knife hätte. Nee, hab mein Jagdmesser diesmal extra zu Hause gelassen. Mein Medizin-Set wird durchgeguckt und die Kontrolleurin findet mein Schweizer Obstmesserchen mit 5cm Klingenlänge und 0,7cm Klingenbreite wieder. Hatte ich schon als verloren abgeschrieben. Allerdings währt die Wiedersehensfreude nicht lange. Sie legt mir einen Zettel mit meinen Optionen hin. Habe wenig geschlafen und werde ungehalten. Bekomme mich aber wieder ein (in den USA kommt sonst uU noch größerer Ärger auf mich zu) und nehme Abschied von der kleinen ungenutzten Messerperle. Dann sind wir durch und gehen zum Gate.
Wir fliegen am 19.11. um 14.45 Uhr in Tokio ab.
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Etappe VI USA
Und landen am 19.11. um 07.30 Uhr in Los Angeles. Dh wir landen, bevor wir abgeflogen sind. Und erleben den 19.11. zweimal. 🙈
Dazwischen lagen neuneinhalb Stunden Flug. Da wir mit einer ganz billigen Airline geflogen sind, hab ich uns einen ausgestreckten Sitz gegönnt, auf dem man gut schlafen/ruhen konnte. In Los Angeles dann das übliche Schlangestehen vor der amerikanischen Passkontrolle. Hunderte Menschen, die sich langsam nach vorn bewegen. Am Schalter haben wir einen netten Beamten. Können alle seine Fragen ruckzuck beantworten und sind durch. Da wir nicht zum Gepäckband gehen, gibt’s auch keine Zollkontrolle für uns.
Wir fahren mit nem Flughafenbus in die Stadt und weiter mit der Metro. Die sieht reichlich heruntergekommen aus, genauso wie die wenigen Mitfahrer. An jeder Station Sicherheitspersonal. Ich gehe automatisch in eine Vorsichtshaltung. Wir kommen letztlich gut am Hotel an und riechen schon am Eingang Cannabis. Stellen unser Gepäck ab und laufen zurück zur U-Bahn. Die ist immer noch total leer und fährt in relativ großen Abständen – wir sind aus den letzten Wochen anderes gewohnt. Downtown LA gefällt mir nicht so richtig.
Dann fahren wir raus nach Hollywood zum Walk of fame. Und plötzlich ist das eine ganz normale Stadt. Bummeln dort und in der direkten Nachbarschaft. Typisch amerikanische Häuser. Marta hat sich einen bestimmten Burger-Laden rausgesucht (den man unter TikTok-Nutzern kennt🤷♂️), wir probieren die Sachen, die man laut Internet probieren muss. Alles lecker und mein „großes“ Getränk ist schon ein halber Eimer. Es gibt noch „sehr groß“.
Wir laufen, kaufen ein wenig Obst, fahren Bus, holen uns nen Kaffee und enden bei Sonnenuntergang an der Santa Monica Pier. Ein schöner Abend. Leider wird es mit der untergehenden Sonne am Wasser sofort ziemlich frisch. Zurück ins Viertel fahren wir wieder Metro. Die ist diesmal ordentlich voll, die zwielichtigen Gestalten sind weg. Allerdings steigen zwei Stationen vorm Zentrum die (fast) letzten Mitfahrer aus. Wir fahren zwei weiter und gehen auf einem lokalen Straßenmarkt noch was essen. Marta mexikanisch (Burrito), ich Hühnchen mit Fritten. Wir sitzen auf Plastikstühlen an nem wackelnden Tisch inmitten der typisch amerikanischen Bevölkerung. Mexikanische Großfamilien, einfache Amerikaner beim Bier, Leute mit Laptop. Und haben für zwei normale Portionen und zwei kleine Getränke 35 USD bezahlt. Dass arme Leute auf Fast Food ausweichen, ist finanziell sofort einsehbar.
Auf dem Nachhauseweg will ich noch ein Bier holen – muss aber an ner Tankstelle ein 3er oder Sixpack nehmen. Also 3er, dazu eine Pepsi Zero und zwei kleine Schokoriegel. 20 USD. Halleluja. Vielleicht sollte ich mal ne Drei-Tage-Fasten-Kur einlegen. Und mir ne Tüte bauen. Gegen den Hunger und den Blick auf die hohen Preise. In der ganzen Stadt riecht's immer mal wieder nach Cannabis. Und auf dem Heimweg sitzt dann auch wieder einer bewegungslos mit ner Spritze im Handrücken. Und doch läuft es sich witzigerweise nachts mit einem besseren Sicherheitsgefühl durch unsere Ecke des Viertels (Little Tokyo), weil jetzt Clubs und Restaurants zum Leben erwacht sind.
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Etappe VI USA
Die Nacht war ganz ok, allerdings kalt. Lausige Dämmung, da kriecht bei 10-11°C die Nachtkälte rein. Trotz der 22°C tagsüber. Machen uns morgens auf den Weg zur zweiten Sightseeing-Runde. HOLLYWOOD-Schriftzug, Beverly Hills, Rodeo Drive und Venice Beach. Wir essen unterwegs Tacos, kaufen für morgen für die Zugfahrt ein, holen uns nen Kaffee und abends nochmal nen Doughnut. Hab immer schön die Augen zugelassen bei den Abbuchungen. Vorher aber artig die Trinkgeldprozente eingetippt. Das nervt ganz schön, wenn man quasi genötigt wird, zu den ohnehin üppigen Preisen noch Trinkgeld (10% aufwärts) draufzuschlagen. Da das nach meiner Kenntnis für die Angestelltenlöhne verwendet wird, mache ich aber mit.
Umso erstaunlicher ist dafür das Preissystem der Metro-Bahnen und -Busse. Eine Fahrt kostet 1,25 – 1,75 USD. Und sobald man an einem Tag 5 USD voll hat, ist der Rest umsonst. Funktioniert einwandfrei mit unserer App auf dem Handy. Und für die Ärmsten gibt’s noch günstigere Lösungen. Deswegen sitzen die offenbar auch so regelmäßig in den Bussen/Bahnen inklusive ihrer Einkaufswagen mit Habseligkeiten.
Trotzdem ist’s im Bus manchmal sicherer als auf dem Fußweg. Da kommen nämlich hin und wieder so antennenbestückte Roboterautos angefahren und üben (?) offenbar irgendwelche Auslieferungsfahrten. Auch nachts. Halten an den Ampeln, fahren bei grün usw. Und auf den Straßen sieht man hin und wieder auch fahrerlose Autos von waymo. Das sieht ganz schön komisch aus, wenn mitten auf ner Kreuzung ein Auto ohne Fahrer steht und wartet, bis der Gegenverkehr durch ist. Ansonsten ist die Verbrenner-Auto-Welt hier aber noch in Ordnung. Vor den diversen Villen im Rodeo Drive stehen 2-4 große Autos, meist deutschen Fabrikats, selten englisch. Und es ist interessanterweise oft ein Toyota oder ein Lexus mit dabei. In den Läden rund um den Rodeo Drive gibt’s dann noch die oberen italienischen Modelle. Auf nem Parkplatz vorm Supermarkt findet sich allerdings auch schon mal ein Cybertruck.
Ach, die Amerikaner. Leben irgendwie anders als wir. Keine Dämmung an den Häusern, Aufputz-Verkabelung im Hotelzimmer, Abwasserrohre laufen an der Wand lang, Router sichtbar an die Wand genagelt. Und dann immer diese gigantischen Verpackungsgrößen. Und hier in Los Angeles ist auch noch alles zweisprachig englisch/spanisch. Als ich auf unseren Kaffee im McDonald’s warte (Marta ist schon mal vor zum Fotografieren), wird meine Bestellnummer auf spanisch angesagt. Verstehe ich natürlich nicht. Glücklicherweise hat ein Mitwartender meine Nummer gesehen und sagt Bescheid. Hilfreiche Menschen überall. Und auch der Busfahrer, der einen Obdachlosen bittet, nicht mit freiem Oberkörper im Bus zu sitzen, redet diesen mit „Sir“ an. Der Angesprochene antwortet übrigens mit einer Entschuldigung und zieht sich das T-Shirt über.
Zurück im Hotel schaue ich in die mails. „We wanted to let you know that train #14, …, has been CANCELLED due to weather conditions. Unfortunately, we don't have other transportation available.“ F***. Das hat uns gerade noch gefehlt. Zwei mails später sieht es nach einer Umbuchung aus. Müssen wir morgen checken und sehen, wie die Lage ist und was wir machen können.
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Etappe VI USA
Die Nacht war wieder kalt und die Zeitumstellung ist schon noch spürbar, wenn auch nicht so brutal. Ausgestreckt schlafen im Flugzeug hilft dann doch. So, zunächst mal die mails gecheckt. Wieder eine von Amtrak (Bahngesellschaft). Diesmal der Hinweis, wieviel Handgepäck mit welchen Maßen erlaubt sei. Offenbar fährt unser Zug. Na, dann mal fertig gemacht. Marta hat noch ein Telefonat mit Deutschland – letzte organisatorische Abstimmungen für ihr Praktikum. Es hat trotz zeitverschobenen Telefoninterviews geklappt. Super.
Wir stehen an der U-Bahn und sehen, dass die nächste Bahn erst in 25 Minuten kommt. Technische Probleme. Oh, no. Keine Lust auf weiteren Ärger. Der Bus ist aber keine Alternative, kommt auch erst in 15 Minuten und die Straßen waren rappelvoll. Also zu Fuß. Glücklicherweise (aus dieser Perspektive) hatte ich in der Nähe des Bahnhofs gebucht. So sind wir 20 Minuten später am Bahnhof. Cooles Gebäude, lässiger Wartebereich, ein paar Geschäfte. Wir holen uns einen Kaffee (Augen wieder zu beim Abbuchen) und da wird der Zug auch schon als zum Einsteigen bereit angesagt.
Es gibt keine reservierten Plätze, uns wird beim Einsteigen vom Schaffner ein Platz zugewiesen. Im Oberdeck. Alles sauber und ok, allerdings auch alles schon ein wenig in die Jahre gekommen. Die Sitze entsprechen früheren Business Class Seats der Airlines mit ausklappbarer Wadenstütze und halb zurückklappbarer Rückenlehne. Heute fahren wir nur tagsüber, da brauchen wir noch keine Schlafposition.
Wir fahren pünktlich ab, ich setze mich gleich in den Panoramawagen. Oberdeck mit hohen Fenstern. Ist echt ein anderer Blick auf die Landschaft als von unten. Vor uns liegen zwölf Stunden Zugfahrt. Wie wir von Oakland (eigentlich hatten wir eine Station weiter gebucht und von dort nach San Francisco – geht aber nicht) nach San Francisco kommen, schauen wir dann. Sollte aber relativ einfach gehen.
Im Zug wechseln wir ziemlich schnell in den Panoramawagen. Das ist ne coole Art, durch die USA zu reisen. Man sitzt quasi wie im Kino und fährt am Pazifik vorbei, durch die Graslandschaften und kleinen Orte. Man schaut dem Bauern in den Hinterhof der Farm, beobachtet die Surfer, die auf eine Welle warten und kann die Gedanken unendlich in die Ferne schweifen lassen. Die Unterwegs-Bahnhöfe sind meist ganz kleine Bahnhöfe mit einem Schalter, einem Warteraum, Getränkeautomaten und Klo. An einzelnen Stationen steigen trotzdem reichlich Fahrgäste ein. An Bord gibt es einen Speisewagen (teuer) und einen kleinen Kiosk (Preise wie am Kiosk in der Stadt). Bahnfahren nochmal völlig anders. Auch von den Fahrgästen. Hier sind vor allem ältere Mitreisende unterwegs und deutlich jüngere im Collegealter. Als es dunkel ist, werde ich von einem netten Mann gefragt, ob ich an einem Bibelkreis teilnehmen möchte - der dann (ohne mich) hinter mir im Panoramwagen auf Englisch und Spanisch stattfindet.
Oakland wird überpünktlich erreicht. Nun müssen wir nach San Francisco kommen. Marta hat schon mal recherchiert und festgestellt, dass unser Hotel in einem Viertel liegt, das man meiden sollte. Verdammt. Hab auf alles Mögliche bei der Buchung geachtet, aber nicht noch die kritischen Viertel vorrecherchiert. Und da ich preisbewusst unterwegs war, kann sowas passieren. Wir einigen uns, dass wir die 15 Minuten zur U-Bahn in Oakland laufen – es ist alles gut ausgeleuchtet und dass wir an der Station in San Francisco weitergucken. Wir haben Glück, die U-Bahn kommt sofort (wir hatten rechtzeitig die richtige ÖPNV-Karte aufs Handy geladen) und wir erreichen zügig San Francisco. Kommen aus der U-Bahn-Haltestelle und sind mitten in einem Shopping-Viertel. Zwar riecht es auch hier nach Cannabis und sind Drogenopfer zu sehen, aber es sind noch reichlich Menschen unterwegs, Kneipen und Restaurants offen und es gibt viel Licht. Bis zum Hotel kommen wir ohne Probleme. Bei genauerem Blick grenzt das Problemviertel an unseres, nur ein/zwei Straßen weiter. Morgen mal schauen, wie wir damit umgehen.
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Etappe VI USA
Die Schlechtwetterfront ist vorhersagegemäß zurückgekehrt. Wir schauen aus dem Fenster – Regen. Ok, dann erstmal zum Frühstück. Die ganz schlichte Variante. Pappteller, Plastikbesteck, Toast und Cornflakes. Tee oder Kaffee. Aber es reicht für eine kleine Stärkung.
Dann geht’s raus, wir fahren zum Hafen. Steigen aus und der Regen nimmt zu. Immerhin haben wir unsere Kautschuk-Schuh-Überzieher aus Shanghai dabei und streifen sie über die Schuhe. Laufen dann ein wenig über die Pier und erhaschen einen Blick auf Alcatraz im Regen. Vorn im Hafen liegen die Seelöwen auf ihren Pontons. Da die ganze Pier aus Holz gebaut ist, regnet es überall durch. Wir werden selbst unter Vordächern nass. Entscheiden uns für Rückzug und fahren zurück in unser Viertel.
Der nächste trockene Ort ist ein großes Kaufhaus für teure Marken – bloomingdale’s. Von acht Etagen sind nur noch drei belegt. Und auch auf denen sind auf dem Lageplan noch deutlich mehr Läden angezeigt als es gibt. Na, Marta bummelt, ich schreibe Postkarten und wir trocknen einmal durch. Danach wollen wir nen Kaffee trinken, laufen durch den Regen und stehen wieder vor einem aufgegebenen Kaffee-Laden. Sehen aber „Trader Joe’s“ und gehen in den Supermarkt. Das erste Mal vernünftige Preise. Ob das daran liegt, dass wir vor allem in Innenstädten unterwegs sind, weiß ich nicht.
Wir kaufen Äpfel, Bagel, Tee und Süßes. Und ziehen weiter im Regen. Finden ein Café und gönnen uns nen Tee/Kaffee. Gegenüber ist wieder ein Kaufhaus – Macy’s, also deutlich günstiger. Wir flitzen über die Straße und verabreden uns für später. Am Ende kauft Marta ne sehr günstige Levi’s und ein Nike-Shirt. Ich hätte mir auch fast ne Levi’s eingepackt. Aber bei mir passt wirklich nix mehr in den Rucksack.
Aber auch bei Macy’s sind kaum Kunden unterwegs, gibt’s heute schon Black Friday-Rabatte und wenig Personal. Kann sein, dass die ganze USA auf den Black Friday wartet. Ansonsten sahen mir sowohl Los Angeles als auch San Francisco aber nicht nach boomender Wirtschaft und Konsumenten mit Lust auf Einkauf aus. Derart viele Leerstände bei Gewerbeimmobilien, das muss irgendwann in den offiziellen Daten durchschlagen.
Na, nicht unser Problem. Wir müssen mit dem Regen klarkommen. Und entscheiden uns für einen kurzen Stop bei ner Apotheke, weil Marta was für ihren Hals braucht. Im Anschluss geht’s ins Hotel, in der Hoffnung auf etwas Wärme. Wir bekommen im Zimmer tatsächlich die Heizung an. Dafür tropft’s im Bad aus der Fassung der Deckenlampe. Der Schalter bleibt also auf „AUS“.
Gegen 18.00 Uhr wollen wir zum Mexikaner. Aber es regnet weiter unaufhörlich. Marta macht sich schlau, meldet sich bei DoorDash an und bestellt was aufs Hotelzimmer. 15 Minuten später werden die mexikanischen Burritos und Nachos in der Lobby angeliefert. Frisch geduscht würde ich dazu gern nen Schluck Rotwein trinken. Ziehe mir die Badelatschen an die nackten Füße und schlappe in den Alkoholladen zwei Türen weiter. Will nen günstigen amerikanischen Rotwein und finde nen Merlot. Leider mit Korken. Bekomme ich nicht auf. Aber der Verkäufer ist Kummer gewohnt und macht mir die Flasche auf. Dann kaufe ich noch zwei Lotterielose und stiefle wie ein heruntergekommener Clochard zurück in mein abgewohntes und tropfendes Hotel.
Die Burritos sind lecker, der Wein ist ok. Der Regen legt sich. Beim Rubbellos nix gewonnen. Die Welt ist in Ordnung.
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Etappe VI USA
Aufstehen, Blick aus dem Fenster, Straße trocken, Wolken mit blauen Lücken. Schnell runter zum Frühstück, für die Stadt fertig gemacht und los geht’s. Es ist reichlich frisch, ich hab meine Mütze vergessen und geh nochmal zurück. Komme wieder raus aus dem Hotel und es schüttet wie aus Eimern. Verdammt. Wieder zurück aufs Zimmer, andere Jacke an, Kautschuküberzieher auf die Schuhe und Martas mitgenommen. Wir treffen uns unter einem Vordach, es gießt. Als es eine kleine Regenpause gibt, flitzen wir zum Starbucks, holen uns nen Kaffee und stellen uns draußen an die Cable-Car-Haltestelle. Das Ding kommt auch sofort, nur wir dürfen mit unserem Kaffee nicht einsteigen. Der Tag fängt etwas unglücklich an.
Die nächste Bahn ist dann aber unsere, wir fahren wir vor 100 Jahren mit einer halboffenen Straßenbahn mit Holzbänken und Handbremse und -kupplung. Und während es San Franciscos steile Straßen hoch und runter geht, kommt die Sonne raus. Die anderen Mitfahrer haben durchweichte Schuhe und wollen wissen, wo wir die blauen Dinger an unseren Schuhen herhaben. An der Endhaltestelle steigen wir aus und bummeln wieder durch ein typisches Viertel mit netten Häusern. An einer Straßenecke sammeln sich die Leute für Selfies. Es geht um eine relativ lange gerade Straße, die sich durchs hügelige San Francisco zieht. An dieser Kreuzung kommen dann nacheinander die fahrerlosen waymo-Autos an und einige der Selfie-Fotografen steigen ein. Als wieder mal so’n Ding kommt, filme ich es – es kommt direkt auf mich zu, bekommt aber alles bestens hin und wartet auf die nächsten Fahrgäste. Oben am runden Display werden die Initialen des Bestellers angezeigt. Leider können wir die App nicht laden und sind damit von einer Probefahrt ausgeschlossen.
Wir fahren dann mit dem Bus Richtung Golden Gate Bridge und genießen dort am Ufer die Wärme der Sonne. Perfektes Foto-Wetter, auch für den nochmaligen Blick nach Alcatraz. Auf der Pier versammeln sich heute am Samstag viele Angler. Es geht vor allem auf Krabben. Erste Erfolge kann man sich schon zeigen lassen. Der nächste Bus bringt uns auf die andere Seite der Brücke – an den Pazifik. Ein breiter, langer Sandstrand mit guten Wellen. Auch hier Krabbenangler. Die Stadt hat echt was zu bieten.
Weiter geht’s in ein Viertel mit viel Second-Hand-Klamotten. Nix für mich und Marta gibt nach dem zweiten Laden auch auf. Günstig ist es hier nicht und die Suche nach was Schönem würde Stunden dauern. Wir holen uns noch nen Kaffee und bummeln weiter. Nehmen dann einen Bus zurück, kaufen für die morgige Zugfahrt ein, stoppen kurz im Hotel und gehen gleich wieder raus. Wir fahren nochmal Cable Car. Runter zum Hafen. Die Sonne ist untergegangen, wir laufen an den vielen Geschäften, Restaurants usw. vorbei. Am Samstagabend ist schon ganz ordentlich was los. Vorn, an der Pier 39, ist alles weihnachtlich dekoriert. So langsam kommen bei uns nun auch allererste weihnachtliche Vorfreuden auf. Vermutlich weil es etwas kälter wird und die Weihnachtsdeko eher zu den Temperaturen passt.
Zum Abend essen wir Macaroni & Cheese – so richtig deftige amerikanische Kost. Die ist so schwer, dass man schon beim Nachhauselaufen einschläft. Na, nicht ganz. Und lecker war’s auch.
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Etappe VI USA
Kurz vor 6.00 Uhr aufstehen, fertig machen und Marsch zur Bushaltestelle. Der Morgen erwacht, die Obdachlosen liegen auf bzw. an den dampfenden Abwasserschächten. Einige fahren/laufen mit lauter Musik durch die Straßen. Wir kommen an der Bushaltestelle an, ein moderner Bus bringt uns zur nächsten Busstation nach Emeryville. San Francisco im engeren Sinne hat keinen Bahnhof.
Kurz vor Abfahrt werden wir aus dem Warteraum geholt. Und in Gruppen eingeteilt. Online-Sitzreservierung gibt es nicht, deshalb werden die Sitze vom Schaffner zugeteilt. Abhängig vom Ziel. Wir bekommen glücklicherweise zwei Plätze im Oberdeck. Und die Reise beginnt. Wir wechseln in den Panoramawagen.
Es geht an der Bucht von San Francisco vorbei, danach wird es neblig. Die Strecke entlang der Bahn könnte jetzt genausogut in Mecklenburg-Vorpommern liegen – abgeerntete Maisfelder, bunte Laubbäume, die schemenhaft durch den Nebel zu erkennen sind, Hinterhöfe der Bauern.
Und dann fahren wir langsam in die Berge. Irgendwann fängt der Schnee an, irgendwann haben wir eine geschlossene Schneedecke. Und Sonne. Der Panoramawagen wird voll. Eine Frau lässt sich neben mir auf den Sitz fallen und fängt an zu erzählen, dass sie vor einer Woche einen Unfall mit ihrem Camper hatte, zeigt mir die Bilder (sah nicht gut aus) und hört nicht auf zu reden. Ihre älteste Enkelin heißt Cathlyn und hat sie super gepflegt. Ihre Schlafwagenschaffnerin hieße auch Cathlyn und das müsse ein gutes Omen sein. Sie fährt mit dem Zug nach Hause, weil sie sich noch nicht wieder traut, Auto zu fahren. Zu Hause müsse der Versicherungskram gemacht werden und ihr Arzt sie durchchecken. Die Nase könne gebrochen sein. Was ich denn meinen würde – nee, die sieht völlig gerade und ok aus. Dann kommt eine Durchsage und sie geht zum Mittag in den Speisewagen. Ich wechsle auf einen Einzelsitz und schaue weiter in den Schnee. Am Nachmittag packe ich meine Sachen und will nach hinten zu unseren Sitzen. Da spricht mich die Frau auf dem Sitz nebenan an, ob wir bald in Truckee sind. Keine Ahnung. Wir sind in jedem Fall verspätet.
Und dann plaudern wir ein wenig. Sie arbeitet an einer Sonderschule als Bewegungstherapeutin. Kommt von Freunden in San Francisco, war auch schon viel in der Welt unterwegs. Hat polnische Vorfahren, wir sprechen über schwierige Sprachen, die Aussprache ihres Nachnamens und solche Sachen. Nette und entspannte Plauderei.
Und der Zug fährt immer weiter durch die amerikanische Landschaft. Langsam wird’s dunkel, wir gehen zurück auf unsere Plätze und vertreiben uns die Zeit bis zur „Ruhezeit“ von 22.00 bis 07.00 Uhr. Dabei lese ich in einem Artikel der New York Times, dass die durchschnittliche Hotelübernachtung im Moment gut 400 USDollar kostet. Mannomann, hoffentlich bleibt unsere Buchung (private Unterkunft) bestehen und hoffentlich färben diese Preise nicht auf alles andere ab…
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Etappe VI USA
Von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr wird konsequent Ruhe gehalten. Um 7.00 Uhr kommt wieder die erste Durchsage, Stop in Omaha, Nebraska. Geschlafen – na ja. Aber das sollte schon reichen. Ein Blick aus dem Fenster – wir sind wieder in landwirtschaftlich dominiertem Gebiet. Große Stoppelfelder, hin und wieder Dörfer.
Es ist kalt, laut Wetter-App auch hier -6°C. Offenbar zieht das Wild deswegen über Nacht in die Baumreihen links und rechts des Bahndamms und morgens wieder zurück auf die Felder. Immer wieder springen Hirsche (?) ab. Wenn man etwas genauer hinschaut, sieht man auch Ansitzleitern und kleine Kanzeln. Nicht viel Unterschied zu den ländlichen Gebieten bei uns.
Wir kommen mit zwei Stunden Verspätung in Mount Pleasant an. Steigen dort zusammen mit drei weiteren Mitreisenden aus. Mount Pleasant – das klang so schön, dass wir gesagt haben, dort gucken wir mal vorbei. Wir wollten ein paar Stunden in einem sehr ländlichen Ort verbringen und haben uns aufgrund des Namens entschieden. Hier gibt’s keinen Bus, keine Straßenbahn, nur Autos. Uber kann man aber wohl zumindest mal versuchen. Wir laufen die 30 Minuten zum Hotel. An einer Ausfallstraße sind nebeneinander vier nahezu baugleiche Hotels (vom Charakter eher Motels) mit großen Parkplätzen. Nebenan ein Walmart, je ein Dollar Tree/General (gemischte Discounter wie Woolworth/tedi/kodi/…), KFC, Taco Bell, Pizza Hut, McDonald’s. Vermutlich liegt Mount Pleasant nicht nur an der Bahnstrecke, sondern auch an einem Highway.
Wir laufen zurück in den Ort und erleben eine klischeehafte amerikanische Kleinstadt, während der kalte Wind beißt. Breite Straßen, große Grundstücke, einfache Holzhäuser, viele SUVs/Pickups, immerhin einen Bürgersteig. Schilder gegen Windräder, für Trump, Werbung für Kirchen, religiöse Szenen im Vorgarten, ein gigantischer Parkplatz neben einer Foot-/Base-/Softball-/Leichtathletik-Sportanlage. Entdecken mindestens fünf Kirchen (bei ~9.000 Einwohnern) und kommen am zentralen Platz des Ortes an. Banken, Versicherungen, Tattoo-Studio, Café, zwei Pizzerien, Geschenk- und Kramläden. Wir trinken einen Kaffee und essen Kürbis-Kuchen. Knapp bevor das Café zumacht. Die meisten Läden haben von 6.30/7.00 Uhr bis 14.00/14.30 auf. Das erinnert ein wenig an die Lebenswirklichkeit in der DDR, als auch zwischen 5.30 und 6.00 Uhr aufgestanden wurde.
Auf dem Rückweg gehen wir im Walmart für die morgige Bahnetappe einkaufen. Der Walmart ist riesig, es gibt alles bis hin zu Waffen und Munition. Und die Preise sind völlig in Ordnung. Auf dem Land stimmt die Welt also noch. Offenbar muss in den Großstädten für zB Miete so viel mehr bezahlt werden, dass alles teurer ist. Wer dann noch in kleinen Kiosken/Geschäften einkauft, wird halt noch mehr zur Kasse gebeten. Ist am Ende nicht anders als bei uns.
Im Hotel können wir endlich wieder Wäsche machen. Es ist dann doch netter, frisch geduscht in gut riechende Wäsche zu steigen. Abends gehen wir ums Eck Pizza essen. Werbung draußen: zwei große für 25 USDollar. Drinnen dann Buffet für 16 USD/pP. Nehmen wir und hauen uns die Bäuche voll. Insbesondere endlos trinken ist gut. Und: der Laden ist voll, die Einheimischen kommen offenbar wegen des Buffets. Wir freuen uns, inmitten der typischen Landbevölkerung/Trump-Wähler zu sitzen. Familie mit sieben Kindern, ein Opa, der seine Jeans und dann die Über-Lederhose zum Ausgehen angezogen hat. Super.
Nach dem Essen habe ich dann noch eine Runde gedreht, in der Hoffnung, winterlich beleuchtete Häuser zu sehen. Nicht ein einziges gefunden. Im Gegenteil, irgendwann wurde es auf einer der Straßen ziemlich dunkel. Also zurück ins Hotel und ab ins Bett.
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Etappe VI USA
Wir stehen gut erholt auf, allerdings sind Martas Halsschmerzen zu ner ausgewachsenen Erkältung geworden. Nase zu, Ohren zu, Kopfschmerzen. Die Temperaturen (der Tag startet wieder bei 0°C) und Klimaanlagen im Zug helfen nicht wirklich. Gestern hat sie sich schon einen Schal bei Walmart geholt, gleich gehen wir nochmal rüber und holen Nasentropfen. Vorher gibt’s aber Frühstück – ein kleines Waffeleisen steht in der Küche mit Teig dazu, Corn Flakes, Säfte, Kaffee, kleine Doughnuts, Gebäck, Toast, Apfel, Banane. Das ist ganz ordentlich.
Nach dem Schnelleinkauf bei Walmart laufen wir zum Bahnhof. Sind zu früh dort. Die Amtrak-App schickt uns im Stunden-, später Halbstunden-Takt Infos zur Ankunftszeit. Der Zug ist fast wieder pünktlich, nachdem er beim Ins-Bett-Gehen schon über ne halbe Stunde Verspätung hatte. Neben dem Bahnhof gibt’s ein Café. Als wir reingehen, stellen wir fest, dass es eher sowas wie ein Community-Center ist, mit sehr niedrigen Preisen für Essen und Trinken. Unsere beiden Tees kosten 5 USD, bisher hat jeder einzelne Kaffee mehr gekostet. Ein paar Männer aus der Gegend sitzen schon dort und quatschen über Krankheiten, Tod, wie teuer alles ist usw. Es liegen angefangene Puzzles aus zum Weiterpuzzeln, es gibt ne Kinderecke zum Spielen und eine Wand mit Kinderzeichnungen.
Wir trinken unseren Tee und laufen die paar Meter zum Wartehäuschen, das vor ner Viertelstunde aufgemacht wurde. Dort sitzen zwei junge Paare Amish People. Im Zug treffen wir weitere – älter und jünger. Offenbar geht’s zu Thanksgiving nach oder zumindest Richtung Chicago. Die Frauen alle mit Haarhaube und altertümlich wirkenden Kleidern. Die Männer zum Teil mit Hut, zum Teil mit Wollmütze. Schwarze Lederschuhe vom Schuster, weite Hosen. Hosen, Westen und Jacken – alles aus festen schwarzen Baumwollstoffen. Unsere japanischen Jeans würden vermutlich akzeptiert. Große, kräftige Hände von schwerer körperlicher Arbeit. Unterhaltungen sind nicht zu verstehen, aber gelegentlich klingen Ähnlichkeiten zu deutschen Wörtern durch.
Der Zug rollt ein, wir legen unsere Sachen ab und wechseln sofort wieder in den Panoramawagen. Der ist ziemlich voll, allerdings wird kurz nach unserem Einsteigen durchgesagt, dass Mittagessen ab jetzt nur für eine Stunde serviert wird. Und schon können wir uns gute Sitze mit Sicht aufs ländliche Amerika aussuchen. Es geht weiter über flaches Land mit Feldern, Kleinstädten, und landwirtschaftlicher Infrastruktur – Silos, Lagerhallen, Maschinenparks. In Burlington fahren wir über den Mississippi. Die Stadt hat jede Menge Industrieruinen aus rotem Backstein. Vor Zeiten muss hier irgendwas verarbeitet oder produziert worden sein, vermutlich weil der Transport von hier auf dem Wasser möglich war. Die Eisenbahnbrücke ist reichlich alt, einen Teil konnte/kann man über eine gewaltige Konstruktion heben und senken. Auf der anderen Seite des Mississippi weiter Landwirtschaft und Landwirtschaft.
Und wie in China denke ich, dass sehr große Länder, die sich selbst versorgen können, strategische Vorteile haben. Vermutlich ist Europa in der heutigen globalen Konstellation ein Gefangener seines früheren Erfolges. Mehrere starke Staaten, die in einer Welt vor 100 Jahren genau diese Autarkie besaßen, die heute aber zu klein sind.
Chicago kommt näher, ab ca. 45 min vorher fahren wir eigentlich nur noch durch städtisches Gebiet. Alles bebaut. Kurz vorm Bahnhof ist dann die Skyline zu sehen. Zum ersten Mal wirklich eine ordentliche Reihe an Hochhäusern. In Los Angeles gab’s nur zwei kleinere Bereiche, in San Francisco (wegen der Erdbebengefahr?) kaum welche. Wir entschließen uns, das Gepäc in dem wunderschönen alten Bahnhof abzugeben und unseren üblichen Rundgang durch die Innenstadt zu machen. Bei der Gepäckabgabe mache ich wieder beide Augen zu (10 USD pro Gepäckstück, am geschäftigsten Bahnhof der Welt in Tokio haben wir für weniger zwei Gepäckstücke eingeschlossen). Dann laufen wir los. Es macht Spaß, durch die Stadt und die Häuserschluchten zu streifen. Alles ist schon vorweihnachtlich geschmückt und als es dunkel wird, bilden die Hochhäuser eine schöne Kulisse.
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Nach unserem Rundgang durch die Stadt setzen wir uns in die große Wartehalle. Tolles Gebäude, tolle Architektur. Ziemlich ähnlich der Union Station in Los Angeles. Und dann verpassen wir fast unseren Zug, weil der eine neue Zugnummer hat und wir den Zielbahnhof nicht kennen. 20 Minuten vor Abfahrt frage ich nach und wir müssen uns zum Gleis sputen. Dort allerdings ne sehr lange Schlange, weil das amerikanische System (zumindest bei Amtrak) aus der Zeit gefallen ist. Tickets kann man online Monate im Voraus buchen, Verspätungen werden quasi in Echtzeit mitgeteilt, aber Platzreservierungen gibt es nicht.
Stattdessen geht man zum Zug, es wird das Ticket (gern auf dem Handy) geprüft und dann geht man zum Schaffner an einem der Wagen. Wenn der nicht passt, wird man weitergeschickt. Wenn’s passt, bekommt man einen Pappstreifen mit den handgeschriebenen Platznummern in die Hand. Den steckt man hinter einen Metallstreifen am Gepäckfach über seinem Platz. Später kommt der Schaffner durch, fragt nach dem Reiseziel und hängt einen neuen Pappstreifen über die Plätze, auf dem das Ziel steht (MTP 2 heißt beide Plätze steigen in Mount Pleasant aus; für Washington werden zwei Haken gemalt, die grob ein W ergeben – beim Personalwechsel ändert sich das wieder in WAS 2). Kurz vorm Ziel wird der Streifen auf der Hälfte geknickt und wenn die Passagiere raus sind, ganz rausgezogen. Dann geht das Spiel mit neuen Passagieren von vorn los. DAS geht in China aber ganz anders. In Chicago führt dieses System dazu, dass wir ewig brauchen, bis alle Mann an Bord sind. Wir fahren mit 10 Minuten Verspätung ab.
Der Zug ist diesmal einstöckig (außer Schlafwagen). Deshalb gibt es auch keinen Panoramawagen. Die Sitze sind wieder Liegesitze, in denen man in Schräglage irgendwie versucht zu schlafen. Da es ohnehin schon dunkel ist, machen wir auch nicht mehr lange. Zudem wird kurz hinter Chicago die Uhr weiter vorgestellt, damit sind wir jetzt auf Ostküstenzeit.
Die Nacht war wegen vieler Stopps durchwachsen. Viel Lärm, Bewegung, Gepäckgeschiebe. Die Passagiere sind etwas durchmischter, aber tendenziell eher in der nicht so wohlhabenden „Kohorte“. Amish People auch wieder in größerer Zahl. Heute ist Thanksgiving, der Zug ist voll, das Land fährt offenbar zu Familie/Freunden. Und wir mittendrin. Hoffentlich wird der Abend in Washington für Leute ohne Familienanbindung nicht so’n trauriger Spaziergang wie an Heiligabend in deutschen Städten.
Wir kommen in Washington an – wieder in einem grandiosen Bahnhofsgebäude. U-Bahn ist wegen der vorher geladenen Smart-Tap-Karte kein Problem, das Hotel lässt uns früher einchecken. Wir laufen los und sind zügig am Weißen Haus. Leider sieht man nicht viel und dichter ran geht von keiner Seite. Naja, die Kamerabilder sind sowieso immer besser. Vom Weißen Haus machen wir uns auf den langen Weg zum Capitol. Der Weg fährt entlang einer sehr großen Grünanlage. Links und rechts Museen, deretwegen wir aber nicht hier sind. Viele Familien bummeln bei angenehm warmen 15°C durch den schönen Herbstnachmittag. Washington wirkt außerhalb des Regierungsbereichs wie eine ganz normale Bürostadt. Breite Straßen, Bürohäuser mit ca. zehn Stockwerken. Alles funktional und unaufgeregt. Als es Abend wird, überlegen wir, wie wir den Abend verbringen. Geschäfte haben nahezu alle zu, Restaurants haben mit Vorbestellungen gearbeitet, bliebe Fast Food oder vielleicht finden wir noch was zum Zu-Hause-Essen. Bei uns gibt’s im Zimmer diesmal ne kleine Küchenzeile.
Der erste große, noch offene Supermarkt, den Marta findet, macht in fünf Minuten zu. Weiter draußen gibt’s noch einen, der eine Stunde länger geöffnet hat. Dort schnappen wir uns zwei Mikrowellen-Fertiggerichte mit Truthahn. Dann noch nen Rotwein, Süßes, Obst, Brot, Getränke und anderen Kleinkram. So haben wir immerhin unser kleines Thanksgiving-Essen.
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Etappe VI USA
Irgendwas bei meinem Essen war gestern falsch. Erst dachte ich, dass ich schlicht zu viel gegessen hätte, weil seit langem mal wieder mehr als üppig eingekauft war. Aber da ab 5.30 Uhr für vier Stunden mein Energieversorger komplett auf Null gefahren ist, muss ich wohl auf andere Hypothesen schwenken. Kurz sah’s auch nach Doppelentleerung und Kreislaufproblemen aus. Ruhiges Ausharren hat dagegen gearbeitet. Ist ja nicht das erste Mal.
Damit ist der Plan für Washington, Tag 2 erstmal hinfällig. Meiner jedenfalls. Wobei – so’n richtigen Plan gab’s gar nicht. Heute ist Black Friday, da wollten wir mal die amerikanischen Konsumenten im Kaufrausch beobachten. Draußen ist’s kalt (8°C) und windig. Da finde ich es gar nicht so doof, unser Hotelzimmer etwas intensiver zu nutzen. Ist das teuerste und mit das netteste Zimmer der ganzen Reise und doch das billigste, das ich in Washington finden konnte.
Marta hatte sich ihren Ziel-Konsumtempel schon vorher rausgesucht und ist um 10.00 Uhr durch die Tür, nachdem sie ihren leidenden Vater vorher mit Tee versorgt hat (der sich ne Perenterol einwirft und Elektrolyt einrührt). Kaum ist sie raus, hole ich mir zwei Kekse und gieße mir einen Oatmeal-Fertig-Becher auf. Mal gucken, ob das gut geht. Mein bei Aldi stahlgebadeter und zu Sprüchen neigender Bruder pflegt zu sagen „Wenn’s raus ist, ist’s raus.“ – im Sinne von „Wenn ne Stunde nix mehr war, kannste wieder Burger essen.“ Bruder, dein sonniges Wort in meinen geschundenen Magen. Amerikanischer Realitäts-Check. In Samarkand hat das ja eher mein Leid verlängert. Allerdings haben ein paar lebensintensive Dekaden auch an der Substanz gezehrt. Und – ich war schon als Kind etwas wehleidiger.
Am Nachmittag kommt Marta mit leichtem Gepäck zurück. Bei den großen Marken war nix los, erst in einem bestimmten Viertel gab’s n paar Sachen günstiger. Parfüm, Pyjama, Leggins. Und dann will sie auf den Weihnachtsmarkt und findet, dass der Vater mal raus sollte. Also fahren wir n Stück U-Bahn und laufen dann über einen Weihnachtmarkt. Weniger Essen als bei uns, mehr Kunsthandwerk. Die längste Schlange allerdings bei German Wurst.
Eiskalter Wind bei nun nur noch 2°C pfeift über den Markt. Ich bin zwar gut eingepackt, aber Müdigkeit und Kälteregulierung arbeiten gegen mich. Wir laufen noch ein Stück und fahren dann zurück. Kaufen für die morgige Fahrt ein, danach tappe ich ins Hotel. Marta bummelt durch die Geschäfte rund ums Hotel.
Für den Abend bringt sie sich nen vegetarischen Burger und Fritten mit, dazu noch zwei Doughnuts. Voller Glück finde ich in einer meiner Tüten noch nen usbekischen Suppenwürfel. Hatte mehrere davon in Japan wegen westlichen Essens entsorgt. Aber so’n kleiner Rufer im Ohr hat zwei zurück ins Tütchen geworfen. Dazu gibt’s nen Apfel und etwas trockenes Brot von gestern. Wir müssen morgen früh wieder um 5.30 Uhr raus, drücken wir mal die Daumen für die Nacht.
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Etappe VI USA
Der Morgen beginnt um 5.30 Uhr. Die Nacht war mäßig – zu warm und dann hat ein Inder vermutlich mit zu Hause telefoniert und sich dafür auf den Gang vor unseren Zimmern gesetzt. Aber mein Magen hat bisher durchgehalten. Das ist doch gut. Vor dem Hotel empfängt uns kalte Luft. -1°C. Wir steigen in den Bus, der hier in Washington um diese Zeit komplett leer ist. Vor ein paar Tagen in San Francisco hatten wir um diese Zeit jede Menge Wärme suchender, mit irgendwas vollgepumpte Mitfahrer.
Wir laufen von der Bushaltestelle zum imposanten Bahnhofsgebäude und setzen uns in die Wartehalle. Im Gegensatz zu den in die Jahre gekommenen Zügen sind die auch schon alten Gebäude perfekt in Schuss. Eindrucksvolle Tempel des technischen Fortschritts von vor über 100 Jahren.
Für uns geht es heute nach New York. Der Zug ist komplett ausgebucht und beim Blick auf die aktuellen Ticketpreise fällt mir die Kinnlade runter. Normale Tickets Washington – New York kosten beim Kauf zwei bis drei Monate vorher ab ca. 25 USDollar. Obwohl ich für uns mit noch mehr Vorlauf gebucht habe, mussten wir schon 79 USD bezahlen – vermutlich wegen des Ferienwochenendes zu Thanksgiving. Wer heute noch kurzfristig ein Ticket kaufen will, wird allerdings um 262 bis 498 USD erleichtert. So er denn eines bekommt, die meisten Züge sind bereits komplett ausverkauft. Gnadenlose Marktwirtschaft. (Zum Vergleich: die Tickets von San Francisco nach Chicago mit 52h Fahrzeit fangen bei ca. 135 USD an und gehen dann bis auf 265, zu Weihnachten 360 USD hoch.)
Wir kommen knapp vorm Mittag im kalten aber sonnigen New York an, fahren mit der U-Bahn Richtung Unterkunft und können wieder früher einchecken. Kleines Zimmer, vor allem kleines Bett, Dusche und Klo auf dem Gang. In New York kann man bei der Unterkunft halt nicht wählerisch sein. Im Anschluss beginnt gleich unser Programm. Trödelmarkt in Harlem, Chinatown, Brooklyn-Bridge, Gondelfahrt zu Roosevelt-Island, Spaziergang zum Times Square. Unterwegs bekomme ich nach nun fast zwei Tagen wenig bis nichts essen doch größeren Hunger. Wir essen zwei Pizza-Stücken – heiß und lecker. Später holen wir uns nochmal Pizza. Stand noch auf der Liste, was wir probieren wollten. Hier in New York merkt man nix von Konsummüdigkeit. Liegt aber vielleicht auch an den vielen Touristen. In jedem Fall bleibt New York eine aufregende, hektische und inspirierende Stadt.
Beim Bummel durch die Straßen sehen wir Weihnachtsbäumverkäufe, die exakt wie zu Hause funktionieren. Nach Größen sortierte und farblich gekennzeichnete Bäume werden am Straßenrand mit Lieferoption verkauft. An den Straßenecken rund um den Times Square fallen uns kleine "Schornsteine" auf den Gullydeckeln auf. Vermutlich soll der Dampf so hoch abgeleitet werden, dass die Autofahrer nicht irritiert sind. Ganz witzig sind auch noch die vielen Kohlpflanzen, die hier als Zierpflanzen in einigen Rabatten rund um Straßenbäume zu finden sind.
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Etappe VI USA
Unser Zimmer (mit Gemeinschaftsdusche) liegt etwas nördlich des Central Parks. Wir machen uns fertig und folgen als Erstes der Empfehlung unserer Wirtin zum Bagel-Essen. Nicht weit weg ist eine kleine Bäckerei, in der man zwischen bestimmt zehn unterschiedlichen Bagel-Sorten und mindestens so vielen Belägen wählen kann. Diese Komplexität überfordert mich, Marta hilft mir. Was wir dann bekommen, ist sehr lecker.
Frisch gestärkt laufen wir zum Central Park. An dessen Eingang haben Ginkgo-Bäume wegen (?) der langsam ungemütlich werdenden Kälte über Nacht die Blätter abgeworfen. Es empfängt uns ein eisiger Wind. Auf der Lauf- und Fahrradstrecke sind trotzdem Leute unterwegs, zum Teil in kurzen Hosen oder T-Shirts. Dann sehen wir eine Frau, die Erdnüsse auf ihre Handflächen legt und damit tatsächlich diverse Vögel anlockt. An einer anderen Stelle stehen fünf „Bird Spotter“, die wie gebannt mit Fernglas oder Zoomobjektiv auf eine Stelle an einem Baum starren. Und mir fallen die eigenartig geformten Mülltonnen auf – da hat bestimmt ein Ingenieur ganze Arbeit geleistet.
Wir laufen dann bis etwas zur Mitte, holen uns einen Tee und fahren mit der U-Bahn zum 9/11-Denkmal. Als wir davor stehen, fasziniert mich zum zweiten Mal auf dieser Reise, was für eine Wirkung Architektur haben kann. Ich kenne weder die Geschichte noch die Interpretation des Denkmals. Aber als ich davor stehe, zieht es mich unmittelbar in seinen Bann und macht betroffen. Es ist ein ganz ähnliches Gefühl wie beim Genozid-Denkmal in Jerewan.
Nach dem 9/11-Denkmal laufen wir zur Staten-Island-Fähre. Vorbei an vielen Ankoberern, die uns auf diverse Boote schaffen und für viel Geld um die Freiheitsstatue fahren wollen. Unsere Fähre kostet hingegen nix und man sieht sowohl die Freiheitsstatue als auch die Skyline von New York super gut. Nur dass es man es draußen nicht lange aushält. Der Wind ist so bitter kalt, dass die Hände nach ein paar Fotos dringend in die Taschen wollen.
Zurück geht’s wieder mit der Fähre, dann mit der U-Bahn nach Chelsea. Wir bummeln durchs Viertel, finden bereits einzelne Weihnachtsdekos und laufen über einen Food Court mit Essen aus aller Welt. Unser Plan für heute Abend ist allerdings, dass wir in einem traditionellen Deli(katessengeschäft) essen gehen. Diese Delis waren ursprünglich die jüdische Fast-Food-Versorgung New Yorks. Mittlerweile gibt es nicht mehr so viele und wir werden von einem mexikanischen Koch, einer mexikanischen Kellnerin und einem afroamerikanischen Chef „umsorgt“. Marta nimmt mangels ausgegangener vegetarischer Sandwiches Kartoffelpuffer, ich das „Kardiologen-Spezial-Sandwich“ mit Pastrami, Zunge und Geflügelleber. Beides SEHR lecker.
Wir fahren dann noch ein Stück mit der U-Bahn und sehen bereits eine etwas andere Passagier-Zusammensetzung. Keine Touristen mehr, dafür viele Lateinamerikaner, einige Afroamerikaner. Beim Aussteigen wird es dann noch etwas schwieriger. Viele offensichtlich Bekiffte (oder anderweitig leicht aus den Härten des kalten Tages Getretene), die sich in der Haltestelle aufhalten – wir bewegen uns zügig raus und erst nach etwas Abstand zur Haltestelle sind wir wieder auf einer normalen breiten Einkaufsstraße. Für heute reicht’s, wir laufen nach Hause. Dort stellen wir fest, dass Marta erste Frostbeulen auf ihren Zehen hat. Es ist einfach kalt und die Schuhe sind eng.
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Etappe VI USA
Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, sich neue Schuhe mit größerer Weite zu besorgen, will Marta es heute wissen. Sie hat umfangreich recherchiert und einen Laden in Brooklyn gefunden, der ein Wunschpaar in ihrer Größe hat. Zudem ist heute Cyber-Monday, da ist der Preis ein ordentliches Stück gesunken. Bevor wir dorthin fahren, essen wir aber erstmal Bagel bei Jo. Heute süß. Ach, wenn die Sachen frisch sind, können wir beide nicht widerstehen. Schmeckt ganz ausgezeichnet.
Dann in die U-Bahn und gefühlt um die halbe Welt gefahren, raus auf die Straße – wir bewegen uns in dieser Ecke intuitiv wieder etwas vorsichtiger. Finden den Laden und schauen. Die Schuhe gibt’s nicht. Die Verkäuferin erklärt uns, dass es die Straße nochmal gäbe, wir müssten noch ein paar Stationen weiter mit der Bahn. Machen wir, das Publikum wird tendenziell noch etwas schwieriger. Auf jeden Fall gibt’s jetzt endlich die Schuhe in der richtigen Größe. Aber leider auch andere, die cool sind, noch weiter preisgesenkt – nur leider ein Männermodell. Hin und her, hin und her. Am Ende nimmt sie die vorrecherchierten. Anziehen geht aber erst viel später am Tag, da wir vorher noch neue Socken brauchen…
Es geht per Bahn zurück in ein nettes Viertel rund ums google-Gebäude. Nicht weit weg findet sich ein zur Spazierstrecke umgebauter ehemaliger Bahnabschnitt. Feine Sache. Rundum vermutlich sündhaft teure Apartments. Dann geht’s zum Sockenkaufen, unterwegs essen wir ein Pizza-Stück und in die Dunkelheit hinein schauen wir am Empire-State-Building vorbei. Unser New-York-Aufenthalt geht nun langsam zu Ende. Zeit für ein paar Reflektionen über die Stadt.
New York ist einfach eine faszinierende Stadt. Leider, vermutlich deswegen, auch sehr teuer – was dafür spricht, dass ganz Viele hier ihr Glück versuchen und dass obendrein noch viele Touristen kommen. Sobald man aber etwas außerhalb der nachgefragtesten Ecken ist, kann man zB in Harlem nen Tee/Kaffee noch für um die 3 USD bekommen. Die Polizei-Präsenz fällt auf, aber sie scheint zu wirken. Überall gibt es Infotafeln „If you see something, say something.”, mit Polizeirufnummer. Wenn wir an Polizisten vorbeilaufen und sie anschauen, grüßen sie freundlich. In der U-Bahn haben wir dann auch beobachtet, dass alle irgendwie versuchen, Streit aus dem Weg zu gehen. Und Polizeibeamte haben fliegende afrikanische Taschenhändler zwar gestellt, aber nach ner harten Ermahnung wieder laufen lassen. Das sind alles nur Momentaufnahmen, passen aber alle ins Bild. Und dann gibt am 9/11-Denkmal eben auch Militär (nicht Polizei), die mit Maschinenpistolen entspannt in einem danebenliegenden Einkaufszentrum patrouillieren. Der Staat zeigt massive Präsenz und signalisiert, dass er auch bereit ist, Gewalt einzusetzen. Hätte ich früher abgelehnt, heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das in einer wirklich multikulturellen Stadt/Gesellschaft nicht doch notwendig ist.
Und dann riecht es an jeder Häuserecke nach Cannabis. In der U-Bahn gibt es Werbung mit Rufnummern für Suchtprobleme. Und reichlich Bettler und Obdachlose. Das ist bei den Miet-/ Wohnungspreisen auch keine Kunst. Wir haben bei Maklern kleine Wohnungen (ein Zimmer + Bad) ab 2.500 USD gesehen. Unser Zimmerchen kostet über 100 USD pro Nacht. Mit Gemeinschaftsdusche. Und wenn ich mir das Haus unserer Eigentümerin anschaue – gute 100 Jahre alt, einfach verglast, die Heizung läuft morgens und abends vielleicht jeweils ne Stunde. Bei jedem Anstellen entweicht wieder Luft über das angebaute Ventil, der Durchflussregler lässt sich zwar drehen, hat aber keine Wirkung. Die Heizung ist entweder heiß oder kalt, die Zimmertemperaturkurve für uns aber ok, die trockene Luft nervt allerdings. Erneuerungsinstallationen werden lieblos in oder auf die alte Substanz genagelt/geschraubt, Wände mit einfachstem Gipskarton oder Plastik verkleidet. Alte Einbauschränke ihrer Verzierungen beraubt usw. usw.
Das Leben ist für viele einfach so teuer, dass es nicht reicht, um die Immobilien denkmalgerecht zu erhalten. Der Einbau einer ordentlichen Heizung in diesem dreietagigen Haus (drei Zimmerchen plus Küche und Bad pro Etage) würde mindestens 90.000 USD kosten. Und das sind dann immer noch nur Wandheizkörper, keine Fußbodenheizung o.ä.
Und wenn man dann durch New York fährt und diese gewaltigen Häuserblocks aus dem vergangenen Jahrhundert sieht, fragt man sich, wie das jemals saniert werden könnte und auf moderne Standards gehoben. Es gibt natürlich moderne Hochhäuser, auch mit Apartments, aber die Masse der Bausubstanz ist alt. Das google-Gebäude ist so ein relativ großer Block, den sich ein reiches Unternehmen neu herrichten konnte. Aber nicht weit von dort gibt es viel gewaltigere Gebäude, die irgendwann auch doppelt verglast werden könnten. Gigantische Themen. Und solange New York so ein Magnet für die Hoffnungsvollen aus aller Welt bleibt, werden vermutlich immer nur die allernötigsten Instandhaltungen ausgeführt und hin und wieder von den wirklich Reichen einzelne neue oder komplett sanierte Straßenzüge gestaltet.
Und dann ist da die Mentalität der Amerikaner. Für uns Vorsorgeorientierte irgendwie nicht nachvollziehbar. Da gibt es in einem (scheinbar?) ärmeren Viertel in Brooklyn vier Sneaker-Geschäfte nebeneinander – mit allen angesagten Marken und Preisen oberhalb der 100 USD. Und dann kommen da Leute rein, die teure Schuhe an den Füßen haben, ansonsten aber eher nicht wohlhabend aussehen. Und die holen sich dann noch ein teures Paar. Gut, heute war Cyber-Monday, da gab’s ganz gut Rabatt. Aber trotzdem. Marta erklärt mir, dass Sneaker – wir hätten Turnschuhe gesagt – als Statussymbol gelten und so sehen die Füße in diesen Ecken der Stadt auch aus.
Abends gibt's für uns nochmal Fast Food. Panierte Hühnchenecken mit Fritten und einer speziellen Sauce (kennt man auf Tiktok 🤷♂️). Die Verkäuferin macht einen Fehler und gibt uns das falsche Paket. Wir merken das gar nicht und fangen an zu essen. Dann kommt sie nochmal an den Tisch und stellt uns das richtige Paket hin. Und nun? Zwei brauchen wir nicht. Sie auch nicht. Sei ihr Fehler gewesen, sorry. Marta schnürt die Tüte unangerührt zusammen und verschenkt sie hinterher draußen an den ersten Obdachlosen, der uns über den Weg läuft. Dauerte nicht mal 30 Sekunden.
PS Gerade bekomme ich eine mail, dass unser (nun allerletzter) Zug nach Köln in ein paar Tagen gestrichen sei. Es bleibt spannend bis zum letzten Tag...
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Etappe VI/VII USA/Zurück nach Europa
Heute beginnt die letzte Etappe unserer Reise. Es geht zurück nach Europa. Das ist ein wenig schade, andererseits aber auch sehr schön. Wir lassen die USA hinter uns. Menschen, die jeden Tag einer viel härteren sozialen Umgebung ausgesetzt sind, aber auch mehr persönliche Freiheit haben.
Die kundenorientiert sind, aber auch viel stärker wirtschaftlich denken. Als wir zu früh bei unserer Wirtin ankamen und artig die Schuhe vor der Tür ausgezogen haben (Schild befolgt), war ihre etwas schroffe Reaktion, dass wir das nicht machen müssten, weil Check-in ohnehin erst nach 15.00 Uhr sei. Ja, ok. Wir wollten nur gern schon die Rucksäcke abstellen. Dann hat sie kurz überlegt – ok, wir könnten die schon ins Zimmer stellen, wenn wir sofort und in cash bezahlen. Könnten den Schlüssel mitnehmen und zu beliebiger Zeit wiederkommen. Als ich ihr dann die druckfrischen Dollar-Scheine in die Hand gab, haben ihre Augen geleuchtet und sie hat das Knistern des Geldes fast physisch genossen. Und von da an hat sie uns mit einem Wortschwall eingedeckt – wo wir einkaufen, Essen gehen könnten, … Da wir aus D kämen, bräuchte sie uns ja nicht zu erklären, wie man Müll trennt. Das müsse sie nur mit ihrer lateinamerikanischen Kundschaft machen. Und dann erzählt sie noch von ihrem Collie, der ihre sechs (!) Katzen wie eine Schafherde hütet, eine Katze adoptiert hat und solche Sachen. Na, denke ich, man bloß nicht erzählen, dass du Jäger bist…
Aber zurück zum Abschied. Irgendwie ist es eine schöne Fügung, dass wir New York als letzte Stadt auf unserer Reise besuchen. Nachdem wir die Welt von Europa über Asien nach Nordamerika durchfahren haben, treffen wir Menschen aus all diesen Teilen der Welt in genau dieser Stadt. Quasi eine kleine Zusammenfassung unserer Reise. Vielleicht ist New York weltweit die einzige wirklich multikulturelle Stadt. (Singapur, Hongkong?)
Für uns ist sie nun der Ausgangspunkt des letzten großen Abenteuers. Per Schiff nach Europa. Für den Pazifik habe ich leider keine Option gefunden, die zeitlich gepasst hätte. Es gab ein einziges Schiff, dass von Japan Richtung USA fuhr – dort hätten wir aber schon in Singapur zusteigen und mehr als 30 Tage auf einer Kreuzfahrt mit Passagieren verbringen müssen, bei denen ich vermutlich den Altersdurchschnitt deutlich gesenkt hätte. DAS können wir immer noch machen, wenn wir alt genug sind.
Und Frachtschiffreisen gibt es nicht mehr. Wohl, weil die Hafenbehörden keine Lust auf die Kontrollen beim Ein- uns Ausschiffen haben.
Wir werden uns hier nun vorerst nicht mehr melden, da die Mobilfunknetze bis Southampton dünn und die Satellitennetze exorbitant teuer sind. Aber in einer Woche hoffe ich, ein paar Eindrücke vom Atlantik und unserem Bötchen hochladen zu können.
PS Wir hatten die günstigste Kabine gebucht und haben ein Upgrade bekommen.
(Mehr Bilder gibt's erstmal nicht.)
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